WUSCH_A5_Fruehjahr_2023

WUSCH_A5_Fruehjahr_2023_RZ

Inhalt: Martin Barth Künstliche Intelligenz zur Abbildung der Fertigung (Digitaler Zwilling) Markus Bleyl Strategische Herausforderungen psychiatrischer Kliniken in Deutschland Jürgen Diefenbach Das neue Golden-VISA-Programm von Dubai - Was man als Immobilieninvestor wissen muss Jürgen Diefenbach Was die Immobilienwelt in Deutschland 2022 bewegt hat Andreas Ditsche Erfolgsfaktoren für Remote Work - Fallstudie Andreas Ditsche Remote Work - Gekommen um zu bleiben Edyta Ebrahimpour Gesellschaftliche Wandlung der Pferdehaltung und des Pferdekaufs Edyta Ebrahimpour Mangelfreiheit und die neue Warenkaufrichtlinie 2019/771 (2022) am Beispiel des Pferdekaufs Michael Eiber M&A-Markt in Österreich – Ein Jahr vor und nach Corona 2020 Andrea Gensel Zusammenhänge zwischen der Aufnahme von Mikronährstoffen und Depressionen - aktuelle Forschungsergebnisse Andrea Gensel Aktuelle Evidenz einer Vitamin-K2-Supplementierung bei diversen Grunderkrankungen Ibrahim Gülden E-Mobility: How far has the German Automotive Industry progressed? 9 17 27 35 43 51 59 65 71 77 85 95 4

Ibrahim Gülden Reducing Procurement Complexity Through Shifts in Car Manufacturers’ Model Policy Markus Hausmann Aktuelle Herausforderungen der Energieversorger in Deutschland Markus Hausmann Verbreitung von Robotic Process Automation innerhalb deutscher Unternehmen Thomas Hellwig Kriterienbildung nachhaltiger touristischer Entwicklung Michael Henseler Nachhaltige Unternehmensführung in der Wohnungswirtschaft. “Wir sollten unsere Mietenpolitik als Baustein überdenken Michael Henseler Strom wird zur neuen Abhängigkeit führen Claudia Hilber Die Notwenigkeit einer gesundheitserhaltenden und gesundheitsfördernden Schulpraxis Annika Jessat Blockchain als Ansatz zur Dokumentation der Supply Chain von Obst- und Gemüseartikeln Annika Jessat Nachhaltiges Verhalten im Lebensmitteleinzelhandel durch Einflüsse in den Kaufentscheidungen Steven Thomas Kiefer Verhaltensökonomische Optimierung der Preispolitik von Banken in der privaten Wohnbaufinanzierung am Beispiel vertraglicher Sondertilgungsrechte Michael Meier Ein Kategorisierungsschema zur Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen in Deutschland 105 115 121 127 137 147 159 169 175 181 189 5

Marina Metzger Bürokonzepte für Projektarbeiter in Banken Marina Metzger Kreativitätsfördernde Arbeitszeitmodelle in der Projektarbeit von Banken Getrud Maria Meuser Der ländliche Raum - gestern und heute Ute Mürwald-Bachner Mögliche Gefahren in der Kommunikation und deren Entgegenwirken in der interkulturellen Geschäftsanbahnung österreichischer Unternehmen in Indien Homeira Namvar Anwendung der Hypnose aus heutiger Sicht Heidi Antje Nerger-Klosowski Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen Sven Nieper Die Qualifikationsmatrix! Patrick Pöchlauer Die Bedeutung der Kultur im Kontext unternehmerischer Innovationsprozesse Thomas Schaefer Benzodiazepine – Revolution der Beruhigungsmittel zum Leidwesen der nationalen Sicherheit? 197 205 213 223 229 235 245 257 265 273 Thomas Schaefer Der Einfluss des Benzodiazepin-Entzugsdelirs auf die Lebensqualität Peter Schlecht Steuerliche Risiken der Betriebsaufspaltung für die Unternehmenspraxis Alexander Schlee Alternative Finanzierungsformen für junge Wachstumsunternehmen: Eine Betrachtung von Initial Coin Offerings und Bankkredite 283 289 6

Alexander Schlee Auswirkungen von Open Banking auf die Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden Christoph Albin Robert Schöpf Grundsteuerreform: Abweichungen der landeseigenen Ermittlungsmodelle zum Bundesmodell für Eigentümer von Einfamilienhäusern Muhammet Hüseyin Soysal Potenzielle Herausforderungen und Risiken im ERP-Projekt Muhammet Hüseyin Soysal Proaktive Maßnahmen gegen Mitarbeiterwiderstände im ERP-Projekt Elmar Stein Tendenzen auf dem deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt, deren Auswirkungen auf das Arbeitsangebot und Ansatzpunkte für Unternehmen und Politik Moritz Tobias Stompfe Bedeutung von Nachhaltigkeit für Kreditinstitute Dietmar Borsch Stellenbeschreibung und Aufgabenverteilungsplan – eine vergleichende Untersuchung zur Eignung als Führungsinstrument Gianna Leonore Marinotti Customer E-Loyalty Kathrin Schwarzenbacher Der „Neue Gesundheitstourismus“ Sabine Schulin Korrelation von Haustierhaltung und Einfluss auf Stress, Blutdruck und Puls! Josef Gschlecht Risikomanagement in KMU Ausbildungspartner 297 307 315 323 333 341 349 359 367 375 387 396 7

„KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ZUR ABBILDUNG DER FERTIGUNG (DIGITALER ZWILLING)“ M. Barth1 University of Library Studies and Information Technologies Bulgarien Keywords: künstliche Fertigungsoptimierung, KPIs, Big Data, Produktionsplanung. Intelligenz, Kennzahlen, Industrie 4.0, ABSTRACT Bei vielen Firmen werden täglich hunderte von Parametern erhoben und gespeichert. Diesem Schatz an Daten wird in vielen Fällen nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Durch den Einsatz von Systemen mit künstlicher Intelligenz gelingt es aus diesen Daten Erkenntnisse zu gewinnen und für die Optimierung der Fertigung zu nutzen. Erhobene Fertigungsdaten dienen dabei als Grundlage zur Generierung realistischer Kennzahlen. Die vorhandene Problematik statischer Planungsdaten wird gelöst. Die gewonnen Erkenntnisse können für eine deutlich spürbare Performanceoptimierung genutzt werden. Die vorliegende Arbeit zeigt die Möglichkeiten und Methoden die mit KI-Systemen in der Fertigung erzielt werden können. Die KI wird dabei mit den Fertigungsdaten angelernt und zur Optimierung von Fertigungskennzahlen eingesetzt. 1 Martin Barth; D-74889 Sinsheim, Leipziger Straße 10; barth_martin@web.de 9

1. Einführung Schlagworte wie Big Data, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0 sind inzwischen nicht mehr nur unklare Worthüllen sondern schon längst im Alltag angekommen. Auch im industriellen Umfeld ist der Einsatz von modernen Tools nicht mehr weg zu denken. Durch den Einsatz moderner Methoden wie künstliche Intelligenz werden vielfach die Prozesse optimiert bei denen die menschliche Betrachtungsweise an ihre Grenzen stößt. Sei es durch zu viele und zu komplexe Abhängigkeiten oder schlichtweg durch eine unzureichende Datengrundlage. Durch die massenhafte Datenaufnahme und deren Auswertung bietet sich eine große Chance die seit vielen Jahren laufenden Bestrebungen zur Kostenreduzierung nach zu kommen. (Minssen & Heiner, 2017, S. 117–135) Das Potential dieser massenhaften Daten im Shopfloor wird von den Unternehmen allmählich entdeckt. Vorreiter bei der Datennutzung sind Serienproduzenten. Die Herstellung weniger Artikel in großer Stückzahl ermöglicht es durch eine weitgehend gleichbleibende Ausgangslage eine gute Datenqualität sicherzustellen. Die tatsächlichen Produktionsdaten die als Rohdaten in die Berechnung von Kennzahlen eingehen erlauben es steuernd in die Prozesse einzugreifen. Damit wird ein Führen am Ort der Wertschöpfung mithilfe des Shopfloormanagements erreicht. Mit diesem Werkzeug werden Entscheidungen nicht durch Unternehmensleitung getroffen, sondern gemeinsam mit Mitarbeitern und unteren Führungskräften direkt am Ort der Wertschöpfung, also in der Produktionshalle. Ein Kernelement ist dafür die Visualisierung von Zielerreichungsgraden auf Basis von Kennzahlen zur Performance- Beurteilung von Verbesserungsmöglichkeiten und zur Einleitung von Optimierungsmaßnahmen. (Ankele, Staiger, Thomas & Koch, 2008) gemeinsamen Erörterung der Produktionsteams, zur Shopfloorkennzahlen werden aus unterschiedlichen Rohdaten berechnet. Bei den meisten fliesen neben den Produktionsdaten, aus dem eingesetzten MES-System, auch Daten aus anderen, nicht der Produktion zugeordneten, Software-Tools ein. Die Produktionsdaten, die im Fokus der Betrachtung des Shopfloormanagements stehen, bilden stets die aktuelle Situation ab. Darauf konzentriert sich die Fertigung und diese Daten stehen in ihrem direkten Einflussbereich. Die administrativen Daten wie Rüstzeiten, Zykluszeiten, Mitarbeiterbedarf und Reparaturkosten weichen häufig weit von der Realität ab. Die Gründe für die Ungenauigkeit sind unterschiedlich. Zum einen erlauben es viele Softwaresysteme nicht mehrere solcher Vorgabedaten zu führen. Im ERP-System gibt es nun einmal nur ein Feld für die geplante Zykluszeit in den Artikelstammdaten. Zum anderen wäre es ein immenser Aufwand alle vorkommenden Kombinationen manuell zu erfassen. Die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz optimierten Kennzahlen geben ein deutlich realistischeres Bild der Fertigung ab. Dies wird erreicht durch die Entwicklung eines Modells der künstlichen realistischen Einschätzung von Parameterwerten, die Einfluss auf die Bildung einer Kennzahl haben. Durch die, mithilfe von künstlicher Intelligenz, optimierten Kennzahlen wird es ermöglicht Kennzahlen zur Performance realistischer zu gestalten um auf Basis belastbarer Erkenntnisse Performancesteigerungen initiieren zu können. Intelligenz zur 10

Die Anwendungen von Kennzahlen aus finanzieller Sicht ziehen sich durch den kompletten Betriebsablauf. Mit Kennzahlen wird berechnet ob sich die Anschaffung einer neuen Fertigungsmaschine lohnt aber auch als Grundlage zur Ermittlung der Angebotskosten für einen angefragten Artikel. (Horváth & Partner, 2000) Kennzahlen haben durch ihre Vereinfachungen immer eine gewisse Unschärfe. Je detaillierter die Grunddaten, desto geringer ist die Unschärfe. Geschickt gewählt haben Kennzahlen unterschiedliche Funktionen die über den Nutzen zur Messung der Zielerreichung hinausgehen. Mit ihnen können Fertigungsprozesse analysiert und gezielt nach Verbesserungspotential gesucht werden. Im Vergleich zu bekannten Situationen werden Maschinenprobleme sichtbar und nötige Reparaturen erkennbar. In Kombination mit statistischen Auswertungen lassen sich auch Prognosen erstellen. Durch die Verbesserung der Qualität von Rohdaten mithilfe von künstlicher Intelligenz bilden die berechneten Kennzahlen deutlich realitätsnaher die Fertigung ab. Der Einsatz der Künstlichen Intelligenz erfolgt anhand von Modellen. Ein einmal erstelltes Modell kann dauerhaft für ein sich nicht ändernder Produktionsprozess verwendet werden. Daher ist der Einsatz auch für nicht Experten problemlos möglich. Es gibt, je nach Anwendungsfall, unterschiedlich ausgeprägte Optimierungsmodelle für den Einsatz der künstlichen Intelligenz. Jedes Optimierungsmodell hat seine Vor- und Nachteile. Die Vielfalt der Modelle zeigt für welche breiten Einsatzzwecke künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann. Für den Einsatz mit Fertigungsdaten wird das Optimierungsmodell Granulare Neuronale Netze eingesetzt. Dieses Modell ist dafür ausgelegt ungenaue und unvollständige Daten zu verarbeiten. Dies wird erreicht durch die Verwendung unscharfer Logik innerhalb einer Netzstruktur. Die Aufgabe des Optimierungsmodells besteht darin die zur Berechnung von Kennzahlen verwendeten Rohdaten zu analysieren. Detailliert ist dabei das Augenmerk auf die Relevanz von Vorgabedaten gerichtet. Das Optimierungsmodell muss alle Rahmenbedingungen mit einbeziehen. Dabei spielt es keine Rolle ob die Daten von aktuell vorhandenen Systemen bereits erfasst werden oder ob darüber hinaus noch nach fehlenden Daten gesucht werden muss. 2. Methode Zu Beginn ist am aller wichtigsten genau klar zu stellen, welches Problem ganz konkret mithilfe des Einsatzes von KI gelöst werden soll. Zunächst empfiehlt es sich mit einem kleineren, genau abgegrenzten Anwendungsfall zu beginnen. Es ist am einfachsten nicht sofort mit einem allumfassenden Projekt zu starten, sondern es ist deutlich einfacher im Kleinen ein KI-Modell zu etablieren und dieses dann zu erweitern. Als weiterer wichtiger Punkt wird bereits im Voraus das geplante Ziel festgelegt. Also welche Prognose soll erstellt werden oder welche Entscheidungsgrundlage soll untermauert werden. (Peters, Remco, 2017) Um die Genauigkeit einer Kennzahl zu ermitteln muss diese im Detail genau analysiert werden. Dies geschieht indem die Kennzahl in ihre Berechnungsgrundlagen zerlegt wird. Diese Grundlagen beruhen ihrerseits wiederum auf Rohdaten. Eine 11

detaillierte Betrachtung der Herkunft dieser Rohdaten lässt erste Schlüsse über die Qualität der gesamten Kennzahl zu. Im nächsten Schritt werden die Rohdaten in der typischen Schwankungsbreite verändert. Daraus ergibt sich das Maß der Ungenauigkeit. Dieser manuelle Prozess ist extrem Zeitaufwändig. Am Ende existiert dann noch das Problem: wohin mit den gewonnenen Erkenntnissen. Es gibt in den verwendeten Systemen nicht die Möglichkeit zur Eingabe von abhängigen Rohdaten. Der Einsatz der künstlichen Intelligenz ermöglicht beides, eine Aussage über die verbesserte Genauigkeit und auch eine automatische Ablage der gewonnenen Erkenntnisse. Damit lässt sich das Modell jederzeit sofort und auf Basis der aktuellsten Erkenntnisse, wieder einsetzten. (Hessler, Görtz, 2008) Der wichtigste Schritt ist die Beschaffung der Grundlagedaten. Hierbei ist das Entscheidende die richtigen Daten zu sammeln. Die Qualität der späteren Ergebnisse hängt in erheblichem Maße an der Qualität der verwendeten Rohdaten. Der Einsatz von KI kann keine Wunder vollbringen und aus ungenauen oder falschen Grundlagedaten top Ergebnisse liefern. Für die Datenbeschaffung ist in den meisten Fällen der größte zeitliche Aufwand nötig. Die erste Frage ist es welche Daten überhaupt zur Verfügung stehen. Oft können Daten aus unterschiedlichen Quellen verwendet werden. Um einen Überblick zu bekommen hilft es Einflussfaktoren zu definieren und die Datenherkunft genau danach einzuordnen. Für den Einsatz der KI ist es unerheblich wie viele Ausgangsquellen am Ende zur Lösung beigetragen haben. Wichtig ist auch hier wieder das für die jeweilige Quelle die Datenqualität sichergestellt ist. In der Praxis ist es nicht immer einfach die Zuverlässigkeit der Daten von allen Systeme zu überblicken. Oft trauen die Anwender den Systemen blind und hinterfragen die Werte nicht, vor allem wenn Systeme von externen Eingeführt wurden und kein Ansprechpartner im Haus vorhanden ist. Die Daten müssen für die KI-Anwendung so aufbereitet werden das sie von der KI leicht zu verwenden und auszuwerten sind. Auch hier ist wieder empfehlenswert zu Beginn mit nur wenigen Parametern zu arbeiten und bei Erfolg Modellerweiterungen vorzunehmen anstatt zu Beginn mit zu vielen Parametern zu arbeiten und bei Problemen nur schwierig die Gründe eingrenzen zu können. Für die Untersuchung konnten Fertigungsdaten von mehreren Unternehmen aus der Serienfertigung verwendet werden. Die zur Verfügung gestellten Daten sind die unverfälschten Rohdaten der Betriebe. Bei der Erstellung eines KI-Modells geht es darum in einem Prozess die aufbereiteten Daten in die KI zu übergeben, die Ergebnisse zu beurteilen und, abhängig vom Ergebnis, die Daten zu überarbeiten und erneut zu starten. Dieser Trainingsprozess kann sich mehrfach wiederholen und es zeigen sich auch schnell wenn eingesetzte Rohdaten qualitativ nicht ausreichen. Zunächst sollten nicht alle Rohdaten mit einbezogen werden. Wird ungefähr ein Fünftel bis ein Viertel der Daten zurück gehalten kann dieser zur Validierung genutzt werden. Sind von Anfang an alle Daten im Modell muss den Ergebnissen ohne Prüfung vertraut werden. Die KI erkennt in den Inputdaten Muster und Abhängigkeiten. Einmal ins Modell gebracht sind die Daten quasi verbraucht. Denn einmal fürs Training eingegebene Daten können nicht mehr verwendet werden um die Qualität des Outputs, anhand einer Validierung, zu überprüfen. Validierung bedeutet "Prüfung der Daten auf Einhaltung bestimmter zuvor aufgestellter Validierungsregeln". (Luber & Litzel, 2019) 12

Es wird geprüft wie erfolgreich das Training für die Performance der KI war. So lässt sich einordnen wie zutreffend das KI-Modell für den produktiven Einsatz sein wird. Innerhalb der Validierung werden die Ergebnisse genau untersucht und mit der Realität abgeglichen. Sinnvoll ist es die Beurteilungsregeln genau fest zu legen. So bleibt kaum interpretationsspielraum bei der Einordnung der Ergebnisse. Durchgeführt wird die Validierung durch die Verwendung der bisher zurückgehaltenen Daten. Diese werden in die trainierte KI eingegeben. Die Ergebnisse bzw. die Aussagen aufgrund der, bisher für die KI unbekannten, Daten lassen sich nun mit den tatsächlich eingetretenen Zahlen vergleichen. Zeigt der Vergleich eine unerwartet große Abweichung muss der komplette Prozess von Anfang an neu begonnen werden, natürlich mit geänderten Bedingungen, z.B. qualitativ bessere Rohdaten. Ergibt die Validierung bei der Betrachtung der zuvor aufgestellten Regeln ein erfolgreiches Ergebnis, also die Prognosen stimmen, kann man davon ausgehen das der Einsatz in der Realität erfolgreich verlaufen wird. Dem produktiven Einsatz des KI-Modells steht nun nichts mehr im Weg. Das trainierte Modell kann ohne weitere Kontrolle für das trainierte Scenario eingesetzt werden. Die KI bietet aber auch die Möglichkeit das Modell zu erweitern oder weiter zu verbessern. Dazu muss lediglich, sobald neue Daten zur Verfügung stehen, die vorigen Schritte wiederholt werden. Um auf geänderte Randbedingungen oder neuen Erkenntnisse reagieren zu können, empfiehlt es sich in regelmäßigen Abständen vorzugehen. So wird das Modell immer weiter optimiert, aktuell gehalten und damit genauer. 3. Ergebnis Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz lassen sich die Entscheidungsgrundlagen in der Fertigung deutlich verbessern. Das Potenzial für Anwendungsszenarien ist riesig. Da jedes Unternehmen eigene Prozesse, Planungen und Entscheidungswege nutzt, kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht vordefiniert installiert werden, sondern muss individuell erfolgen. Entscheidendes Kriterium für den erfolgreichen Einsatz ist die Qualität der Ausgabedaten. Ein „schlampiges“ Datenmanagement sorgt auch für eine geringe Anwendbarkeitswahrscheinlichkeit. Damit bleibt das Grundproblem eines jeden Kennzahlensystems bestehen. Die Mitarbeiter haben die Daten gewissenhaft und mit größtmöglicher Genauigkeit zu erfassen. Größter Kritikpunkt am gesellschaftlichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist die ethische Diskussion darüber, ob Entscheidungen von Maschinen „erlaubt“ werden dürfen. Für den Einsatz zur Verbesserung von Kennzahlen im Produktionsumfeld ist dieser Kritikpunkt nicht relevant, da der Einsatz lediglich die Ausgabedaten verbessert und keine Schalter betätigt. Für das Unternehmen bleibt die Frage nach dem Aufwand für Implementierung und Betrieb. Ein mit Hilfe von künstlicher Intelligenz generiertes Modell kann immer verwendet werden, solange sich der Prozess nicht ändert. Da der Zweck der Anwendung genau solche Änderungen und Optimierungen sind, muss auch das Modell ständig angepasst werden. Viele Unternehmen scheuen die dafür notwendigen Personalkosten sowie die oft ausgelagerten Supportkosten. Künstliche Intelligenz im Fertigungsumfeld zu optimieren. Sie bietet ein hohes Potenzial zur Steigerung der lässt sich sehr gut einsetzen, um Kennzahlen 13

Produktivität produzierender Unternehmen. Es konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz der KI Verbesserungen in der Produktionsplanung von bis zu 20 Prozent möglich sind. Sinnvoll in bestehende Kennzahlensysteme integriert, kann der Einsatz mit vernachlässigbarem Personalaufwand durchgeführt werden. 4. Literaturverzeichnis Ankele, A.; Staiger, T. J.; Koch, T. (2008). Chefsache Produktionssystem. Stuttgart: LOG_X. Hessler, G. (2008). Basiswissen ERP-Systeme: Auswahl, Einführung & Einsatz betriebswirtschaftlicher Standardsoftware. Horváth & Partner. (2000). Früherkennung in der Unternehmenssteuerung, Stuttgart: Schäffer- Poeschel Verlag. Seite 568f. Luber, Litzel. 12.09.2022. (2019). https://www.bigdata-insider.de/was-ist-validierung-a-884683/ Zugegriffen: Minssen, Heiner. (2017). Industrie 4.0: ein Strukturbruch?, in: Hoose, Fabian; Beckmann, Fabian; Schönauer, Anna-Lena: Fortsetzung folgt: Kontinuität und Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer VS., S. 117–135. Peters, R. (2017). Shopfloor-Management: Führen am Ort der Wertschöpfung, Stuttgart: LOG-X. 14

„STRATEGISCHE HERAUSFORDERUNGEN PSYCHIATRISCHER KLINIKEN IN DEUTSCHLAND“ M. Bleyl1 University of Library Studies and Information Technologie Keywords: Psychiatrie, Strategie, Management, Demographie, Fachkräftemangel, Kostendruck, Digitalisierung ABSTRACT resultieren jene Herausforderungen Die psychiatrischen Krankenhäuser in Deutschland stehen vor mannigfaltigen Herausforderungen. Neben geänderten gesetzlichen Anforderungen aus gesamtgesellschaftlichen Anforderungen und Einflüssen sowie aus volkswirtschaftlichen Trends. Die Bewältigung dieser strategischen Herausforderungen bedingt eine gemeinsame Betrachtung der verschiedenen Aspekte, sodass etwaige Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen einzelnen Herausforderungen und Lösungsansätzen in einer gemeinsamen Unternehmens- und Krankenhausstrategie Berücksichtigung finden können. 1 Marcus Bleyl, Reitkamp 56, 45699 Herten, www.marcus.bleyl@t-online.de 17

1. Einführung aktueller gesellschaftlicher mikro- ist es als eines der Das deutsche Gesundheitswesen gilt als eines der leistungsfähigsten Gesundheitswesen der Welt. Gleichzeitig teuersten Gesundheitswesen bekannt. Bereits dieser Umstand erfordert von Krankenhäuser in Deutschland mehr und mehr Veränderungen. Grund dafür ist, dass vor dem Hintergrund und makroökonomischer Herausforderungen etwaige Kostenpotenziale zu heben sind. In der Breite der Gesellschaft wird dabei zunächst intuitiv auf somatischen Krankenhäuser abgestellt. Neben den somatischen Krankenhäusern bilden jedoch auch die psychiatrischen Krankenhäuser und Fachabteilungen eine zunehmend bedeutendere Säule der Gesundheitsversorgung in Deutschland ab. In der Folge rücken auch diese Krankenhäuser mehr und mehr in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Neben einem generellen ökonomischen Veränderungsdruck im Gesundheitswesen, resultieren die Herausforderungen für psychiatrische Krankenhäuser aus gesellschaftlichen Trends und geänderten politischen Rahmensetzungen. Zugleich befindet sich die stationäre psychiatrische Gesundheitsversorgung in einem andauernden Reformierungsprozess, indem sowohl das Vergütungssystem als auch das Finanzierungssystem wesentlichen Veränderungen unterworfen wurde und durch verbindliche Qualitätssicherungsrichtlinien ergänzt wurden. Die Klinikverantwortlichen psychiatrischer Krankenhäuser sehen sich angesichts des geänderten Wirkungsrahmen sowie der derzeitigen gesamtgesellschaftlichen Bedingungen großen strategischen Herausforderungen ausgesetzt. Es ist Aufgabe der Klinikmanager diesen Herausforderungen zu begegnen. Dafür ist es zunächst notwendig die einzelnen Herausforderungen zu identifizieren, zu analysieren, Abhängigkeiten, Überschneidungen und Zusammenhänge zu erkennen und diese anschließend in einer adäquaten Unternehmensstrategie zu berücksichtigen, um dauerhaft erfolgreich am Markt agieren zu können. 2. Methode Zur Betrachtung der Herausforderung psychiatrischer Fachkliniken wird auf die gültige Gesetzgebung sowie maßgeblichen Branchen- und Gesellschaftstrends abgestellt. Darüber hinaus sind die Äußerungen der Fachverbände sowie Interessenvertretungen von besonderer Relevanz. Gleichwohl erfordert die Betrachtung von strategischen Herausforderungen eine Projektion der Zukunft. In gewisser Weise sind Prognosen und hypothetische Annahmen dem Thema daher inhärent und methodisch zwingend erforderlich. Teilweise können solche Annahmen zwar durch statistische Modellierungsprozesse oder durchgeführte Studien unterlegt und argumentiert werden, dennoch verbleibt eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeit beziehungsweise Wirkungstiefe. Eine branchenweite Identifizierung und erfolgreiche Begegnung der Herausforderungen kann sogar dazu führen, dass entsprechende strategische Einflüsse ex-post als weniger relevant beurteilt werden als in der Projektion. Gleichwohl soll diese Arbeit dazu beitragen, dass die maßgeblichen strategischen Einflüsse identifiziert werden. Auf Basis dieser Identifizierung werden mögliche Strategieansätze beziehungsweise Strategiefindungsansätze diskutiert. Dabei kann aufgrund der vielen individuellen 18

Marktpositionierungen und lokalen wie regionalen Einflüsse nicht von einer allgemeingültigen Strategie ausgegangen werden, dennoch sollen entsprechende Impulse für einen geeigneten Strategiefindungsprozess entwickelt werden. 3. Ergebnis / Erkenntnis Bedeutenden Einfluss auf die strategische Ausrichtung eines psychiatrischen Krankenhauses beziehungsweise auf die zukünftige Marktpositionierung hat insbesondere die langfristige Angebotsgestaltung. Diese ist wiederum maßgeblich von der zukünftigen Nachfrage abhängig. Dabei erfordern sowohl qualitative als auch quantitative Nachfragedeterminanten eine entsprechende Berücksichtigung. Grundlage für eine umfangreiche Betrachtung ist die individuelle, aber auch die branchenweite Ausgangslage. Diese stellt sich derzeit besonders komplex dar. Die Anzahl der psychiatrischen Erkrankungen in Deutschland nimmt seit Jahren zu. Zwischen 1997 und 2021 stieg die Zahl der Arbeitsunfähigkeiten um den Faktor 4,4 (Statista, 2023). Der grundsätzliche Bedarf an psychiatrischen Behandlungen nimmt demnach seit Jahren zu. Die Begleitforschung des stationären Krankenhaus- Entgeltssystems in der Psychiatrie und Psychosomatik bestätigt das und zeigt, dass auch die Nachfrage nach stationären, psychiatrischen Krankenhausbehandlungen seit 2011 deutlich gestiegen ist. Für die Zukunft wird darüber hinaus von einem weiter steigenden Bedarf ausgegangen (Hamburg Center for Health Economic, 2020, S. 95- 105). Bei der Bewältigung dieser steigenden Nachfrage sehen sich Krankenhäuser aufgrund der Einflüsse der Corona-Pandemie einer kurzfristig akut geänderten Ausgangslage ausgesetzt. Während der Pandemie wurden bundesweit zeitweise deutlich weniger Patienten behandelt (Vgl. Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, an Depressionserkrankungen und Angststörungen leiden hat in Folge der Pandemie und parallel dazu jedoch abermals zugenommen (Kaufmännische Krankenkasse, 2021). Aufgrund der zeitweisen Kapazitätseinschränkungen, bei gleichzeitig erhöhten Nachfrageaufkommen, schwereren beziehungsweise manifestierten Schweregrad von Erkrankungen zu rechnen (Grobholz, 2022). Darauf gilt es sich als Krankenhaus, zumindest für die nähere und mittelfristige Zukunft, entsprechend einzustellen. der Menschen, Die Anzahl insgesamt mit 2019-2022). die ist einem zusätzlich Als weitere wesentliche Einflussgröße auf die qualitative Nachfrage kann darüber hinaus die demographische Bevölkerungsentwicklung identifiziert werden. Die psychiatrischen Fachverbände prognostizieren, dass entsprechend des steigenden Durchschnittsalters in Deutschland die Erkrankungen des höheren Lebensalters mittel- und langfristig einen Schwerpunkt der Versorgung bilden (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervernheilkunde, 2023). Ein Großteil dieser Patientenklientel benötigt neben der Behandlung der psychiatrischen (Haupt-) Erkrankung somatischen Sekundärdiagnosen (Holthoff, o.J.). Insbesondere der personelle Pflegeaufwand sowie konsiliarische Abklärungsuntersuchungen binden die vorhandenen Ressourcen der psychiatrischen Kliniken stärker als beim derzeitigen Klientel. An dieser Stelle zeigt sich bereits konkret die Möglichkeit beziehungsweise die strategische Notwendigkeit zum Eingehen strategischer Kooperationen und Partnerschaften mit somatischen Krankenhäuser, die entsprechende Untersuchungen verlässlich und zeitnah für die eigene Klientel anbieten und durchführen können, erwähnt. (Mit-) Behandlung auch eine von 19

Den gegenüberliegenden Pol der Demographieentwicklung in Deutschland bilden die Generationen der sogenannten „Digitale-Natives“. Patienten die diesen Alterskohorten zuzuordnen sind, haben gänzlich andere Bedürfnisse als Patienten der Gerontopsychiatrie. Sie fordern ergänzend zu stationären Behandlungsformen digitale Behandlungsangebote. Wie stark diese Behandlungsformen komplementär oder substitutiv gefordert werden, entscheidet maßgeblich darüber mit, welche Angebots- und Krankenhausstruktur vorgehalten werden muss, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Zudem weisen Patienten dieser Generationen völlig neuartige Erkrankungsbilder, wie beispielsweise Internet- und Verhaltensstörungen, auf (te Wildt, Dieris-Hirche, Bottel, 2018). Daneben wird nach Meinung vieler Kinder- und Jugendpsychiater die anstehende Legalisierung von Cannabis in Deutschland einen Anstieg psychiatrischer Abhängigkeitserkrankungen sowie Psychosen und bipolare Störungen nach sich ziehen. Diese Erkrankungen werden potenziell die Nachfrage und das Angebot entsprechend qualitativ und quantitativ beeinflussen und einen zukünftigen Behandlungsschwerpunkt bilden (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, 2021). Starken Einfluss auf die Nachfrage beziehungsweise auf die strategische Angebotsplanung nimmt darüber hinaus die ordnungspolitische Rahmensetzung. Politisch wird derzeit eine deutlich stärkere Ambulantisierung von Behandlungen beziehungsweise des Behandlungsangebots gefordert (Hollmig, 2022). Es ist davon auszugehen, dass sich diese Forderungen auch nachhaltig in der Gesetzgebung widerspiegeln und dass zur Untermauerung des politischen Willens entsprechend Ressourcen vom stationären in den ambulanten Sektor transferiert werden. Als deutliches psychiatrischen Krankenhaussektor kann beispielsweise auf die Modellvorhaben gemäß § 64b SGB V verwiesen werden. Entsprechende Regelungen fordern von den Krankenhäusern Modellvorhaben zur Erprobung von sektorenübergreifenden Behandlungen zu vereinbaren (Deutscher Bundestag, 2012, S. 49 f.). Bei der strategischen Angebotsausrichtung relevant die politischen und gesellschaftlichen Zielrichtungen zu berücksichtigen. entsprechende Entwicklungen ist es entsprechend Indiz für im Von herausragender strategischer Bedeutung ist neben der Angebotsgestaltung die Thematik des Fachkräftemangels. Neben den grundsätzlichen gesellschaftlichen und versorgungspolitischen Auswirkungen des allgegenwärtigen Fachkräftemangels zeigt sich ebenfalls konkreter Handlungsbedarf in den psychiatrischen Einrichtungen. Grund dafür ist, dass die Beschäftigung von ausreichend Fachpersonal in den vergangenen Jahren immens an Bedeutung gewonnen hat. In einer ersten Evolutionsstufe der psychiatrischen Krankenhausreform wurde eine Nachweispflicht der finanzierten Personalstellen eingeführt. Sofern Krankenhäuser dieser Nachweispflicht nicht nachkommen, haben sie entsprechende Budgetbestandteile zurückzuzahlen (§18 BPflV). Im Jahr 2019 wurden zudem erstmals verbindliche Mindestpersonalvorgaben für die psychiatrischen Einrichtungen bestimmt. Die Ausgestaltung der Richtlinie über die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal gemäß § 136a Absatz 2 Satz 1 SGB V (PPP-RL) sieht vor, dass in Abhängigkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens ausreichend tatsächliche Arbeitszeiten nachgewiesen werden. Sofern es den Krankenhäusern nicht gelingt, die entsprechenden Nachweise zu erbringen, sind sie nicht berechtigt Patienten zu behandeln (§1 PPP-RL). Die 20

Krankenhäuser verlieren entsprechend ebenfalls ihre Abrechnungsgrundlage und damit ihre wirtschaftliche Grundlage. Für den Fall, dass Krankenhäuser für die Behandlung nicht ausreichend Personal vorhalten, haben sie darüber hinaus Sanktionszahlungen zu leisten (§ 13 PPP-RL). Obwohl die Sanktionszahlungen derzeit noch ausgesetzt sind, ist bereits erkennbar, dass zukünftig die eigene Existenzfrage eng mit der Frage von ausreichenden und wirtschaftlichen Stellenbesetzungen verbunden bleibt. Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang abermals der demographische Wandel. Um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten wird bis zum Jahr 2030 beispielsweise mit zusätzlichen 500.000 Pflegekräfte gerechnet (Vogler, 2021). In psychiatrischen Kliniken können dabei bereits heute häufig zu wenig Personalressourcen nachgewiesen werden (Pfeiffer, 2023). Zukünftig wird es daher von Bedeutung sein, sich als attraktiver Arbeitgeber zu etablieren, um ausreichend Personalressourcen zu gewinnen beziehungsweise zu binden. Aufgabe des Krankenhausmanagements wird es dabei sein, dies auch mit nicht-monetären Anreizen umzusetzen, sodass die Krankenhausversorgung weiterhin wirtschaftlich betrieben werden kann. Dabei ist es von strategischer Bedeutung unter den Einflüssen von Fachkräftemangel, Demographieentwicklung und eines dynamisierten Arbeitsmarktes Prozesse zu etablieren, die einen generationsübergreifenden und stetigen Wissenstransfer ermöglichen. fachlich medizinische aber auch um organisatorische Aspekte. Dazu scheint insbesondere eine entsprechende Organisationsentwicklung von großer Bedeutung. Inhaltlich geht es dabei um 2023). Dafür hat (Bundesgesundheitsministerium, Mit der Frage der Organisationsentwicklung sind auch die Herausforderungen der Digitalisierung verbunden. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird vor allem politisch als Chance für das Gesundheitswesen und die Krankenhäuser betrachtet und vorangetrieben die Bundesregierung eine entsprechende Digitalisierungsstrategie entwickelt, die jedoch letztlich von den Leistungserbringern umzusetzen ist. Eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey unter den wichtigsten deutschen Krankenhäusern zeigt derweil, dass fast 60% der Krankenhäuser im Jahr 2018 keine konkrete Digitalisierungsstrategie verfolgen und sich über 80% der Krankenhäuser selbst als unzureichend vorbereitet sehen (McKinsey, 2018). Mit einer Vielzahl von Gesetzen hat die Bundesregierung die Digitalisierung zwar ordnungspolitisch verankert, Anreize gesetzt und Fördermittel zur Verfügung gestellt, dennoch stockt die Digitalisierung weiterhin deutlich. In einer internationalen Studie der Bertelsmann Stiftung belegt Deutschland im internationalen Vergleich den vorletzten Platz (Bertelsmann-Stifung, o.J.). Eine weitere Studie des Frauenhofer-Instituts aus dem Jahr 2022 bestätigt diesen Eindruck (Bratan, Schneider, Heyen, Pullmann, Friedewald, Kuhlmann, Brkic, Hüsing, 2022). Die konkrete Umsetzung der Digitalisierung in den Krankenhäusern ist allerdings abermals von der Fähigkeit abhängig, entsprechend qualifiziertes Personal zur Etablierung von digitalen Prozessen zu beschäftigen sowie entsprechende Change-Prozesse in den Kliniken erfolgreich umzusetzen. Die konkrete strategische Herausforderung der erfolgreichen Digitalisierung besteht also nicht nur in der Umsetzung von Digitalisierungsprozessen, sondern auch darin, die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiter grundsätzlich veränderungsbereit aufzustellen. Es ist absehbar, dass die Bewältigung der vorgenannten strategischen Herausforderungen Investitionen in Personal, Prozesse und Infrastruktur verlangen. 21

(Deutsche Krankenhausgesellschaft, 2022), Gleichzeitig stellt ein enormer Kostendruck in den Krankenhäusern eine wesentliche strategische Hürde dar. Erkennbar ist das beispielsweise an den politischen Digitalisierungs- und Ambulantisierungsbestrebungen, die insbesondere auch mit der Absicht initiiert wurden Kostenpotenziale zu heben. Das deutsche Gesundheitswesen ist als duales System aufgebaut, indem investive Kosten durch die Bundesländer zu finanzieren sind und die Betriebskosten von den Krankenkassen zu zahlen sind (§4 KHG) Die Bundesländer kommen ihren Investitionen jedoch seit Jahrzehnten nicht nach sodass Krankenhäuser entsprechende Investitionsmittel aus den Betriebskosten querfinanzieren mussten. Diese Querfinanzierung ist für die psychiatrischen Kliniken in Deutschland jedoch künftig kaum mehr vorstellbar. Gründe dafür sind zum einen der Nachweis einer vollständigen Stellenbesetzung und zum anderen ein, im Jahr 2019 eingeführter, sogenannter (§4 BPflV). Die Betriebskosten psychiatrischer Kliniken bestehen zum überwiegenden Teil aus Personalkosten und sind zweckgebunden. Gleichzeitig werden die vereinbarten Budgets einem Betriebsvergleich unterzogen, der zu einer Angleichung der Budgethöhen führen soll (Woratschka, 2022). Krankenhäuser mit einer traditionell hohen Finanzierung werden voraussichtlich Budgetverluste hinnehmen müssen, die sie in ihrem wirtschaftlichen Wirkungsrahmen weiter einschränken. Insofern ist es absehbar, dass mittelfristig branchenweit eine angespannte Finanzlage die übrigen Herausforderungen begleiten wird. leistungsorientierter Krankenhausvergleich sind. nachfrage- vorzubereiten Zusammenfassend kann gesehen werden, dass die Herausforderungen und Die psychiatrischer Kliniken multidimensional angebotsstrategische Herausforderung besteht darin, sich in der derzeitigen versorgungstechnischen Ausnahmesituation auf die wandelnde und diversifizierte Nachfragestruktur vorhandene Ambulantisierungspotenziale zu identifizieren und zu heben. Gleichzeitig sind die für das künftige Angebot notwendigen personellen Ressourcen zu prognostizieren, zu beschaffen und möglichst dauerhaft an das eigene Krankenhaus zu binden. Dabei ist nicht nur auf das pflegerische und das therapeutische Personal abzustellen, sondern auch auf Fachkräfte, die die vielfach anstehenden prozessualen und digitalen Veränderungsprozesse erfolgreich umsetzen stehen den Krankenhäusern voraussichtlich insgesamt weniger und weniger frei zu verwendende Mittel zur Verfügung. Es ist daher von enormer Bedeutung die vorhandenen Mittel und Ressourcen so effizient und effektiv einzusetzen, dass den Kliniken Freiräume erhalten bleiben, um weiterhin erfolgreich am Markt agieren können. können. Dazu parallel dazu und Ansätze für eine in in kann liegen beispielsweise erfolgreiche Ressourcenallokation den Überschneidungen und Potenzialen der Herausforderungen. Eine Antwort auf die Fachkräfteknappheit von Ambulantisierungspotenzialen liegen, da sich die Mindestpersonalvorgaben nur auf die stationäre Versorgung beziehen. Dennoch muss die Frage des Fachkräftemangels prioritär behandelt werden, um in der Strategieetablierungs- und Umsetzungsphase keine finanziellen Sanktionen zu erleiden, die Investitionen in die Digitalisierung und Infrastrukturanpassungsmaßnahmen die Digitalisierungspotenziale sind geeignet angebotsstrategische Entwicklungen zu unterstützen, um zu einem wirtschaftlichen Betrieb beizutragen. Eine auf Effizienz und Effektivität ausgerichtete Digitalisierung ist zudem geeignet Kostenpotenziale zu heben und gleichzeitig die Arbeitgeberattraktivität zu steigern, indem beispielsweise Insbesondere verhindern. Hebung der 22

bürokratische Prozesse und Dokumentationspflichten durch den Einsatz von Technologie ersetzt, erleichtert oder unterstützt werden. Darüber hinaus wird die Digitalisierung von Prozessen, beispielsweise eine ambulante Videobehandlung dazu beitragen, dass Arbeitnehmermärkte erschlossen werden können, die bisher nicht erschließbar waren. Konkret können beispielsweise örtlich weiter entfernte Arbeitnehmer eingesetzt werden oder ehemalige, im Ruhestand befindliche, Kollegen stundenweise die ihnen bekannten Patienten von zuhause weiterbehandeln. Aufgabe der Klinikverantwortlichen ist es, die für ihre Klinik maßgeblichen Herausforderungen aber auch Chancen so aufeinander abzustimmen, dass eine klare, effiziente und effektive Unternehmensstrategie für ihr Krankenhaus formuliert wird. Dabei ist sich an einem definierten Zielbild zu orientieren, auf das die eigenen Prozesse konsequent ausgerichtet werden. Grundlage eines entsprechenden Vorgehens ist eine umfassende Unternehmens-, Umfeld- und Marktanalyse. Zur Durchführung solcher Analysen kann auf eigene Ressourcen oder externe Unterstützung zurückgegriffen werden. Wichtig ist dabei in erster Linie die notwendige Transparenz als Ausgangslage eines Strategiefindungsprozesses herzustellen. Für eine erfolgreiche Umsetzung einer definierten Strategie ist es zudem unerlässlich, dass sowohl pflegerische als auch kaufmännische als auch ärztliche Expertisen einfließen. Die Unternehmens- und Krankenhausstrategie muss gemeinsam getragen und umgesetzt werden. Als abschließende Herausforderungen muss also auch das innerbetriebliche Management von Interessen, Vorlieben und Ideen betrachtet werden. Es werden voraussichtlich nur die Kliniken und Verantwortliche erfolgreich sein, denen es gelingt, neben allen objektiven auch die subjektiven und nicht-rationalen Unternehmenseinflüsse zu berücksichtigten und entsprechend zu moderieren. Literaturverzeichnis 4. Bertelsmann-Stiftung. (o.J.). Stand der Digital-Health-Entwicklung in 17 untersuchten Ländern. Verfügbar https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale- patient/projektthemen/smarthealthsystems/stand-der-digital-health-entwicklung, [2023-03-04]. Bratan, T., Schneider, D., Heyen, N., Pullmann, L., Friedewald, M., Kuhlmann, D., Brkic, N., Hüsing, B. (2022). Studie zum deutschen Innovationssystem | Nr. 12-2022. E-Health in Deutschland. Entwicklungsperspektiven und internationaler Vergleich. Verfügbar unter: https://www.e-fi.de/fileadmin/Assets/Studien/2022/StuDIS_12_2022.pdf, [2023-03-04]. unter: Bundesgesundheitsministerium. (2023). Digitalisierung im Gesundheitswesen. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/digitalisierung/digitalisierung-im- gesundheitswesen.html, [2023-03-04]. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jungendpsychiatrie (2021). Gesundheitliche Risiken einer unter: Jugendliche. Verfügbar für Cannabislegalisierung https://www.dgkjp.de/cannabislegalisierung/, [2023-03-04]. Kinder und Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. (2023). Gerontopsychiatrie. Verfügbar unter: https://www.dgppn.de/die- dgppn/referate/gerontopsychiatrie.html, [2023-01-02]. Deutscher Bundestag. (2012). Drucksache 17/8986. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz). Verfügbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/17/089/1708986.pdf, [2023-04-12]. Deutsche Krankenhausgesellschaft. (2022). Investitionsfinanzierung durch Länder bleibt ein Trauerspiel. Verfügbar unter: https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/investitionsfinanzierung- durch-die-laender-bleibt-ein-trauerspiel/, [2023-04-12]. 23

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„DAS NEUE GOLDEN-VISA-PROGRAMM VON DUBAI – WAS MAN ALS IMMOBILIENINVESTOR WISSEN MUSS“ J. Diefenbach1 Bayerische Bau und Sanierung GmbH & Co. KG Deutschland Keywords: Auswandern, Bevölkerungsentwicklung, Dubai, Expatriates, Expats, Golden Visa, Immigration, Immobilien, Investor, Vereinigte Arabische Emirate, Visa-Programm, Visum, Zuwanderung. ABSTRACT Die Wüstenmetropole Dubai ist seit Jahren ein Magnet für Expats. Mit dem Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie 2020 kam es nach einem kurzen Abflachen der Zuwanderungsströme wieder zeitnah zu der üblichen Immigration von Ausländern. Mit der strikten Coronapolitik konnte das Emirat die Vorzüge des Lebens und Arbeitens in Dubai selbst in Zeiten einer weltweiten Krise unter Beweis stellen. Nun sollen ab dem Stichtag 03. Oktober 2022 mit einer stark gelockerten wie auch ausgeweiteten Visapolitik weitere hochqualifizierte Arbeitskräfte sowie vermögende Privatpersonen für den Zuzug motiviert werden. In dieser Arbeit werden die aktuellen Änderungen der Visapolitik für Dubai hinsichtlich der Erlangung des goldenen Visums sowie deren Bedingungen für Immobilieninvestoren dargestellt. 1 Jürgen Diefenbach; D-85254 Sulzemoos, Moosweg 15; diefenbach@bayerische-bau-sanierung.de 27

1. Einführung / Einleitung Im April 2022 überstieg die Einwohnerzahl in Dubai erstmals die Marke von 3,5 Millionen. Bis zum Jahr 2040 soll sich Hochrechnungen zu Folge die Zahl der Einwohner mit rund 6 Millionen binnen weniger als 20 Jahren nahezu verdoppeln. Abbildung 1 zeigt die Bevölkerungsentwicklung von Dubai seit 1975 bis 2021. (Bardsley, 2022. Dubai Statistics Center, 2022) Abb. 1: Bevölkerung des Emirats Dubai 1975 - 2021 (Quelle: Dubai Statistics Center, 2022) sowie Familienmitglieder möglich Dubai wie auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hatten bis dato bereits umfangreiche Visaprogramme, welche einer breit gefächerten Bevölkerungsgruppe die Erlangung der Aufenthaltsgenehmigung – der sogenannten Residence – ermöglichte. Demnach war die Erteilung von Visa unter bestimmten Voraussetzungen für Arbeitnehmer, Rentner, Unternehmer, beziehungsweise Qualifikationen Studierende an Unternehmensgründungen und vorhandene Arbeitsverhältnisse gekoppelt. Die Visa hatten in der Regel eine Befristung von ein bis drei Jahren. Zu den wesentlichen Vorteilen des Visums der VAE respektive Dubai zählen unter anderem die Möglichkeit der Eröffnung eines Bankkontos, Inanspruchnahme von Finanzdienstleistungen wie beispielsweise Darlehen, Zugang zu staatlichen Gesundheitsdienstleistungen und Krankenversicherungen, Anmeldung von Kindern in Schulen, Ausübung von Arbeiten, sowie die visafreie Einreise in bestimmte Zielländer. Ebenso das goldene Visum, dessen Erteilung eher die Ausnahme war, existierte schon vor der Novellierung der Visaregelungen vom 3. Oktober 2022. Mit dem neuen, bis zu zehn Jahre gültigen, goldenen Visa-Programm sollen weitere Top-Arbeitskräfte und Investoren akquiriert werden und somit bei den ambitionierten Wachstumszielen der Herrscherfamilie Al Maktum unterstützen. (JLL, 2022. United Arab Emirates Government portal, 2023) und überwiegend 28

Diese Publikation soll die jüngst erfolgten, gravierenden Anpassungen bei den Visaregulierungen für Dubai aufzeigen. Hierbei wird der Fokus auf das begehrte goldene Visum im Allgemeinen sowie für Immobilieninvestoren im Besonderen gelegt. Ziel ist es herauszuarbeiten, unter welchen Prämissen das bis zu zehn Jahre gültige Visum erlangt werden kann und welche Vorzüge es mit sich bringt. Bei dem goldenen Visum handelt es sich um ein Langzeitaufenthaltsvisum, welches insbesondere Unternehmern, Investoren, Wissenschaftlern, Studenten und Absolventen mit jeweils besonderen Qualifikationen, sowie humanitären Pionieren und Helden an vorderster Front ermöglicht, das begehrte Visum zu erhalten. Die Übersicht der Varianten für die Erteilung des goldenen Visums respektive die notwendigen wesentlichen Kriterien sind der nachfolgenden Tabelle 1 zu entnehmen. (United Arab Emirates Government portal, 2022) Investoren Öffentliche Investitionen Unternehm er Außergewö hn-liche Talente Wissensch aftler und Fachleute Herausrage nde Studenten und Absolvente n Humanitäre Pioniere Inhaber registrierter erfolgreicher Startups Kultur Kunst und Wissenschaftl er Fachleute des Bildungswese ns Leistungsstär kste Schüler der Sekundarstuf e Angesehene Mitglieder von int. und regionalen Organisation en Genehmigt e Idee für ein Startup Erfinder und Innovatore n Leitende Angestellte und hohe Beamte Fachleute aus Wirtschaft und Verwaltung Investitionen in Immobilien Früherer Gründer eines erfolgreichen Startups, das innerhalb oder außerhalb der VAE verkauft wurde Sport Digitale Technologie Andere wichtige Bereiche Fachleute Fachleute des des Ingenieurwe Gesundhei sens ts-wesens Fachleute aus den Bereichen Jura, Soziales und Kulturelles Fachleute der Wissensch aft Fachleute der Information s- technologi e Absolventen besten weltweit der 100 Universitäten Herausragende Freiwillige und Förderer humanitärer Bemühungen Beste Absolventen von Universitäten in den VAE Herausrag ende Mitglieder von gemeinnüt zigen Vereinen Anerkennu ngs- preisträger in humanitäre n Bereichen Fronthelde n Mitarbeiter an vorderster Front, die in Krisen wie der Covid-19 Pandemie außergewöhnliche Anstrengungen leisten 29

Tab. 1: Kriterien für die Erteilung des goldenen Visums für die VAE (Quelle: Arabian Business, 2022) Im Gegensatz zum klassischen Visum ist das goldene Visum unter anderem dadurch geprägt, dass man sich über die regulären sechs Monate hinaus ohne Einreiseverpflichtung außerhalb Dubais aufhalten kann, ohne dass die Residence erlischt. Ein wesentliches Merkmal ist die längere Gültigkeit der Residence mit zehn anstelle der üblichen ein bis drei Jahre. Im Rahmen der aktuellen Veränderungen teilten einige Freihandelszonen mit, dass keine dreijährigen Visa mehr erteilt werden – weder bei der erstmaligen Beantragung noch bei der Verlängerung. Halter des goldenen Visums können Familienmitglieder, deren Ehepartner und Kinder (bis zum 30. Lebensjahr bei Söhnen und ohne Altersbeschränkung bei unverheirateten Töchtern) sowie bis zu drei Hausangestellte sponsern. Ebenso wurden die Regelungen beim Ableben des Sponsors erweitert, sodass die Familienangehörigen bis zum Ablauf des Visums in den VAE verbleiben dürfen. (Anders Legal, 2022. DLD Cube, 2023) eine erhalten. Aufenthaltsgenehmigung In Dubai konnte man bereits vor Novellierung der Visaregelungen mittels Die Immobilienkauf Mindestinvestitionssumme für das zweijährige Investorenvisum beträgt nach wie vor 750.000 AED. Auch bestand bereits die Option durch den Erwerb von Liegenschaften ab Kaufpreisen von zehn Millionen AED ein goldenes Visum zu erlangen. Die jüngst erfolgte gravierende Reduzierung auf zwei Millionen AED Investitionsvolumen gestattet einer wesentlich umfangreicheren Investorengruppe die Ausstellung des begehrten goldenen Visums. Als Bemessungsgrundlage für den Immobilienwert wird der beim Grundbucheintrag vermerkte Kaufpreis zu Grunde gelegt und durch Bestätigung des Dubai Land Department nachgewiesen. Eine aktuelle Bewertung zu Marktpreisen der Liegenschaft hingegen wird nicht akzeptiert. Der geforderte Mindestinvestitionsbetrag kann durch eine oder mehrere Immobilien erbracht werden. (Investments Dubai Property, 2022. DLD Cube, 2023) Ein weiteres Novum, das kurzfristig die Zahl der goldenen Visa erhöhen könnte ist, dass auch im Bau befindliche Immobilien als Grundlage für den Erhalt des goldenen Visums herangezogen werden können. Analog fertiggestellten Liegenschaften hat der Käufer/Antragsteller dem Bauträger/Verkäufer Anzahlungen in Höhe von mindestens zwei Millionen AED zu leisten, sodass der Oqood – der Nachweis aus dem Interim Real Estate Register – auf den Käufer ausgestellt und der Behörde vorgelegt werden kann. Auch dürfen die relevanten Liegenschaften mit einer Bankfinanzierung belegt sein. Neben einem Nettoinvestment von mindestens zwei Millionen AED darf die Finanzierung nur durch bestimmte lizenzierte Banken erbracht sein. Darüber hinaus hat die Bank ein Unbedenklichkeitszertifikat sowie die Summe der bereits an das Kreditinstitut gezahlten Beträge und der künftigen Zahlungen an die Behörde zu berichten. (Anders Legal, 2023. DLD Cube, 2023) 30

2. Methode Mittels Analyse diverser Publikationen renommierter Anwaltskanzleien, Gesetzestexten der Regierungsbehörden von Dubai und den VAE, sowie durch eigene in das Dubai Land Department Recherchen wurden die relevanten Daten ermittelt. Hierbei zählte das Cube Center – ein integriertes Kundendienstzentrum, das Sonderdienstleistungen für Immobilieninvestoren erbringt – als einer der wesentlichen Wissensträger. Anhand der Vielzahl an Quellen renommierter Wirtschaftsmagazinen konnte laufend die geplante Gesetzeslage bis hin zum finalen Gesetzesentwurf verfolgt werden. Die Phase von der ersten Verlautbarung der geplanten Visaänderung bis zu deren Inkrafttreten verlief hierbei dynamisch. 3. Erkenntnis Nicht zuletzt durch die bisherigen Bemühungen bei der Zuwanderungspolitik Dubais können seit Jahren kontinuierlich steigenden Zahlen von Expats verzeichnet werden. Dies kann als Bestätigung der Maßnahmen der Regierung interpretiert werden. Die Erfolge spiegeln sich auch darin wider, dass Dubai im Jahr 2021 auf Platz drei der favourisierten Städte für Expats weltweit landete. Laut dem jüngsten Report für das Jahr 2022 hat Dubai nunmehr lediglich die Spanische Stadt Valencia vor sich als beliebteste Expat-Stadt, gefolgt von Abu Dhabi auf Platz drei. (Anders Legal, 2022) Des Weiteren hat sich Dubai Ende 2022 nach Angaben der Schweizer Boutique- Firma Passport Legacy als führende Stadt bei Residence and Citizenship by Investment (RCBI) behauptet. Dies nicht zuletzt, da seit erstmalig nennenswerter Anpassung der Visaregularien im Jahr 2019 bereits bis 2022 über 150.000 goldene Visa ausgestellt wurden. (Arabian Business, 2022) Laut einer Umfrage von InterNations – der größten Expat-Community der Welt – gehören Mexiko, Indonesien, Taiwan, Portugal, Spanien und die VAE zu den begehrtesten Zielländern für Expats im Jahr 2022. Zu den Schlusslichtern der 52 möglichen Plätze zählen Kuwait, Neuseeland und Hongkong. Bei der Befragung wurde unter anderem die Lebensqualität, Eingewöhnung, das Arbeiten und die persönlichen Finanzen im jeweiligen Auswanderungsland analysiert. In den Emiraten liebt man die Lebensqualität und das Arbeitsleben, aber hat Probleme mit den Finanzen. In der Kategorie Expat Essentials Index, der das digitale Leben, Themen der Verwaltung, des Wohnens sowie der Sprache abdeckt, belegen die VAE den zweiten Platz nach Bahrain. Ein Grund hierfür ist, dass es laut Umfrage für 83 % einfach sei, ein Visum zu erhalten. Unter weltweiter Betrachtung behaupten dies nur 56 %. Insgesamt sind 71 % der Expats mit dem Auswandererleben in den VAE zufrieden. (InterNations, 2022) Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beliebtheit der VAE und insbesondere von Dubai durch die eingeleiteten Visamaßnahmen, fußend auf den aufgezeigten bisherigen Immigrationserfolgen, weiterhin Fahrt aufnehmen werden und zu dem seitens der Regierung geplanten Zuzug beitragen können. 31

4. Literaturverzeichnis Anders Legal Consultancy. (2023). Arbeitsgebiete. Immobilienrecht. Was versteht man unter Oqood und Title Deed. 2023-02-14. Verfügbar unter: https://anders.ae/de/arbeitsgebiete/immobilienrecht/faq/was-versteht-man-unter-oqood-und-title- deed, [2023-02-15]. Anders Legal Consultancy. (2022). Dreijahresvisa nicht mehr verfügbar. 2022-10-05. Verfügbar unter: https://anders.ae/de/aktuell/nachrichten-aus-den-emiraten, [2022-11-01]. Anders Legal Consultancy. (2022). Newsletter Dezember 2022. Nachrichten aus den Emiraten. Dubai zweitbeste Stadt für Expats weltweit. 2022-12-19. Arabian Business. (2022). Culture & Society. UAE Golden Visa drives Dubai to top spot in global citizenship ranking: Report. 2022-12-19. Verfügbar unter: https://www.arabianbusiness.com/culture-society/uae-golden-visa-drives-dubai-to-top-spot-in- global-citizenship-ranking-report, [2023-01-10]. Arabian Business. (2022). UAE. UAE Golden Visa, Green Visa, Job Visa, entry permits launch: to apply. 2022-09-05. Verfügbar unter: Everything you need https://www.arabianbusiness.com/gcc/uae/golden-visa-launch#UAE-Golden-Visa:-Eligibility- criteria-and-benefits, [2022-12-10]. to know and how Bardsley, D. (2022). The National. Dubai population to surge to nearly 6m in 20 years amid urban transformation. 2022-08-02. Verfügbar unter: https://www.thenationalnews.com/uae/2022/01/23/dubai-population-to-surge-to-nearly-6m-in-20- years-amid-urban-transformation/?utm_source=Daniel+Garofoli&utm_campaign=b8b24980d1- EMAIL_CAMPAIGN_2021_08_12_08_47_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_74471144 4a-b8b24980d1-468489481, [2022-09-15]. DLD Cube. (2023). Our Services. Property Investor Golden Visa For 10-Years. 2023-02-14. Verfügbar unter: https://dldcube.com/en/residency-of-a-property-owner-for-ten-years/, [2023-02-15]. Dubai Statistics Center. (2022). Population and Vital Statistics. Population by Gender – Emirate of Dubai. 2022-03-29. Verfügbar unter: https://www.dsc.gov.ae/Report/DSC_SYB_2021_01_01.pdf, [2022-10-31]. InterNations. (2022). Press Releases. The UAE Is a Safe & Modern Destination for Expats. 2022-07- 12. Verfügbar unter: https://cms.in-cdn.net/cdn/file/cms-media/public/2022-06/2022-07- 12_PressRelease_ExpatInsider2022_UAE.pdf, [2022-11-13]. Investments Dubai Property. (2022). News. Buyers of off-plan real estate in Dubai can now get Golden visas for real estate worth 2 million dirhams. 2022-11-22. Verfügbar unter: https://dubai-property.investments/news/buyers-of-off-plan-real-estate-in-dubai-can-now-get- golden-visas-for-real-estate-worth-2-million-dirhams/, [2023-01-17]. United Arab Emirates Government portal. (2023). Information and services. Visa and Emirates ID. 2023-02-14. Verfügbar unter: https://u.ae/en/information-and-services/visa-and-emirates-id, [2023-02-14]. United Arab Emirates Government portal. (2022). Information and services. Visa and Emirates ID. Golden Visa. 2022-10-19. Verfügbar unter: https://u.ae/en/information-and-services/visa-and-emirates-id/golden-visa, [2022-10-31]. United Arab Emirates Government portal. (2023). Information and services. Visa and Emirates ID. Residence visas. 2023-02-09. Verfügbar unter: https://u.ae/en/information-and-services/visa-and-emirates-id/residence-visas/general-provisions- for-the-residence-visa, [2023-02-14]. 32

„WAS DIE IMMOBILIENWELT IN DEUTSCHLAND 2022 BEWEGT HAT“ J. Diefenbach1 Bayerische Bau und Sanierung GmbH & Co. KG Deutschland Keywords: 2022, Deutschland, Energiekrise, EZB, Immobilien, Immobilienpreise, Immobilienwelt, Inflation, KfW, Leitzins, Rückblick, Ukraine-Krieg, Wohnungsbau, Zentralbank, Zinsanstieg. ABSTRACT Seit mehr als zehn Jahren erlebte der Immobilienmarkt in Deutschland einen selten dagewesenen Aufschwung. Mit dem Jahr 2022 kam es jedoch zu einer Trendwende. Nicht zuletzt durch historische Ereignisse wie dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise sowie dem schnellen wie auch gravierenden Anstieg der Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) kam es zu einer Kehrtwende bei der bisher langfristig positiven Entwicklung am Immobilieninvestmentmarkt. Reduzierte Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau befeuerten die Entwicklung bei den bis dato sowieso schon gestiegenen Mietpreisen. In Summe kann aus Immobiliensicht von einem ereignisreichen 2022 die Rede sein. Die wesentlichen Neuerungen am deutschen Immobilienmarkt für das Jahr 2022 werden in dieser Arbeit dargestellt. 1 Jürgen Diefenbach; D-85254 Sulzemoos, Moosweg 15; diefenbach@bayerische-bau-sanierung.de 35

1. Einführung / Einleitung Der deutsche Immobilienmarkt kannte seit über einer Dekade nur eine Richtung – nämlich nach oben. Seit 2010 stiegen die Kaufpreise in sämtlichen Bereichen, ob Gewerbe- oder Wohnimmobilien, Neu- oder Bestandsimmobilie. Sogar bei den nachgelagerten Auswirkungen der Corona-Pandemie ist bei vierteljährlicher Betrachtung die Immobilienpreisentwicklung in Deutschland von 2004 bis einschließlich dem IV. Quartal 2022. Hierbei wird deutlich, dass neben Stagnations- und Wachstumsregionen selbst die Wertentwicklung in Schrumpfungsregionen ungebrochen war. (Statista Research Department, 2023) festzustellen. Abbildung kein Preiseinbruch 1 zeigt Abb. 1: Immobilienpreisentwicklung in Deutschland von 2004 bis 2022 (Quelle: Statista Research Department, 2023) Diese Veröffentlichung soll die wichtigsten Ereignisse widerspiegeln, welche die deutsche Immobilienwirtschaft im Jahr 2022 bewegt hat. Aufgrund der unzähligen in Rede stehenden Sachverhalte mit Immobilienbezug wird sich ausschließlich auf umgesetzte Maßnahmen bzw. eingetretene Ereignisse fokussiert, sodass man sich einen Überblick über die relevanten Änderungen des in Deutschland für das Jahr 2022 verschaffen kann. Immobilienmarktes Bereits im Januar 2022 hat das neue Jahr Immobilieneigentümer beziehungsweise für jene, die es werden wollten, turbulent begonnen. Am 24. Januar 2022 stoppte die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vorläufig – ohne jegliche Vorankündigung – sämtliche Anträge gemäß der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Neben der damit betroffenen energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden erfuhr auch das Förderprogramm für Neubauten von Effizienzhäusern der Stufe 55 einen Stopp. Nachdem letztere Subvention sowieso am 31. Januar 2022 ausgelaufen wäre, entsprach dies einem vorgezogenen für 36

für die plötzliche Annahmeverweigerung waren Programmstopp. Ursächlich eingegangenen Förderanträge, die den hierfür vorhandenen Haushalt weit überstiegen. Allein zwischen November 2021 und dem 24. Januar 2022 sind Anträge von über 20 Milliarden EUR bei der KfW eingereicht worden. Dem gegenüber Stand ein bereits mehrfacht erhöhtes Budget von in Summe 11,5 Milliarden EUR. Vor allem Anträge für die Ende Januar 2022 auslaufende finanzielle Unterstützung für Neubau- Effizienzhäuser 55 haben die potenziellen Fördersummen in die Höhe getrieben. Nachdem es sich aufgrund der neuen Regierung um eine vorläufige Haushaltsführung handelte, musste die KfW das Programm umgehend unterbrechen. Am 22. Februar 2022 nahm die KfW das Förderprogramm für die energetische Sanierung von Gebäuden wieder auf, nachdem die Bundesregierung zusammen mit dem Haushaltsausschuss neue Mittel in Höhe von rund 9,5 Milliarden EUR bereitstellte. Dieses Budget sollte als Überbrückung dienen, bis zum Beschluss des regulären Haushalts. (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022. Schmelzer, 2022) Mit dem Beginn des Russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde exakt einen Monat später ein weiteres Kapitel mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft eingeläutet. Einhergehend mit dem Kriegsbeginn verdoppelten sich zeitweise die Gaspreise. Auch Strom und Heizöl verteuerten sich in Kürze dramatisch. Grund für die enormen Preissteigerungen waren Preisexplosionen an den Beschaffungsmärkten, ausgelöst durch Sanktionen im Rahmen des Ukrainekriegs. Mitte 2022 kam es zu einer drastischen Reduzierung der Gasliefermenge durch den russischen Konzern Gazprom. Der schnelle und starke Anstieg von Gas-, Heizöl- und Strompreisen hat nahezu direkten Einfluss auf die Betriebskosten einer Immobilie – bei einer vermieteten Immobilie auf die sogenannte „Zweite Miete“. Umgehend wurde bei der Bevölkerung das Augenmerk auf den Energieträger bei Kauf- und Mietimmobilien gelegt. Die extremen Preissprünge sind am nachfolgenden Chart der Abbildung 2 ersichtlich. (Zander, C., Bellan, J. & Giesel, J., 2023) Abb. 2: Preisindizes für Energieprodukte (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2023) 37

Zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von den besorgniserregend gestiegenen Energiepreisen führt der Bund nach mehreren Verhandlungsrunden und Beschlussvorschlägen zum 1. Januar 2023 eine Strompreisbremse ein. Gefolgt wird diese zum 1. März 2023 von der lang diskutierten Gaspreisbremse. Der Versuch des Bundes, die hohen Preisen für Energie einzudämmen, kann seine potenzielle Wirkungskraft systembedingt erst zeitverzögert entfalten. Somit haben die hohen Energiekosten nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaftslage in Deutschland, sondern auch weltweit. Energieabnehmer wie auch energieintensive Industrien leiden demnach stark unter den Kostensteigerungen. Auch Lieferengpässe beflügelten das gestiegene Preisniveau. In der Folge kam es zu einem Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland gegenüber dem Vorjahr von über 100% - die höchste Jahresteuerungsrate seit der Ölkrise Anfang der 1970er-Jahre. (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 2023) Um der sich in vollem Gange befindlichen Inflation Einhalt zu gebieten, kam es zu unzähligen und massiven Zinssteigerungen der EZB. Die Zinsen für Immobilienkredite haben sich im Jahr 2022 mehr als vervierfacht. Das Zinsniveau an sich ist unter Betrachtung der vergangenen Dekaden nicht außergewöhnlich hoch – extrem war jedoch die Geschwindigkeit, mit welcher der Zinsanstieg einher ging. Abbildung 3 visualisiert nochmals den rasanten Zinssprung. Als Ursache für die Zinsentwicklung gibt es mehrere Faktoren. Neben der hohen Inflation im Euroraum hat auch die straffere Geldpolitik mit der Erhöhung der Leitzinsen wesentlichen Einfluss auf die Bauzinsen. Ergänzend dazu beeinflusst das Ende der über Jahre praktizierten Nullzinspolitik der amerikanischen Notenbank (FED) den Zinsanstieg. Des Weiteren verlangt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) von den Kreditinstituten eine höhere Eigenkapitalunterlegung bei der Vergabe von Krediten, um diese besser abzusichern. Für die Banken bedeutet dies zusätzliche Kosten, die zum Teil an die Kreditnehmer weitergegeben werden und so für eine weitere Erhöhung der Zinsen im Kreditgeschäft sorgen. (Dr. Klein, 2023) Abb. 3: Zins-Chart für 10-jährige Sollzinsbindung (Quelle: Interhyp, 2023) 38

Neben den aufgezeigten Marktvorkommnissen mit teils enormen wirtschaftlichem Effekt, kam es darüber hinaus im Jahresverlauf 2022 zu etlichen weiteren Neuerungen, wie beispielsweise: - Volkszählung Zensus mit einhergehender Abfrage von Gebäude- und Wohnungsdetails - Grundsteuerreform mit verpflichtender Abgabe neuer Grundsteuererklärungen - Änderung des Telekommunikationsgesetzes, sodass künftig keine generelle Umlagefähigkeit der Kosten des Fernsehanschlusses bei den Nebenkosten möglich ist - Einführung eines einheitlichen Regelwerks für die Erstellung qualifizierter Mietspiegel - Wohnungseigentümer haben im Rahmen des WEG-Rechts Anspruch auf zertifizierte Hausverwalter bei Wohnanlagen ab acht Einheiten - Bis Ende 2026 müssen fernauslesbare Messgeräte für den Heizkostenverbrauch verbaut sein - Sinken der EEG-Umlage für Strom auf ein Tief im Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre - Erhöhung der CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe mit der Folge verteuerter Heizkosten (Haufe, 2022) 2. Methode und Publikationen Medienberichten Durch die Auswertung unzähliger Marktdaten renommierter Beraterunternehmen, von Wirtschaftsmagazine, Immobilienausschüssen, sowie dem Erlass von Gesetzen der Bundesregierung und eigenen Recherchen, konnten die relevanten Daten ermittelt werden. Aufgrund der Vielzahl respektive Dynamik – nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen wie auch geopolitischen Ereignisse des vergangenen Jahres – an den teils tiefgreifenden Änderungsmitteilungen im Laufe des Jahres 2022, wurde das Augenmerk auf die tatsächlich umgesetzten Novellen gelegt. 3. Erkenntnis Aus immobilienwirtschaftlicher Sicht darf durch die Vielzahl an folgenschweren Ereignissen sicherlich von einem besonderen Jahr die Rede sein. Letztlich spiegelt dies die Preisentwicklung für Liegenschaften wider, die nach über zehn Jahren des ununterbrochenen Aufstrebens einen Rückgang erkennen lässt. Als Höhepunkte mit der vermutlich größten wirtschaftlichen Tragweite im Jahresverlauf 2022 sind demnach die überraschende Aussetzung von Fördermitteln der KfW für die Sanierung von Bestandsgebäuden wie auch das grundsätzliche Einstellen der Förderung für Effizienzhäuser im Standard 55 zu nennen. Einen enormen ökonomischen Effekt für die jedoch die Verkettung aus Ukraine-Krise mit einhergehenden Engpässen bei den Lieferketten. Durch die resultierenden starken Energiepreissteigerungen wurde die Inflation angeheizt, wodurch die Zentralbanken mit erhöhten Leitzinsen bis zum aktuellen Tage versuchen entgegenzuwirken. Interne Bankregularien sorgen zudem für eine Verteuerung von Immobiliendarlehen. In Summe haben vor allem die aufgezeigten Vorkommnisse einen wesentlichen Einfluss auf den Immobilienmarkt – leider mit dämpfender Wirkung. Festzustellen ist, dass sich Immobilienwirtschaft hat 39

die Vielzahl an gravierenden Ereignissen in einem äußerst kurzen Zeitfenster ereignete und die Auswirkungen entsprechend vehement sind. 4. Literaturverzeichnis Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2022). Förderung für energieeffiziente Gebäude der KfW vorläufig gestoppt – Bundesregierung ordnet Förderung und gesetzliche Standards unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Meldung/2022/20220124-foerderung-fur- energieeffiziente-gebaude-durch-kfw.html, [2023-03-11]. 2022-01-24. Verfügbar Neubau für neu. Haufe. (2022). Neuerungen 2022: Das ändert sich für Eigentümer und Vermieter. 2022-01-04. unter: Verfügbar https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/neuerungen-2022-das-aendert-sich-fuer- eigentuemer-und-vermieter_84342_558702.html, [2023-03-18]. Interhyp. (2023). Ratgeber. Was muss ich wissen? Zinsen. Zins-Charts. 2023-03-02. Verfügbar unter: https://www.interhyp.de/ratgeber/was-muss-ich-wissen/zinsen/zins-charts/, [2023-03-17]. Klein. (2023). Baufinanzierung. Aktuelle Bauzinsen. Zinsprognose 2023: Wie geht es weiter mit den unter: 2023-02-16. Verfügbar Bauzinsen? https://www.drklein.de/zinsprognose.html, [2023-03-17]. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. (2023). Ukraine Krieg aktuell – in Deutschland. Die Folgen des unter: Russland-Ukraine-Konflikt erklärt. Die Zeitwende Ukrainekriegs https://www.lpb-bw.de/zeitenwende-in-deutschland, [2023-03-13]. Deutschland. 2023-02-01. Verfügbar in Schmelzer, M. D.. (2022). Fachmedien. HLH. Wissen. Sanierungen: KfW nimmt wieder Anträge auf unter: Fördermittel https://www.ingenieur.de/fachmedien/hlh/wissen/sanierungen-kfw-nimmt-wieder-antraege- auf-foerdermittel-an/, [2023-03-12]. 2022-02-23. Verfügbar an. Statista Research Department. (2023). Finanzen, Versicherung & Immobilien. Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland von 2004 bis zum 4. Quartal 2022. 2023- 01-12. unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/597304/umfrage/immobilienpreise-alle-baujahre- in-deutschland/, [2023-03-11]. Immobilien. Verfügbar Statistisches Bundesamt. (2023). Presse. Inflationsrate im Januar 2023 bei + 8,7 %. Pressemitteilung Nr. unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_069_611.html, [2023- 03-13]. 2023-02-22. Verfügbar 069. Zander, C., Bellan, J. & Giesel, J.. (2023). Energie in Deutschland – in täglich aktualisierten Grafiken. 2023-01-12. Verfügbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/zahlen-zu-strom-und-gas- wie-hart-die-krise-deutschland-trifft-18232227.html, [2023-03-13]. 40

„Erfolgsfaktoren für Remote Work - Fallstudie“ A.Ditsche1 Kutaisi International University, Kutaisi Georgien Keywords: Remote Work, Success Factors, Case Study, Benchmark, Online ABSTRACT Büroarbeitsplätze wurden mit dem Auftreten der Covid-19- Pandemie weltweit in kurzer Zeit auf Remote-Work-Arbeitsplätze umgestellt. Für Unternehmen ist die effiziente Organisation von Remote-Arbeitsumgebungen ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dieser Beitrag zeigt im Rahmen einer Fallstudie wichtige Erfolgsfaktoren für die Umstellung auf Remote-Arbeit und die Erreichung von Unternehmenszielen auf. Der Schwerpunkt liegt dabei in den Bereichen Kommunikation, Mitarbeitermotivation und Führung. Dabei werden exemplarisch konkrete Maßnahmen im Unternehmen dargestellt, die zur Zielerreichung beitragen. Die Wirkung der Maßnahmen wird im Hinblick auf die Mitarbeitermotivation und die Geschäftsentwicklung analysiert. Eine Zusammenfassung mit Handlungsempfehlungen und Ausblick schließt den Beitrag ab. 1 Andreas Ditsche; D-35037 Marburg, Ziegelstraße 9; andreas.ditsche@gmx.de 43

1. Einführung Remote Work wurde mit Auftreten der Covid-19-Pandemie für viele Unternehmen innerhalb weniger Wochen Alltag. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Beiträge zeigt ein uneinheitliches Bild zur Auswirkung von Remote Work auf Effizienz, Mitarbeitermotivation. (Olson, 1983, S. 182), (Aliaga et al., 2022) Die Spannbreite des Einsatzes von Remote Work bei Unternehmen reicht von völliger Ablehnung bis zu kompletter Umstellung auf Remote Work und den Verzicht auf Büros. Die klassischen Motivationstheorien, mit denen die heutigen Führungskräfte aus Studienzeiten vertraut sind, entstanden zu einer Zeit, als die Verlagerung von Büroarbeitsplätzen in das heimische Arbeitszimmer oder gar an beliebige Orte weltweit noch utopisch war, weil die notwendige Technologie nicht verfügbar war. Vor diesem Hintergrund ist der Blick auf die konkrete Ausprägung einer Remote-Arbeitsumgebung in einem realen Unternehmen hilfreich. (O’Loughlin, 2023) Ziel des Beitrages ist es, das Zusammenspiel zwischen der unternehmerischen Ausrichtung und remote-spezifischen Maßnahmen und Gestaltungen aufzuzeigen, die Erfolgsfaktoren für das betrachtete Unternehmen zu bewerten und so eine Grundlage für weitere Untersuchungen zu bieten. 2. Methode Die Betrachtung der Erfolgsfaktoren für Remote Work erfolgt anhand einer Fallstudie. Die Informationssammlung erfolgte durch Auswertung firmeninterner Unterlagen und Gespräche mit Mitarbeitern. Untersucht wird eine Unternehmensgruppe, die im Bereich Online-Affiliate- Marketing tätig ist. Alle Mitarbeiter sind Knowledge-Worker, die grundsätzlich bei Vorhandensein der technischen Voraussetzungen ortsunabhängig arbeiten können. Das Unternehmen ist 10 Jahre alt und wurde als Startup gegründet. Die Belegschaft hat einen vergleichsweise geringen Altersdurchschnitt und besteht überwiegend aus mehrsprachigen Mitarbeitern mit Hochschulabschluss. Bis zum Eintritt der Covid-19-Pandemie verfolgte das Unternehmen eine strikte Office-Only-Politik. Die Mitarbeiter waren überwiegend in Büros in Deutschland, Bulgarien und Israel tätig. Obwohl technisch möglich, war Remote Work grundsätzlich nicht erlaubt. Das Unternehmen hatte Anfang 2020 rund 200 Mitarbeiter. Bis Ende 2022 ist die Mitarbeitzahl auf rund 300 gewachsen. Die vollständige Umstellung auf Remote Work erfolgte im Frühjahr 2020. Das bedeutet, dass seit der Umstellung von Büro- auf Remote-Work etwa 100 Mitarbeiter aufgebaut wurden und damit ein Drittel der Ende 2022 tätigen Mitarbeiter Büroarbeit in diesem Unternehmen nicht erlebt hat. Als Tool für die Steuerung von Aufgaben und Projekten wird Asana eingesetzt, als Kommunikationstool MS Teams. Das Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter aus mehr als 20 Nationen. Die Geschäftssprache ist Englisch. 44

Nach dem Wegfall der Büropflicht gibt es zwar noch die historisch gewachsene regionale Konzentration der Mitarbeiter auf die Bürostandorte. Allerdings lebt etwa ein Drittel der Mitarbeiter inzwischen an Wohnorten, die ein mehrmaliges Pendeln ins Büro pro Woche nicht mehr erlauben. Die Büroräume stehen weiter zur Verfügung. Das Arbeiten im Büro ist möglich, aber regelmäßig sind deutlich weniger als 10 % der Belegschaft gleichzeitig in einem der Büros. Das Unternehmen verfolgt eine Remote- First-Politik. 70 % der Mitarbeiter arbeiten Anfang 2023 ausschließlich remote. 30 % der Mitarbeiter arbeiten hybrid mit einer Präferenz für Remote Work. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen den Standorten der Mitarbeiter, die so nahe an den Büros wohnen, dass Pendeln realistisch ist. Überwiegend geben die Mitarbeiter an, dass ihre bevorzugte Regelung für den Arbeitsort die freie Arbeitsortwahl mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Aufsuchen des Büros ist. Weiterhin wird der Wunsch genannt, das es von Zeit zu Zeit die Möglichkeit für informelle Treffen im Büro und gemeinsame Veranstaltungen gibt. Die Arbeitsbedingungen stellen sich wie folgt dar: • Freie Wahl des Arbeitsortes (nur eingeschränkt durch gesetzliche Anforderungen) • Freie Wahl der Arbeitszeit mit Vertrauensarbeitszeit (ohne Überwachung) • Workation in unbeschränktem Umfang • Möglichkeit zu persönlichen Treffen, einschließlich Anreisen und Unterkunft auf Firmenkosten • Verschiedene Nebenleistungen (Sprachkurse, Tickets für den öffentlichen Nahverkehr, gelegentlich Mahlzeiten, Beratung zur mentalen Gesundheit) • Regelmäßige Fortbildung durch eine interne Akademie und externe Trainings • Learning Days mit der ganztätigen Gelegenheit zur Beschäftigung mit einem selbst gewählten Thema Als Kompensation für die durch Remote Work weggefallenen persönlichen Begegnungen gibt es mehrere unternehmensspezifische Angebote: • Lunch Roulette: Einmal pro Monat werden Vierergruppen von Mitarbeitern ausgelost, die sich virtuell zu einem gemeinsamen Mittagessen treffen. Dazu stellt das Unternehmen ein Guthaben für die Bestellung bei einem Lieferdienst zur Verfügung. Die Teilnehmer am Lunch Roulette lernen Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen kennen. • Academy: Mehrmals monatlich präsentieren Mitarbeiter per Videokonferenz Fachthemen und Soft-Skill-Themen. Die Teilnahme ist für Vortragende und Zuhörer freiwillig. Die Themen werden aus der Belegschaft heraus vorgeschlagen. Die Teilnehmerquote liegt bei etwa 50 % der Belegschaft. • Feierabend-Stammtisch: In unregelmäßigen Abständen finden virtuelle Stammtische statt, bei denen sich Mitarbeiter meist für einen bestimmten Zeitraum einwählen. • Virtuelle Meetings in großen Gruppen: Die Möglichkeit der Kommunikation in wechselnden kleinen Gruppen stößt bei hoher Teilnehmerzahl mit gängigen Tools wie Zoom und MS Teams an Grenzen. Für solche Meetings wird das 45

Tool Topia eingesetzt. Mit diesem Tool können mehrere Hundert Meetingteilnehmer gleichzeitig im virtuellen Raum unterwegs sein, sich in kleineren, wechselnden Gruppen parallel austauschen. zusammenfinden und • Chat-Gruppen für nicht arbeitsbezogene Themen: Zu verschiedenen Themen – von Reisen über Kochen bis zu Haustieren – sind Chat-Gruppen im betrieblichen MS Teams-System eingerichtet. • Physische Treffen: Die Online-Kommunikation wird durch persönliche Treffen ergänzt. Formate sind dabei gemeinsame Messe-Besuche, Team- Workshops und Treffen in unterschiedlicher Gruppengröße, bei denen es nicht primär um Arbeitsinhalte geht, sondern gemeinsam verbrachte Zeit im Vordergrund steht. Hierbei reichen die Aktivitäten vom gemeinsamen Abendessen bis zur Kanutour. • Soziale Aktivitäten: Die Mitarbeiter führen in Eigeninitiative gemeinsame Aktionen durch, beispielsweise die Teilnahme an freiwilligen städtischen Reinigungsaktionen, Laufwettbewerbe oder Spendenaktionen für soziale Zwecke. • Transparenz: Das zur Geschäftsentwicklung. Das schließt Erfolge und Misserfolge ein. Wesentliche Kennzahlen, beispielsweise die Umsatzentwicklung, werden an jeden Mitarbeiter kommuniziert. Unternehmen regelmäßig informiert • Boni und Erfolgsbeteiligung: Alle Mitarbeiter werden finanziell am Unternehmenserfolg beteiligt. Das Führungsleitbild des Unternehmens ist geprägt von Wertschätzung und Ergebnisorientierung. Für die Führungskräfte bedeutet das die Förderung von Vertrauen, offene und umfangreiche Kommunikation, Transparenz, Belohnung statt Angst und den Anspruch zu erklären, warum bestimmte Anforderungen gestellt werden. Die Mitarbeiter sollen regelmäßiges und wertschätzendes Feedback erhalten. Die Beurteilung, wie zweckmäßig die beschriebene Struktur für die Remote-Work- ist, muss den Unternehmenserfolg und die in der Fallstudie Organisation Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit berücksichtigen. Der Unternehmenserfolg kann vereinfacht an der Umsatz- und Ergebnisentwicklung gemessen werden. Der Unternehmensumsatz hat sich seit der Umstellung auf Remote Work vervielfacht und die Profitabilität ist erheblich gestiegen. Die Wachstumsrate übersteigt den Personalaufbau. Demnach hat sich die Produktivität gegenüber der Phase der Büroarbeit verbessert. Die Mitarbeiterzufriedenheit wurde ein Jahr nach Beginn der Remote-Arbeit mittels einer umfangreichen Mitarbeiterbefragung bewertet. Dazu wurde ein modifizierter Standard-COPSOQ-Fragebogen verwendet. COPSOQ Instrument zur Beurteilung von Stress und Mitarbeitermotivation, das den Vergleich mit einer großen Grundgesamtheit an bereits vorliegenden Daten ermöglicht. Damit lässt sich für eine Vielzahl von Kategorien beurteilen, ob die Ausprägungen im Unternehmen besser oder schlechter sind als die Gesamtheit der in anderen Unternehmen erfolgten Umfragen. Zudem ist ein spezifischer Vergleich mit einer ausgewählten Peer-Group festzuhalten, dass die vergleichbarer Unternehmen möglich. Dabei Grundgesamtheit der Befragungen überwiegend Unternehmen in Büro- ist ein ist 46

Arbeitsumfeldern umfasst. Das beruht darauf, dass die Umfragedaten meistens vor der Covid-19-Pandemie erhoben wurden. (Ditsche et al., 2023), (Copsoq, 2022) Im Ergebnis zeigt die Mitarbeiterbefragung, dass das Unternehmen insgesamt nach einem Jahr Remote-Arbeit in allen betrachteten Kategorien besser bewertet wurde, als die Gesamtheit der befragten Unternehmen. In einer verkürzten Mitarbeiterumfrage Anfang 2023 wurde die hohe Mitarbeiterzufriedenheit mit der Remote-Work-Situation bestätigt. Die Zufriedenheit wurde auf einer Skala von 0 (sehr unzufrieden) bis 5 (äußerst zufrieden) bewertet. Im Unternehmensdurchschnitt wurde der Wert 4,8 angegeben. Die Schlussfolgerung hieraus ist, dass es möglich ist, in einer Remote- Arbeitsumgebung dauerhaft eine Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation zu erzielen, die höher ist als im Durchschnitt aller Unternehmen. 3. Ergebnis / Erkenntnis Die Fallstudie zeigt, dass bei Remote-Work dauerhaft eine höhere Mitarbeitermotivation und ein geringeres Stressniveau bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung erreicht werden kann, als im Durchschnitt aller Unternehmen. Die Fallstudie zeigt auch, dass umfangreiche Maßnahmen dazu beitragen, dieses Ergebnis zu erreichen. Die Erfolgsfaktoren für Remote Work können in zwei Kategorien eingeteilt werden. Zunächst ist ein angemessener Führungsstil wichtig. In einer Remote-Umgebung ist eine Anwesenheitskontrolle wie im Büro nicht möglich und auch kein geeignetes Instrument. Die Führung muss aufgaben- und ergebnisorientiert erfolgen. Wertschätzung, Vertrauen und Kommunikation sind wichtige Erfolgsfaktoren. Dieser Management-by-objectives-Ansatz ist in Remote-Organisationen ebenso anwendbar wie in Strukturen, in denen die Mitarbeiter physisch am gleichen Ort sind. Für Remote Work kommen zusätzliche Anforderungen hinzu. Mitarbeiter brauchen Kommunikation über die funktionalen Erfordernisse hinaus und das Gefühl der Zusammengehörigkeit in einer Gruppe. Aus Unternehmenssicht sind auch in einer Remote-Umgebung Gruppengefühl und Identifizierung mit dem Unternehmen wichtig. Ein Gruppengefühl entsteht durch Zusammensein. Bei Remote-Arbeit gibt es keine zufälligen Treffen an der Kaffeemaschine und keine ungeplanten Gespräche bei einem Treffen auf dem Flur oder vor und nach einer Besprechung. Ein Schlüssel zum dauerhaften Erfolg von Remote Work für diese Anforderungen ist die „virtuelle Kaffeemaschine“. Vom Online-Feierabendstammtisch bis zu Chat- Gruppen zu nicht arbeitsbezogenen Themen und Sprachkursen gibt es viele Möglichkeiten, den Mitarbeitern Kommunikationsmöglichkeiten außerhalb der funktionalen Notwendigkeiten zu eröffnen. Physische Treffen tragen dazu bei, dass Mitarbeiter sich austauschen und persönlich kennenlernen. Die Mehrheit der Remote- Worker wünscht keine Rückkehr ins Büro. Die Formate für physische Treffen sollten so ausgelegt werden, dass die Mitarbeiter motiviert und gerne teilnehmen. Eine bloße tageweise Verlagerung von Arbeiten, die ebenso gut remote erledigt werden können, ins Büro reicht dazu nicht aus. 47

Die Erfolgsfaktoren für Remote Work reichen von Führungsleitbildern bis zu kleinen Maßnahmen. Die Fallstudie beweist, das Remote Work kann so gestaltet werden kann, dass bessere Unternehmensergebnisse erzielt werden, als in traditionellen Präsenzmodellen. 4. Literaturverzeichnis Aliaga, O., Cofre, D., Soto, R. (2022). Working homebound and its effects on performance and work productivity during the times of Covid-19 Copsoq (2022). Survey on psychosocial factors in the workplace, COPSOQ German standard version, https://www.copsoq.de/en/ Ditsche, A., Bugajska, M., Dimitrova, G., Kopaliani, N., Kheladze, A. (2023). Remote Work – The Great Equalizer of the 21st Century? Stress and employee motivation in High and Low-Cost Countries – Exemplary Analysis for Germany, Bulgaria, and Georgia, in Brandmeyer R., Kupiek M. (Hrsg.), The Digital Transformation of Georgia, Springer, in Druck. O’Loughlin, H. (2023). Return to office plans for every Fortune 100 (January 2023), build remote, https://buildremote.co/companies/return-to-office/ Olson, M. H. (1983), Remote office work: Changing work patterns in space and time, New York University, reports and articles. Communications of the ACMVolume 26, Issue 3, March 1983, pp 182–187, https://doi.org/10.1145/358061.358068 48

„REMOTE WORK – GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN“ A. Ditsche1 Kutaisi International University, Kutaisi, Georgien Keywords: Remote Work, Homeoffice, Covid-19, Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation, Erfolgsfaktoren für Remote Work, Führung, Management ABSTRACT Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass Millionen von Arbeitnehmern innerhalb von kurzer Zeit von ihren Büroarbeitsplätzen in den Remote-Work- Modus wechseln mußten. Lockdowns und Vorschriften machten diese Maßnahme in vielen Fällen alternativlos. Zu Beginn des Jahres 2023 sind die in der Pandemie erfolgten Maßnahmen weitgehend aufgehoben und die Rückkehr zur Bürotätigkeit ist grundsätzlich wieder möglich. Unternehmen verfolgen in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Ansätzen, die von der vollständigen Wiederherstellung einer Office-Only-Politik bis zur kompletten Schließung der Büros und ausschließlicher Remote-Arbeit reichen. Dieser Beitrag stellt die Möglichkeiten der Office- und Remote-Arbeit dar und gibt einen Überblick über die Ansätze verschiedener Unternehmen von der Rückkehr ins Büro bis zum Ausbau der Remote-Arbeit. Vor- und Nachteile sowie Restriktionen bezüglich der Handlungsoptionen werden dargestellt. Schließlich werden Handlungsempfehlungen für die Gestaltung des Arbeitsumfelds in der Post-Covid-Zeit gegeben. 1 Andreas Ditsche; D-35037 Marburg, Ziegelstraße 9; andreas.ditsche@gmx.de 51

1. Einführung In der Literatur gibt es vielfältige Definitionen für Remote Work. Für diesen Beitrag wird Remote Work definiert als Arbeit, die außerhalb des gängigen Büroumfeldes durchgeführt wird (Olson, 1983, S. 182). In Zeitungsartikeln wird Remote Work als „new normal“ bezeichnet und häufig findet sich die Aussage „Remote work is here to stay“. Gleichzeitig wird davon berichtet, dass unterschiedlichste Unternehmen - von mittelständischen Betrieben bis zu Weltkonzernen wie Microsoft oder Google - ihre Mitarbeiter zumindest für eine Mindestanzahl an Tagen nach dem Ende der Covid-19-Einschränkungen wieder in die Büros zurückrufen. Dabei bewegen sich die möglichen Modelle für Remote Work auf einer Skala mit unterschiedlichen Ausprägungen, die in Abbildung 1 dargestellt sind. (Murph, 2021), (Robinson, 2022) Abb. 1: Ausprägungen von Office- und Remote Work (Quelle: angelehnt an Murph, 2021, eigene Darstellung) Die Ausprägungen unterscheiden sich im zeitlichen Umfang der Tage im Büro und außerhalb des Büros. Eine weitere wichtige Unterscheidung ergibt sich aus den Abstufungen der Autonomie bei Remote Work. Ein populäres Modell hierzu sind Mullenwegs fünf Stufen der Autonomie. • Stufe 1: Keine bewußten Anstrengungen die Arbeit „remote-freundlich“ zu gestalten. • Stufe 2: Die Arbeit ist komplett „synchronisiert“. Die Arbeit wird beispielsweise durch Online-Meetings unterbrochen. • Stufe 3: Remote-first. Die Arbeit erfolgt vorzugsweise außerhalb des Büros und wird daraufhin optimiert. 52

• Stufe 4: Die Arbeit ist bewußt „unsynchronisiert“. Es gibt kaum noch Unterbrechungen durch Meetings. • Stufe 5: Nirvana. Die Arbeit ist völlig befreit. Die Performance ist besser als in einer Umgebung mit persönlicher Zusammenarbeit. Ausgenommen von dieser Skala sind alle Tätigkeiten, die physische Anwesenheit erfordern wie beispielsweise die Krankenpflege. (Mullenweg, 2020) Die technischen Voraussetzungen für Remote Work wurden nach dem Beginn der Covid-19-Pandemie schnell geschaffen und stellen kein größeres Hindernis für Remote Work dar. Die Weltwirtschaft hat die Covid-19-Pandemie unter Einsatz von Remote Work gut überstanden. Die Tatsache, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter wieder in die Büros zurückrufen zeigt, dass in den Unternehmensführungen Unbehagen gegenüber einer Beibehaltung oder gar einem Ausbau von Remote Work in Richtung „all remote“ oder hinein in Mullerbergs Nirvana besteht. Im Folgenden wird gezeigt, welche Ansätze in Unternehmen verfolgt werden. 2. Methode Eine Literatur- unnd Onlinerecherche zeigt, welche Zielsetzungen Unternehmen bezüglich Remote Work verfolgen und welche Maßnahmen ergriffen werden, nachdem die Restriktionen der Covid-19-Pandemie weitestgehend weggefallen sind. 77% der Fortune-100-Firmen arbeiten Anfang 2023 in einem hybriden Modell, während 5 % eine Office-First-Politik verfolgen und 2 % eine Remote-First-Politik. Für 16 %der Fortune-100-Firmen gibt es keine Angaben. Die Erwartungen der Fortune- 100-Firmen an die Anzahl von Bürotagen pro Woche gliedern sich wie folgt (O’Laughlin, 2023): Bürotage Anzahl Null 1 Tag pro Woche 2 Tage pro Woche 50 % der Zeit 3 Tage pro Woche 4 Tage pro Woche 5 Tage pro Woche Unbekannt Summe 18 2 1 2 14 1 8 54 100 Tab. 1: Erwartungen der Fortune-100-Firmen an die Anzahl der Bürotage (Quelle: angelehnt an O’Laughlin, 2023, eigene Darstellung) Das Stimmungsbild unter den Mitarbeitern zu Remote Work ist eindeutig. Eine Mehrheit von etwa 80 % bevorzugt entweder vollumfänglich Remote Work oder ein Hybrid-Modell mit flexiblen Wechselmöglichkeiten zwischen Büro und Homeoffice. 53

Dabei besteht eine Diskrepanz zwischen den Wünschen der Mitarbeiter und denen der Vorgesetzten. Die Mitarbeiter möchten regelmäßig weniger Arbeitstage im Büro verbringen als die Vorgesetzten wünschen. (Fall 2022 Future Forum Pulse, 2022) Die Diskrepanz zwischen den Plänen der Unternehmensführung und den Wünschen der Mitarbeiter beruht auf unterschiedlichen Sichtweisen auf die Büroarbeitsplätze. Eine Umfrage aus dem Jahr 2021 unter mehr als 10,000 Knowledge-Workern, also Beschäftigten, die aufgrund ihrer Tätigkeit ortsunabhängig arbeiten können, zeigt, dass 66 % der Führungskräfte die Planungen für die Office- und Remote-Arbeitsplatzgestaltung weitestgehend ohne Beteiligung ihrer Mitarbeiter durchgeführt haben. Die Vorgesetzten attestierten sich selbst einen deutlich ausgeprägteren Wunsch im Büro zu arbeiten als die Mitarbeiter für sich angaben. So wünschten sich 44 % der Befragten mit Vorgesetztenfunktion wieder jeden Tag im Büro zu arbeiten, während nur 17 % der Befragten ohne Vorgesetztenfunktion das für sich wünschten. (future forum, 2021, S. 3) Hauptgründe, warum Mitarbeiter nicht in die Büros zurückkehren wollen, sind die Zeitersparnis beim Pendeln, die Flexibilität etwas innerhalb des Arbeitstages zu erledigen und die Möglichkeit, Zeit mit der Familie zu verbringen. Auch die Einsparung von Transportkosten wird angeführt. Der Verzicht auf Bürokleidung und das Arbeiten in entspannter heimischer Atmosphäre wird ebenfalls als Vorteil angeführt. Auch die Möglichkeit an jedem beliebigen Ort der Welt zu arbeiten wird geschätzt. (future forum, 2021) Vorgesetzte führen als Argumente für die zumindest zeitweise Rückkehr ins Büro die Verbesserung der Firmenkultur, die Förderung der Zusammenarbeit und die Erleichterung der Mentorings für jüngere Mitarbeiter an. Produktivitätsaspekte werden seltener angeführt. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen auf, dass weder die Unternehmenskultur noch die Zusammenarbeit notwendigerweise dadurch verbessert werden, dass die Mitarbeiter gleichzeitig am gleichen Ort arbeiten. Vielmehr weisen Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass das Engagement, die Motivation und die Bereitschaft im Unternehmen zu bleiben gefördert werden, wenn die einzelnen Mitarbeiter eigenverantwortlich und flexibel zwischen Büro- und Remote-Arbeit variieren dürfen. Häufig bildet sich eine engere Bindung innerhalb des Teams und zu direkten Vorgesetzten heraus, wenn Mitarbeiter remote arbeiten. Der Blick auf prominente Beispiele zeigt, dass die Möglichkeiten der Durchsetzung einer zwangsweisen Rückkehr in die Büros begrenzt sind. Microsoft hat die ausgerufene Politik, dass die Mitarbeiter wieder 50 % ihrer Zeit im Büro verbringen sollten, bereits nach drei Monaten für beendet erklärt. Ein Grund hierfür ist, dass die Mitarbeiter nicht wie gefordert Arbeitszeit im Büro verbracht und dafür selbst möglicherweise drohende Kündigungen billigend in Kauf genommen haben. Das Unternehmen hat schließlich auf Zwangsmaßnahmen verzichtet. Google verlangte nach Ende der Covid-19-Pandemie, dass die Mitarbeiter drei Tage pro Woche im Büro verbringen. An zwei Tagen sollten sie remote arbeiten dürfen. Dieses Programm wurde unterstützt durch die Schaffung besonders attraktiver Büroarbeitsplätze. Inzwischen haben auch Google-Mitarbeiter inzwischen die Freiheit vollständig remote zu arbeiten, wenn das betrieblich möglich ist. (Roberts, 2022) 54

In Zeiten von Fachkräftemangel ist eine angeordnete Rückkehr ins Büro gegen den Willen der Mitarbeiter kaum möglich. Drakonische Maßnahmen würden zu Mitarbeiterverlust führen. Beispiele europäischer Firmen zeigen, dass Arbeitsort- Flexibilität und Remote-First inzwischen fest etabliert sind. Bei der DZ-Bank, bei Vodaphone, bei SAP und bei Continental können die einzelnen Mitarbeiter frei entscheiden, wo sie arbeiten. 3. Ergebnis / Erkenntnis Remote Work ist gekommen um zu bleiben. Die flexible Wahl des Arbeitsortes – und zunehmend auch der Arbeitszeit – ist ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Mitarbeitergewinnung und In Remote-Arbeitsumgebungen können vergleichbare Produktivitätsleistungen wie in Office-Umgebungen erreicht werden. -retention. Die Begründungen für eine Rückkehr ins Büro, ganz oder für eine bestimmte Anzahl an Arbeitstagen, beziehen sich häufig auf die Unternehmenskultur und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Belegschaft. Auch diesbezüglich zeigen neuere Untersuchungen, dass Remote-Organisationen ähnliche Ergebnisse erreichen können wie Büro-Organisationen. Unternehmen verfolgen überwiegend hybride Arbeitszeitmodelle, bei denen die Freiheitsgrade meist zwischen einem Mindestmaß an Bürotagen und völliger Freiheit des Arbeitsortes schwanken. Die zwangsweise Rückkehr ins Büro ist in Zeiten des Fachkräftemangels unrealistisch. Zwar ist festzustellen, dass Vorgesetzte oft mehr Präsenz ihrer Mitarbeiter im Büro wünschen als die Mitarbeiter selbst - aber gegen den Willen der Mitarbeiter ist das in einem Arbeitsmarkt, in dem es ausreichend Arbeitsplatzalternativen gibt, nicht umzusetzen. Und das wäre auch nicht sinnvoll. Für Unternehmen ist es wichtig attraktive Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodelle zu bieten, damit sie im globalen Wettbewerb um Arbeitskräfte bestehen. Sie müssen den bekannten Risiken dauerhafter Arbeit im Remote-Modus wirksam begegnen. Zu diesen Risiken gehören Vereinsamung, Prokrastination, unbemerkter Stress und Quiet Quitting. Die Rückkehr ins Büro ist keine geeignete Gegenmaßnahme, insbesondere weil sie von der Mehrheit der remote Arbeitenden nicht gewünscht wird. Stattdessen sind Wertschätzung, Kommunikation und Transparenz geeignete Voraussetzungen für Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation und die Vermeidung von unangemessenem Stress. (Ditsche et al., 2023) Menschen sind unterschiedlich. Flexibilität innerhalb hybrider Remote-Modelle wird den unterschiedlichen individuellen Präferenzen eher gerecht als eine Festlegung auf eine bestimmte Ausprägung der verschiedenen Stufen von Remote-Modellen. Eine Office-only-Politik ist für die meisten Arbeitnehmer, die nicht ohnehin aufgrund physischer Voraussetzungen an einen Ort gebunden sind, nicht attraktiv. Bedürfnisse hinsichtlich persönlicher Interaktion können auch in Remote-Umgebungen erfüllt werden. Mögliche Maßnahmen reichen hier von virtuellen Veranstaltungen bis zu physischen Treffen in unterschiedlichen Formaten, innerhalb und außerhalb des Büros. Remote Work kann und muss effizient, produktiv und attraktiv für die Mitarbeiter gestaltet werden. Remote work ist “the new normal”. 55

Literaturverzeichnis 4. Ditsche, A., Bugajska, M., Dimitrova, G., Kopaliani, N., Kheladze, A. (2023). Remote Work – The Great Equalizer of the 21st Century? Stress and employee motivation in High and Low-Cost Countries – Exemplary Analysis for Germany, Bulgaria, and Georgia, in Brandmeyer R., Kupiek M. (Hrsg.), The Digital Transformation of Georgia, Springer, im Druck Fall 2022 Future Forum Pulse (2022). https://futureforum.com/research/pulse-report-fall-2022- executives-feel-strain-leading-in-new-normal/ Future Forum (2021). The great executive-employee disconnect, October 2021, https://futureforum.com/wp-content/uploads/2021/10/Future-Forum-Pulse-Report-October- 2021.pdf Mullenweg, M. (2020). Distributed Work’s Five Levels of Autonomy. https://ma.tt/2020/04/five-levels-of- autonomy/ Murph, D. (2021). The 10 models of remote and hybrid work, https://about.gitlab.com/company/culture/all-remote/stages/#about-the-types-of-remote-work- models O’Loughlin, H. (2023). Return to office plans for every Fortune 100 (January 2023), build remote, https://buildremote.co/companies/return-to-office/ Olson, M. H. (1983), Remote office work: Changing work patterns in space and time, New York University, reports and articles. Communications of the ACMVolume 26, Issue 3, March 1983, pp 182–187, https://doi.org/10.1145/358061.358068 Roberts, P. (2022), At Microsoft, a back-to-office “normal” may not happen this year, The Seattle Times, https://www.seattletimes.com/business/at-microsoft-a-back-to-office-normal-may-not-happen- this-year/ Robinson, B. (2022). Remote work is here to stay and will increase into 2023, experts say, Forbes, https://www.forbes.com/sites/bryanrobinson/2022/02/01/remote-work-is-here-to- 1.2.2022, stay-and-will-increase-into-2023-experts-say/?sh=d6df05a20a6c 56

„Gesellschaftliche Wandlung der Pferdehaltung und des Pferdekaufs“ E.Ebrahimpour1 UNIVERSITY OF LIBRARY STUDIES AND INFORMATION TECHNOLOGIES Sofia Keywords: Standardisierungsprozess der Pferdekaufuntersuchung, europäische Ankaufsuntersuchung, Kaufuntersuchung, Digitalisierung des Pferdemarktes, europäischer Pferdekauf, Standarduntersuchung, Verbrauchsgüterrichtlinie beim Pferdekauf, Warenkaufrichtlinie 2019/771 bei Pferden, Beweislastumkehr ABSTRACT Die Geschichte der Pferdehaltung geht in die Zeit der Notwendigkeit der Pferde als Fortbewegungsmittel und Arbeitskraft zurück. Seit dem industriellen Zeitalter wurde das „Arbeitstier“ durch Maschinen und Fahrzeuge nach und nach abgelöst, wobei das domestizierte Pferd einen neuen gesellschaftlichen Rang als Hobbytier gewann. Durch die Digitalisierung unseres heutigen Zeitalters, hat sich der zunächst lokale Pferdemarkt mit einst professionellen Käufern (u.a. Statt, Militär, Züchter) in einen international, vor allem europaweit agierenden Pferdehandel weiterentwickelt (Wrede 2023). Dabei haben sich vor allem private Käufer als in der Pferdehaltung mehr oder weniger erfahrene Laie etabliert. Für den Kauf von Pferden innerhalb Europäischer Union galt bisher die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VebrGR-RL 2002), die den Verbraucher als Käufer schützte. Im Zuge der Regelung von digitalen Käufen, hat die neue EU-Richtlinie 2019/771 den Warenhandel neu definiert und den Kauf mit lebenden Tieren (u.a. Pferden) insofern neu bestimmt, als dieser ab 2022 gemäß Art. 3 Abs. 4b durch die von den Regeln des Verbrauchsgüterkaufs Mitgliedsstaaten herausgenommen werden darf (Deutsche Reiterliche Vereinigung 2023). Insbesondere geht es um die Beweislastumkehr, die im Zuge der neuen Anpassung eine erneute Änderung des europäischen Pferdemarktes herbeiführen könnte. Die Arbeit gibt einen Überblick über den gesellschaftlichen Wandel der Pferdehaltung und die Veränderung des Pferdemarkts bzw. -kaufs bezüglich der ab 2022 geltenden EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771. Schließlich wird die Rolle des Tierarztes betrachtet, denn dieser führt nicht nur die Kaufuntersuchung im Auftrag des Auftraggebers (Käufer, Verkäufer) vor dem Pferdekauf durch, sondern tritt zugleich als Haftungsträger auf (in Deutschland als Gesamtschuldner). individuell 1 Edyta Ebrahimpour; ebrahimpour@freenet.de 59

1. Einführung Die folgende Tabelle zeigt den historischen Rückblick des gesellschaftlichen Wandels der Pferdehaltung und der sich veränderten Bedingungen des Pferdekaufs. vor 1899 Kaufzweck (Pferd) Tierstatus Käufer Militär, Arbeit Fortbewegung s-mittel, Arbeits- bzw. Nutztier Staat Viehgewährleist ungs-recht (Kaiserliche Verordnung von 1899) Arbeit, Freizeit Arbeits- Nutztier Zucht, bzw. Professioneller Halter keine Angabe 6 Hauptmängel Handschlag Vertragsfreiheit, Handschlag keine Angabe keine Angabe mit Test Jagdhunden in Trab/Galopp Ausdauerprüfu ng 30 J, verkürzt auf 6 Mo verkäuferfreundlic h Kauf auf Probe, Untersuchung Eignungsprüfung, Expertenmeinung (Untersuchung) Stallmeister, Pferdekenner/ Tierarzt Keine Angabe Pferdekenner, Tierarzt dem Auftraggeber gegenüber Sicherheit des Käufers Kaufvertra g Verbrauch er Gewähr mit Gesetzgebun g Kauf- entscheidun g: Form Untersuche r Rolle des Tierarztes (Haftung) 60 Schuldrechts- reform ab 2002 Zucht, Turnier, Freizeit Nutz- Gesellschaftsti er (Hobby) bzw. und private gewerbliche Käufer Verkäufer Beweislastumk ehr 6 Monate und Verbrauchsgüt er-kaufrichtlinie (VebrGK-RL) Verkürzung auf 12 Monate möglich käuferfreundlic h tierärztliche Untersuchung Gesundheitsst atus „Momentaufna hme“, vereinbarte Eigenschaft Tierarzt Käufer, (in dem Verkäufer Deutschland Gesamtschuldner) ggf. gegenüber Dritten

Tab. 1: Gesellschaftliche Wandlung der Pferdehaltung bzw. Pferdekaufs (Quelle: Schüle 2008: 260-262, Bemmann 2008: 701-710, Bemmann et al 2014:687- 692, Meyer 2015: 269-292) Das Ziel der Arbeit ist es, die neuen Herausforderungen darzustellen, die den am Pferdekauf beteiligten Parteien (Käufer, Verkäufer) und den die Kaufuntersuchung durchführenden Tierarzt als Haftungsträger betreffen könnten. Darüber hinaus soll der mögliche Einfluss der EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 auf den Pferdemarkt in Europa gezeigt werden. 2. Methode in der Europäischen Union Für die Herausarbeitung der Arbeit wurden die aktuellen Rechtsprechungen und die Hintergründe der Entscheidungen im Zuge der neuen Warenkaufrichtlinie länderübergreifend recherchiert, betrachtet und gegenübergestellt. Dabei wurden drei im europäischen Pferdemarkt umsatzstarken Länder herangezogen (GBI 2023), die verschiedene Entscheidungen hinsichtlich der neuen Warenkaufrichtlinie getroffen haben. Schweiz wird hier nicht berücksichtigt, da sie nicht der Europäischen Union angehört. Abgesehen davon, gilt die sogenannte Beweislastumkehr hierzulande nicht. 6 Monate Beweislast beim Käufer 12 Monate Deutschland Dänemark Niederlande Tab. 2: Verschiedene Umsetzung der neuen EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 je Land (Quelle: Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) 2022, Der Dänische Veterinärverband (DDK) 2022, Elderson Nosti, S. et al 2022) Die neue Warenkaufrichtlinie 2019/771 betrifft nicht nur die Beweislastumkehr, sondern auch die Anforderungen der Ware (u.a. Pferde, sofern nicht ausgeschlossen). Demnach müssen die Tiere nicht nur den subjektiven (vereinbarte Eigenschaft), sondern auch den objektiven Anforderungen (mit anderen Pferden vergleichbar) entsprechen. Die einzelnen Länder der Europäischen Union können allerdings darüber eigenständig entscheiden, ob sie die strengeren Regeln beim Kauf von lebenden Tieren annehmen oder nicht. 3. Ergebnis / Erkenntnis Aus den Entscheidungen der oben genannten Länder ist es ersichtlich, dass diese sehr individuelle Wege verfolgen, die sich für den europäischen Pferdemarkt heterogen auswirken können. Zum einen werden die Käufer eines Landes mehr geschützt, als jene, deren Beweislastumkehr nicht mehr gilt. Dies kann zu einer Verschiebung des Wettbewerbs führen, zumal der gewerbliche Verkäufer uneinheitlich in die Pflicht genommen wird. Des Weiteren dürften die von ihnen beauftragte Kaufuntersuchungen (Verkaufsuntersuchung) in den betreffenden Ländern eine Schlüsselrolle im Kaufprozess zugewiesen bekommen, indem deren Umfang über den Standard hinausgehen könnte (Rittigkeit). Und schließlich das Pferd, so die Befürchtung, sofern die längere Beweislastumkehr eingeführt wird, kann 61

insofern benachteiligt werden, als dass der Käufer dessen Kauf als temporär betrachten und demnach es nicht angemessen versorgen bzw. ausbilden könnte. Allerdings ist es zu erwähnen, dass die Käufer in einigen Ländern (Niederlande, Dänemark, Schweden) zu einer Kaufuntersuchung verpflichtet sind, u.a. sofern das Tier einen bestimmten Wert aufweist. Schließlich gilt es zu bemerken, dass die individuelle Handhabung der Warenkaufrichtlinie den bilateralen Kauf eines Pferdes noch schwieriger gestalten könnte, da u.U. für die betreffenden Parteien ungleichmäßige Bedingungen zu erwarten sind. Folglich könnte die Rolle des untersuchenden Tierarztes beim Pferdekauf insofern an Bedeutung gewinnen, als dessen Begutachtung noch stärker in den Kaufprozess eingebunden wird als wie bisher. 4. Literaturverzeichnis Bemmann, K. (2008). Allgemeine Geschäftsbedingungen im standardisierten Untersuchungsprotokoll – Vertrag über die Untersuchung eines Pferdes. Pferdeheilkunde 24 (5), S. 701-710. Bemmann, K. et al. (2014). Die Kaufuntersuchung im Sprachgebrauch der gerichtlichen Tierheilkunde Pferdeheilkunde 30 (2014), 6 (November/Dezember), S. 687-692. Der dänische Veterinärverband (DDD, 2021): Købeloven. Verfügbar unter: https://www-ddd- dk.translate.goog/faggrupper/faggruppeheste/koebeloven/?_x_tr_sl=da&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl =de&_x_tr_pto=sc, [02.02.2023]. Deutsche Reiterliche Vereinigung, im Verbrauchsgüterkaufrecht bleibt unverändert, Verfügbar unter: https://www.pferde-land- niedersachsen.com/images/Aktuelles/FN- Pressemitteilung_Verbrauchsgterkaufrecht_25062021.pdf, [19.01.2023]. (2023). Pferdekauf: Beweislastumkehr FN Eiderson Nosti, S. et al (2022). The new EU Directive on consumer protection and ist impact on equine unter: business https://www.worldofshowjumping.com/en/News/The-new-EU-Directive-on-consumer- protection-and-its-impact-on-equine-business-an-overview-of-the-current-state-of-affairs.html, [2023-03-17]. affairs. Verfügbar overview current state an of the of GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH (2023). Deutschland: Pferde, reinrassige https://www.tilasto.com/thema/handel/aussenhandel-nach-produkten/lebende-tiere/pferde- lebend-reinrassige-zuchttiere-import-stueck, zuletzt am: 27.01.2023] Zuchttiere, Verfügbar Import Stück. lebend, unter: Meyer, H. (2015). Über die Belastung des Pferdes durch den Einsatz unter dem Reiter. Pferdeheilkunde 31, 3 (Mai/Juni) 269-292 Schüle, E. (2008). Ausbildungsstand, Verwendungszweck und Kaufpreis des Pferdes – für den Tierarzt relevante Informationen? Pferdeheilkunde 18, 3 (2002): 260-262 Wrede, I. (2022). ehorses: Das Geschäft mit dem Traum vom Pferd, Verfügbar unter: https://www.dw.com/de/ehorses-das-gesch%C3%A4ft-mit-dem-traum-vom-pferd/a- 60535208, [19.01.2023]. 62

„Mangelfreiheit und die neue Warenkaufrichtlinie 2019/771 (2022) am Beispiel des Pferdekaufs“ E.Ebrahimpour1 UNIVERSITY OF LIBRARY STUDIES AND INFORMATION TECHNOLOGIES Sofia Keywords: Standardisierungsprozess der Pferdekaufuntersuchung, europäische Ankaufsuntersuchung, Kaufuntersuchung, Digitalisierung des Pferdemarktes, europäischer Pferdekauf, Standarduntersuchung, Verbrauchsgüterrichtlinie beim Pferdekauf, Warenkaufrichtlinie 2019/771 bei Pferden, Konformität, Mangelfreiheit des Pferdes. ABSTRACT Im Jahr 1983 stellte Huskamp (1983: 141 - 145) in seiner Publikation „Tierärztliche Aspekte bei der Ankaufuntersuchung“ fest, dass der Begriff der Gesundheit eines Pferdes wesentlich großzügiger gesehen werden müsste, denn dieses als „gesund“ bezeichnet werden könnte, sofern keine krankhaften Erscheinungen vorliegen, die seine Einsatz- bzw. Leistungsfähigkeit (bezogen auf den gewünschten Verwendungszweck), beeinträchtigen würden. Der oben genannte Begriff der Gesundheit des Pferdes bei der Kaufuntersuchung wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform 2002 innerhalb der Europäischen Union per Gesetz zugunsten des Käufers konkretisiert, wonach das Tier gemäß § 433 Absatz 1 Satz 2 BGB „mangelfrei sein muss“. Dies ist insofern disputabel, weil ein Pferd zwar per Gesetz (§ 90 Satz 1 BGB) nicht als Sache gilt, dennoch juristisch weiterhin als Sache behandelt wird (§ 90 Satz 2 BGB), obwohl es als Lebewesen naturgemäß mit Fehlern behaftet ist. Für den Kauf von Pferden innerhalb Europäischer Union galt bisher die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VebrGR-RL 2002), die den Verbraucher (Privatkäufer) stärkte. Im Zuge der Regelung von digitalen Käufen, hat die neue EU-Richtlinie 2019/771 den Warenhandel neu definiert und den Kauf mit lebenden Tieren (u.a. Pferden) insofern neu bestimmt, als dieser ab 2022 gemäß Art. 3 Abs. 4b durch die von den Regeln des Verbrauchsgüterkaufs Mitgliedsstaaten herausgenommen werden darf (Deutsche Reiterliche Vereinigung 2023). Insbesondere geht es um die Konformitätsregelung der Ware (u.a. des Pferdes). individuell Die Arbeit gibt einen Überblick über den Begriff der Mangelfreiheit aus tiermedizinischer Sicht, hauptsächlich bezüglich der ab 2022 geltenden EU- Warenkaufrichtlinie 2019/771. Schließlich wird die Rolle des Tierarztes betrachtet, denn dieser führt nicht nur die Kaufuntersuchung im Auftrag des Auftraggebers (Käufer, Verkäufer) vor dem Pferdekauf durch, sondern wird automatisch aufgrund der folgenden Kaufentscheidung des Käufers in den Kaufprozess eingebunden. 1 Edyta Ebrahimpour; ebrahimpour@freenet.de 65

1. Einführung Der Begriff der Mangelfreiheit eines Tieres im Zuge der Gesetzgebung gemäß § 433 Absatz 1 Satz 2 BGB lässt zunächst vermuten, dass die hiermit vorausgesetzte Makellosigkeit eines Lebewesens kaum realistisch zu sein mag. Darüber hinaus muss es sich keineswegs um zwangsläufig schwere Erkrankung handeln. Vielmehr kann bereits eine Untugend wie beispielsweise das Koppen (Verhaltensstörung mit u.a. genetischer Prädisposition) den Wert des Tieres erheblich beeinträchtigen bzw. für den Ausschluss aus der professionellen Laufbahn entscheidend sein. So entstehen mindestens zwei Segmente des Pferdemarkts mit den der Öffentlichkeit nicht zugänglichen bzw. investitionsreichen (makellosen) Sportpferden auf der einen, und den (ausgemusterten) für jedermann erwerblichen Hobbytieren auf der anderen Seite. Der digitale, uneingeschränkte Zugang der Privatpersonen zu den Pferdekäufen hat die mittlerweile etablierte Haltung des Pferdes als Freizeittier zweifellos begünstigt. Vor allem der grenzenlose Internethandel ist hierbei nicht mehr wegzudenken (Wrede, 2022): „Jeden Tag werden bei uns rund 250 bis 300 neue Pferde eingestellt...Alle 18 Minuten wird ein Pferd über uns verkauft. Dabei kommen etwa die Hälfte der Interessenten aus dem Ausland und kauften … in ganz Europa“. Allerdings: „Die ganz teuren Pferde werden bislang immer noch unter der Hand verkauft" (Wrede, 2022). Wie viele von ihnen gemäß § 433 Absatz 1 Satz 2 BGB auch tatsächlich mangelfrei sind, lässt sich im Rahmen dieser Arbeit nicht sagen. Nach einer Studie „Untersuchungsmethodik und -ergebnisse von 2290 über einen Zeitraum vom 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 in 46 tierärztlichen Kliniken auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Kaufuntersuchungen beim Pferd mit besonderer Berücksichtigung des Auftretens von Hauptmängeln“ aus dem Jahr 1996 von Bruckwilder ergab sich bei 2290 erfassten Kaufuntersuchungen eine Beanstandungsrate von 99,2 % (1996: 144). Das Ziel der Arbeit ist es, die neuen Herausforderungen im Zuge der EU- Warenkaufrichtlinie 2019/771 darzustellen, die den am Pferdekauf beteiligten Parteien (Käufer, Verkäufer) und den die Kaufuntersuchung durchführenden Tierarzt als Haftungsträger betreffen könnten. Darüber hinaus soll der mögliche Einfluss der neuen Warenkaufrichtlinie 2019/771 auf den Pferdemarkt in Europa gezeigt werden. 2. Methode Für die Herausarbeitung der Arbeit wurden die aktuellen Rechtsprechungen und im Zuge der neuen Warenkaufrichtlinie Hintergründe der Entscheidungen länderübergreifend recherchiert, betrachtet und gegenübergestellt. Dabei wurden zwei im europäischen Pferdemarkt umsatzstarken Länder herangezogen (GBI 2023), die entgegengesetzten Entscheidungen hinsichtlich der neuen Konformität getroffen haben. in der Europäischen Union Deutschland Dänemark Tab. 2: Verschiedene Umsetzung der neuen EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 je Land Konformität gemäß EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 Vereinbarungsfreiheit 66

(Quelle: Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) 2022, Der dänische Veterinärverband (DDK) 2022) Doch was bedeutet mangelfrei? Gemäß § 434 Absatz 1 BGB ist ein Pferd mangelfrei, wenn es bei Gefahrenübergang den subjektiven und neuerdings gemäß der EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 auch den objektiven Anforderungen entspricht (Hartmann 2022). Demnach müssen die Tiere nicht nur den subjektiven (vereinbarte Eigenschaft), sondern auch den objektiven Anforderungen (mit anderen Pferden vergleichbar) entsprechen. Die einzelnen Länder der Europäischen Union konnten allerdings vorab darüber entscheiden, ob sie sich diesen strengeren Regeln auch bei Kaufgeschäften mit lebenden Tieren anschließen bzw. diese ablehnen wollen. Konkret liegt der Unterschied darin, dass bisher die vereinbarte Eigenschaft, sofern nicht erfüllt, aber nicht die objektive Eigenschaft eines Tieres beanstandet werden konnte, sofern diese durch die Vertragsparteien im Zuge des Kaufs so vereinbart bzw. durch den Käufer akzeptiert wurde. 3. Ergebnis / Erkenntnis Aus den Entscheidungen der oben genannten Länder ist ersichtlich, dass diese individuelle Wege verfolgen, die sich auf dem europäischen Pferdemarkt heterogen auswirken können. Zum einen werden die Käufer eines Landes mehr gestärkt als jene, die sich auf die Konformität nicht berufen können. Dies kann zu einer Verschiebung des Wettbewerbs führen, zumal die gewerblichen Verkäufer uneinheitlich in die Pflicht genommen werden. Des Weiteren dürften die beauftragten Kaufuntersuchungen in den betreffenden Ländern eine Schlüsselrolle im Kaufprozess zugewiesen bekommen: Fehlt beispielsweise eine Vereinbarung über die Eigenschaft bzw. den Verwendungszweck des Pferdes, so muss das Tier den objektiven Anforderungen entsprechen und im Rahmen einer gewöhnlichen Verwendung untersucht werden. Allerdings würde dies die Durchführung der nicht zum Standard gehörenden Tests erforderlich machen (u.U. Rittigkeit). Das ist jedoch nur dann möglich, sofern der Auftraggeber bzw. sein entscheidungsberechtigter Stellvertreter bei der Untersuchung anwesend sind, da diese einer zusätzlichen Zustimmung bedürfen. Darüber hinaus bedarf die Rittigkeitsprüfung eines geübten Reiters, denn dem untersuchenden Tierarzt kann eine solche Übung mit einem unbekannten Pferd nicht zugemutet werden. Lässt allerdings der untersuchende Tierarzt diese Teiluntersuchungen von sich aus außer Acht, weil der Kunde beispielsweise nicht anwesend ist, so könnte er seine Sorgfalt (u.a. Aufklärungspflicht) verletzen. Dennoch außer Österreich werden die Auftraggeber trotzdem kaum zur Mitwirkung an der Kaufuntersuchung verpflichtet. Folglich müssen die subjektiven Anforderungen dem untersuchenden Tierarzt noch vor der Untersuchung genannt werden, denn es ist nicht dessen Aufgabe an den Kaufverhandlungen teilzunehmen (Bemmann et al. 2014: 687 - 692). Allerdings nur wenige Protokolle betrachten den Vorbericht als den obligatorischen Vertragsbestandteil der Kaufuntersuchung (ausgenommen Deutschland, Österreich). Schließlich gilt es zu bemerken, dass die individuellen Handhabungen der Warenkaufrichtlinie 2019/771 den bilateralen Kauf eines Pferdes innerhalb Europas noch schwieriger gestalten könnten, da u.U. ungleichmäßige Bedingungen für die betreffenden Parteien zu erwarten sind. Folglich könnte die Rolle des untersuchenden 67

Tierarztes beim Pferdekauf noch bedeutsamer werden. Umso mehr soll ein darin nicht geübter Tierarzt auf die Anfrage zur Durchführung einer Kaufuntersuchung verzichten. 4. Literaturverzeichnis Bemmann, K. et al. (2014). Die Kaufuntersuchung im Sprachgebrauch der gerichtlichen Tierheilkunde Pferdeheilkunde 30 (2014), 6 (November/Dezember), S. 687-692. Bruckwilder, U. (1996). Untersuchungsmethodik und-ergebnisse von 2290 über einen Zeitraum vom 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 in 46 Tierärztlichen Kliniken auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Kaufuntersuchungen beim Pferd mit besonderer Berücksichtigung des Auftretens von Hauptmängeln, Diss., Freie Univ. Berlin. Der dänische Veterinärverband (DDD, 2021): Købeloven. Verfügbar unter: https://www-ddd- dk.translate.goog/faggrupper/faggruppeheste/koebeloven/?_x_tr_sl=da&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=d e&_x_tr_pto=sc, [02.02.2023]. Deutsche Reiterliche Vereinigung, im Verbrauchsgüterkaufrecht bleibt unverändert, Verfügbar unter: https://www.pferde-land- niedersachsen.com/images/Aktuelles/FN- Pressemitteilung_Verbrauchsgterkaufrecht_25062021.pdf, [19.01.2023]. (2023). Pferdekauf: Beweislastumkehr FN GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH (2023): Deutschland: Pferde, lebend, unter: reinrassige https://www.tilasto.com/thema/handel/aussenhandel-nach-produkten/lebende-tiere/pferde- lebend-reinrassige-zuchttiere-import-stueck, zuletzt am: 27.01.2023] Zuchttiere, Verfügbar Import Stück. Mängel beim Pferdekauf: Wer trägt die Verantwortung? Verfügbar unter: https://www.anwalt.de/rechtstipps/maengel-beim-pferdekauf-wer-traegt-die-verantwortung- 201608.html, [zuletzt am: 18.01.2023]. Huskamp, B. (1983). Tierärztliche Aspekte bei der Ankaufsuntersuchung. Der prakt. Tierarzt 2, 141- 145 Wrede, I. (2022). ehorses: Das Geschäft mit dem Traum vom Pferd, Verfügbar unter: https://www.dw.com/de/ehorses-das-gesch%C3%A4ft-mit-dem-traum-vom-pferd/a- 60535208, [19.01.2023]. 68

„M&A-Markt in Österreich – Ein Jahr vor und nach Corona 2020“ M. Eiber1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: M&A, M&A-Markt, M&A-Transaktionen, Branchenanalyse, Corona ABSTRACT Die österreichische Wirtschaft ist exportorientiert, wodurch auch ausländische Käufer an österreichischen Unternehmen interessiert sind. In dieser Hinsicht gibt es eine Vielzahl von Gründen, wieso eine Merger & Acquisition (M&A) durchgeführt wird, hauptsächlich aufgrund von strategischen Überlegungen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass der M&A-Markt stark von externen Faktoren, wie globalen Entwicklungen oder politischen Ereignissen, beeinflusst werden kann. Die Corona-Pandemie im Jahr 2020 war eine dieser globalen Entwicklungen und hatte auch in Österreich eine Veränderung des Markts zur Folge. In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird ein Vergleich des österreichischen M&A-Marktes für die Jahre vor und nach Corona aufgezeigt. Dabei werden die Transaktionen und deren Volumina, die involvierten Nationen sowie die Branchen analysiert. 1 Dr. Michael Eiber MSc; michael_eiber@gmx.at 71

1. Einführung Sowohl die deutsche als auch die englischsprachige Literatur zeichnen sich durch eine unterschiedliche Terminologie und eine Vielzahl von Systematisierungsansätzen bei dem englischen Begriff Merger & Acquisitions (M&A) aus. Daher gibt es keine allgemeingültige Definition in der Literatur, wobei es sich dabei in der Regel als permanent verbundenes Begriffspaar handelt. (Bockius, 2022, S. 7; Tröger, 2003: 12) Das Ziel der Arbeit soll aufzeigen und darstellen, wie sich der M&A – Markt zwischen 2019 und 2021 entwickelt hat und welchen Einfluss Corona auf die Transkationen hatte. Zu eruieren ist, welche Nationen sowie Branchen im österreichischen M&A- Markt wesentlich beteiligt sind. Dabei werden Transaktionen mit einem Transaktionswert von weniger als 2 Mio. Euro weggelassen. 2. Methode Über eine Literaturrecherche sollen die entsprechenden Informationen gesammelt und dargestellt werden. Dabei handelt es sich um einen systematischen Prozess, bei welchem nach relevanten Publikationen zu diesem Thema gesucht wird. Für notwendigen Zahlen werden nur Peer-reviewed Journals verwendet. der M&A 315 2019 2020 untersuchten Zahl Transaktionen mit "grenzüberschreitenden Konnex" Anzahl involvierter Nationen Tab. 1: M&A – Transaktionen: Total und grenzüberschreitend (Quelle: Moschner, 2022) 190 (60%) 38 292 2021 335 178 (61%) 219 (65%) 32 34 Auf Basis der oben dargestellten Zahlen ist der Rückgang von 292 M&A- Transaktionen im Jahr 2020 (Corona-Jahr) zu 315 Transaktionen im Jahr 2019 mit 7,3% deutlich ersichtlich. Es ist festzuhalten, dass dies circa dem Transaktionsniveau von 2002 und 2011 widerspiegelt. Der langjährige Monats-Durchschnitt liegt bei ca. 30 Transaktionen, wobei im März und April mit 14 bzw. 15 Transaktionen ein signifikanter Rückgang gegeben war. Das letzte Quartal 2020 mit 45 Transaktionen hat die Gesamtstatistik wesentlich verbessert und das Minus zum Jahr 2019 eingegrenzt. Der gesamte Transaktionswert lag im Jahr 2020 bei 17,06 Mrd. Euro. Im Corona-Jahr waren 32 verschiedene Nationen bei den Transaktionen involviert, wobei Deutschland mit 36,6% den ersten Platz einnahm. (Moschner, 2021, S. 2ff) Das Jahr vor Corona, 2019, hat wiederrum einen Rückgang der M&A-Transaktionen von 13,2% zum Jahr 2018. Im Jahr 2019 war der Anteil an grenzüberschreitenden Transaktionen mi 60% nur knapp über dem historischen Tiefstand und wesentlich entfernt vom langjährigen Durchschnitt von etwas mehr als zwei Dritteln der Transaktionen. Wesentlich ist, dass der Transaktionswert des österreichischen M&A- Marktes 18,13 Mrd. Euro war. In diesem Jahr waren 38 verschieden Nationen in Transaktionen mit Österreichbezug vertreten. Deutschland hat mit 33,8% der getätigten Transaktionen den Spitzenplatz inne. (Moschner, 2020, S. 2ff) 72

Im Jahr nach Corona, 2021, hat sich der M&A Markt mit einem Zuwachs von ca. 15% spürbar erholt. Diese Erhöhung verteilt sich über das gesamte Jahr 2021, wobei hervorzuheben ist, dass der Dezember der aktivste Monat war. Gleichzeitig erhöhte sich das Transaktionsvolumen um 22,4% auf 20,88 Mrd. Euro. In diesem Jahr waren 34 verschiedene Nationen in Transaktionen mit Österreichbezug involviert. Den höchsten Anteil von Transaktionen mit grenzüberschreitendem Konnex hatte dabei Deutschland mit 31,7%. Hierbei ist festzuhalten, dass im Jahr 2021 österreichische Käufer wesentlich häufiger deutsche Unternehmen erworben haben als umgekehrt. (Moschner, 2022, S. 2ff) Interessant ist noch die Top 10 der Branchenanalyse für die Jahre 2021, 2020, 2019 und deren Veränderung in diesem Zeitraum, welche in nachfolgender Tabelle ersichtlich ist. Große positive Veränderungen bei den Transaktionen zeichneten sich vor allem in den Branchen der Internetdienste, chemischer Industrie sowie Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVUs) dar. Branchenbezeichnung Gesamtzahl (2021) Industrie Software / Datentechnik Internetdienste Immobiliengesellschaften Elektrik / Elektronik Chemische Biotechnologie) EVUs Großhandel Einzelhandel Maschinenbau (inkl. Anlagenbau) Baustoffe/Steine & Erden/Grundstoffe (inkl. Pharma- & 29 29 22 18 17 16 15 14 14 12 in jeweiligen Transaktionen der Branche (2020/2019) 19 30 11 20 35 25 18 23 15 9 11 14 17 8 5 3 11 26 10 12 Tab. 2: Branchenweise Aufgliederung der Top 10 der M&A-Transaktion 2021/2020/2019 (Quelle: Moschner, 2022) 3. Ergebnis / Erkenntnis Aufgrund der Daten stellte sich heraus, dass Corona einen Rückgang der M&A- Transaktionen in Österreich im Jahr 2020 zur Folge hatte. Dieser Rückgang wurde aber bereits im Jahr 2021 kompensiert und somit waren die M&A-Transaktionen sowohl in der Anzahl und dem Volumen über dem Corona-Jahr. Gleichgeblieben ist die Käufergruppe Deutschland, welche im Betrachtungszeitraum jeweils die größte Käufergruppe darstellt. Im Branchenvergleich stellten die ähnlichen Branchen Software und Internetdienste im Jahr 2021 die meisten Transaktionen dar. 73

4. Literaturverzeichnis Bockius, L. (2022). Weiche Erfolgsfaktoren von M&A Transaktionen. Düsseldorf: Springer Verlag. Moschner, M. (2022). Österreichs M&A-Markt 2021. Wien: ÖBA, Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen). Moschner, M. (2021). Österreichs M&A-Markt 2020. Wien: ÖBA, Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen). Moschner, M. (2020). Österreichs M&A-Markt 2019. Wien: ÖBA, Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen). Tröger, N. (2003). Mergers & Acquisitions — Definitionen und Ordnungskriterien. In: T. Nils, Hrsg. Mergers & Acquisitions im deutschen Bankensektor. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. 74

„Zusammenhänge zwischen der Aufnahme von Mikronährstoffen und Depressionen – aktuelle Forschungsergebnisse“ A. Gensel1 AIHE Academic Institute for Higher Education GmbH Germany Keywords: Mikronährstoffe, psychische Gesundheit, Depressionen, Assoziationen ABSTRACT Es ist belegt, dass verschiedene Mikronährstoffe für die normale Entwicklung und Funktion des Gehirns von entscheidender Bedeutung sind. Daher leitet sich die These ab, dass es einen Zusammenhang zwischen der ausreichenden Aufnahme von Mikronährstoffen aus der Nahrung und dem Auftreten von depressiven Symptomen gibt. Im vorliegenden Umbrella-Review wurde diese These durch die Datenanalyse von insgesamt 664.669 Studienteilnehmern für die Mikronährstoffe Vit-K, Vit-D, Vit-A, Vit-C, Vit-E, Beta-Carotin, Kalzium und Koffein bestätigt. Es handelte sich ausnahmslos um umgekehrte Korrelationen. 1 Andrea Gensel; D-Lübeck, Maria-Goeppert-Straße 1; gensel@academic-institute.com 77

1. Einführung Depressionen sind ein weltweites Gesundheitsproblem. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden weltweit etwa 350 Millionen Menschen an Depressionen. Sie gelten als die Hauptursache für erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität und für Suizide (Anglin, Samaan, Walter, & McDonald, 2013, S. 101). Trotz jahrzehntelanger intensiver neurobiologisch orientierter psychiatrischer Studien ist die Ätiologie der Depression nach wie vor nicht abschließend geklärt. Klassische Antidepressiva erhöhen hauptsächlich die Konzentration von Monoaminen im synaptischen Raum, indem sie die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin an präsynaptischen Nervenendigungen blockieren. Etwa die Hälfte der Patienten spricht jedoch nicht auf die Erstbehandlung mit Antidepressiva an (Sinyor, Schaffer, & Levitt, 2010, S. 131). Außerdem sind die Nebenwirkungen von Antidepressiva nicht zu vernachlässigen. Die Suche nach anderen klinischen Möglichkeiten zur Optimierung der Behandlung von Depressionen erscheint daher äußerst dringend. Studien belegen, dass diverse Mikronährstoffe für die normale Entwicklung und Funktion des Gehirns von entscheidender Bedeutung sind. Ein Mangel wird mit neurologischen Störungen in Verbindung gebracht (Abiri, Sarbakhsh, & Vafa, 2021, S. 11). Intention der Arbeit Das vorliegende Review soll eine Zusammenfassung der weltweit zugänglichen aktuellen Forschungsergebnisse/Studien über potenzielle Assoziationen zwischen der Aufnahme von Mikronährstoffen und Depressionen geben. Dafür werden Studien der Jahre 2022 und 2023 vorgestellt. 2. Methode Studiendesign Die vorliegende Arbeit ist ein Umbrella-Review, in dem die Ergebnisse aktueller Sekundärstudien und großer Kohortenstudien zusammengefasst werden. Vorgehen bei der Literaturrecherche Für die Literaturrecherche wurden die elektronischen Datenbanken: PubMed, EMBASE, Web of Science und Cochrane Library genutzt. Mit dem Suchfilter „published in the last 1 Year“ wurden die aktuellsten Publikationen selektiert. Suchtermini waren die Begriffe: „micronutrients“ und „depression“. Der letzte Suchlauf wurde im Mai 2023 durchgeführt. Eingeschlossen wurden Sekundärstudien und große Kohortenstudien, die seit dem 01.05.2022 in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht worden waren. Datenerfassung Im Zuge der Datenerfassung wurden folgende Informationen aus den Studien extrahiert und in einer Excel-Tabelle gelistet: • Formelle Angaben: Autor(en), Jahr der Publikation, Originaltitel 78

• Studiencharakteristika: Studiendesign, Größe der Stichproben, Forschungsfragen, Mikronährstoffe • Ergebnisdarstellung in den Studien: primäre Endpunkte • Intention und Fazit der Studie Originaltitel Inkludierte Studien Die erste Tabelle listet die inkludierten Studien nach der Aktualität ihres Publikationsdatums in absteigender Reihenfolge (s. Tab. 1). Autor(en), Erscheinungsjahr Zhang et al. 2023 Association between vitamin K intake and depressive symptoms in US adults: Data from the National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) 2013-2018 Association between dietary calcium and depression among American adults: National health and nutrition examination survey Association between dietary caffeine, coffee, and tea consumption and depressive symptoms in adults: A systematic review and dose-response meta-analysis of observational studies Effect of vitamin D supplementation on the incidence and prognosis of depression: An updated meta-analysis based on randomized controlled trials. Torabynasab et al. 2023 Shen et al. 2023 Xie et al. 2022 Zhang et al. 2022 Associations of Dietary Vitamin A and Beta-Carotene Intake Ding et al. 2022 With Depression. A Meta-Analysis of Observational Studies. Associations of Dietary Vitamin C and E Depression. A Meta-Analysis of Observational Studies. Intake With Tabelle 1: Selektierte Studien (Quelle: eigene Darstellung) 3. Ergebnisse Charakteristika der Studien Die zweite Tabelle stellt die Charakteristika der inkludierten Studien zusammen (s. Tab. 2). Autor(en), Jahr Zhang et al. 2023 Querschnittsstudie (USA) Studiendesign Stichproben Intervention Erfassung der Vit. K Aufnahme + von depressiven Symptomen Erfassung der 79 repräsentative Stichprobe von 11.687 Erwachsenen aus der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) 2013 - 2018 repräsentative Shen et al. Querschnittsstudie

2023 (USA) Torabynasa b et al. 2023 Review von Kohortenstudien mit Meta-Analyse Stichprobe von 14.971 Erwachsenen aus der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) 2013 - 2018 29 inkludierte Studien mit insgesamt 422.586 Teilnehmern. Xie et al. 2022 Review von Kohortenstudien mit Meta-Analyse inkludierte Studien insgesamt 4.504 29 mit Teilnehmern Zhang et al. 2022 Ding et al. 2022 von von Review Beobachtungsstudi en (Querschnitts- /Fallkontrollstudien, prospektive Kohortenstudien) mit Meta-Analyse Review Beobachtungsstudi en Analyse Meta- mit 25 inkludierte Studien mit insgesamt 100.955 Teilnehmern inkludierte Studien insgesamt 91.966 25 mit Teilnehmern Kalzium- (CA) Aufnahme + von depressiven Symptomen Erfassung der Koffein-Aufnahme + von depressiven Symptomen Vit-D- Supplementierung (tägliche Zusatzdosis von >2.800 IE für ≥8 + Wochen) Erfassung von depressiven Symptomen Erfassung der Aufnahme von Vit- A und Beta-Carotin mit der Ernährung + Erfassung von depressiven Symptomen Erfassung der Aufnahme von Vit- C Vit-E mit der + Ernährung Erfassung von depressiven Symptomen Tabelle 2: Charakteristika der inkludierten Studien (Quelle: eigene Darstellung) Bei 66 % der Studien (4/6) handelte es sich um Reviews in Kombination mit einer Meta-Analyse. Zwei Publikationen waren große Querschnittsstudien. Insgesamt wurden in dem vorliegenden Umbrella-Review damit die Daten von 664.669 Studienteilnehmern berücksichtigt. Die größte Studienkohorte mit 422.586 Teilnehmern untersuchten Torabynasab et al. 2023. Xie et al. 2022 dagegen inkludierten „nur“ 4.504 Personen. Die Interventionen bestanden jeweils aus einer Bestimmung von Serum-Spiegeln diverser Mikronährstoffe und der Erfassung depressiver Symptome anhand von Fragebögen. Bei Xie et al. 2022 wurde Vit-D supplementiert. Die diversen Mikronährstoffe waren die Vitamine K, D, A, C und E, Beta-Carotin und Kalzium. Auch Koffein wurde als Mikronährstoff eingruppiert, da er in der Studie von Torabynasab et al. 2023 seine Nützlichkeit zur Reduzierung des Depressionsrisikos unter Beweis gestellt hat. 80

Forschungsfragen und Endpunkte Die dritte Tabelle stellt die Forschungsintention und die dazugehörigen Endpunkte der jeweiligen Studien, anhand derer die Forschungsfragen beantwortet werden, zusammen (s. Tab. 3). Autor(en), Jahr Zhang et al. 2023 Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Vitamin-K-Aufnahme und depressiven Symptomen? Forschungsfragen Endpunkte zur durch Vit-K- Fragebogen Aufnahme die Nahrung; 9-teiliges Patient Health Questionnaire Depression (PHQ-9) Ca- Fragebogen zur Aufnahme die durch Nahrung; 9-teiliges Patient Health Questionnaire Depression (PHQ-9) Fragebogen zum tägl. Kaffeekonsum in m und zum tägl. Teekonsum in ml; Depression-Skale Vit-D-Spiegel; Depression- Skale zur und Vit-A- Fragebogen Beta- Aufnahme Carotin-Aufnahme durch die Nahrung; Depression-Skale Vit-C- Fragebogen Aufnahme Vit-E- Aufnahme die Nahrung; Depression-Skale zur und durch Shen et al. 2023 Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Ca-Aufnahme und depressiven Symptomen? Torabynasab et al. 2023 Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Koffein-Aufnahme und depressiven Symptomen? et al. Xie 2022 Zhang et al. 2022 Ding et al. 2022 einer Gibt es einen Zusammenhang zwischen Vit-D- Supplementierung und depressiven Symptomen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Vit-A und Beta-Carotin und depressiven Symptomen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Vit-C und Vit-E depressiven Symptomen? und Tabelle 3: Forschungsfragen und Endpunkte (Quelle: eigene Darstellung) Alle Forschungsfragen bezogen sich darauf, ob es einen Zusammenhang zwischen jeweiligen Mikronährstoff und einer der Versorgung des Körpers mit dem Depressions-Symptomatik die Versorgungssituation mit dem Mikronährstoff und ein Erhebungstool für depressive Symptome. Bei Xie et al. 2022 wurden die Vit-D-Spiegel im Serum bestimmt. Ergebnisse der Endpunktmessungen Die vierte Tabelle dokumentiert die Ergebnisse der inkludierten Studien (s. Tab. 4). Endpunkte Folglich gibt. waren die 81

Autor(en), Jahr Zhang et al. 2023 Shen et al. 2023 Torabynasab et al. 2023 et al. Xie 2022 Zhang et al. 2022 Ding et al. 2022 Ergebnisse (BMI), körperliche Raucherstatus, Die gewichtete Prävalenz von depressiven Symptomen betrug 10,2 % (8,0 % bei Männern und 12,0 % bei Frauen). Signifikanter inverser linearer Zusammenhang zwischen der Vitamin-K-Zufuhr und depressiven Symptomen in Modellen, die für Alter, Geschlecht, Rasse/ethnische Zugehörigkeit, Familienstand, Bildungsstatus, Familien-Armuts-Einkommens-Verhältnis (PIR), Heimstatus, Body- Aktivität, Mass-Index Schlafstörungen, Bluthochdruck, Hyperlipidämie und Diabetes bereinigt waren. Die gewichtete Prävalenz von depressiven Symptomen betrug 7,6 % (1.144/14.971). Der Zusammenhang zwischen der Ca-Aufnahme über die Nahrung und den depressiven Symptomen war linear. Umgekehrter Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und depressiven Symptomen (RR: 0,89, 95%CI: 0,82-0,95; I2 = 63,7%, GRADE = niedrig). Das Depressionsrisiko verringerte sich um 4 %, wenn der Kaffeekonsum um 240 ml/Tag zunahm (RR: 0,96, 95%CI: 0,95, 0,98; I2 = 22,7 %). Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Teekonsum und Depressionen. Die Einnahme von Vit-D trug zu einem Rückgang der Häufigkeit von Depressionen -0,23) und einer Verbesserung der Depressionsbehandlung (SMD: -0,92) bei. Personen mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel (<50 nmol/L) und Frauen profitierten sowohl bei der Vorbeugung als auch bei der Behandlung von Depressionen in besonderem Maße. Die Aufnahme von Vit-A mit der Nahrung stand in umgekehrtem Zusammenhang mit Depressionen (RR = 0,83, 95%CI: 0,70-1,00; P = 0,05). Die Aufnahme von Beta-Carotin über die Nahrung war negativ mit Depressionen assoziiert (RR = 0,63, 95%CI: 0,55-0,72; P < 0,001). Die Aufnahme von Vit-C mit der Nahrung stand in umgekehrtem Zusammenhang mit Depressionen (RR = 0,72, 95% CI: 0,57 bis 0,91; P = 0,005). Die Aufnahme von Vit-E mit der Nahrung war negativ mit Depressionen assoziiert (RR = 0,84, 95% CI: 0,72 bis 0,98; P = 0,02). (SMD: Tabelle 4: Ergebnisse der inkludierten Studien (Quelle: eigene Darstellung) Für sämtliche getesteten Mikronährstoffe konnten Zusammenhänge zwischen der Versorgungssituation und depressiven Symptomen nachgewiesen werden. Die Substanzen waren umgekehrt mit Depressionen korreliert. Dieser Zusammenhang wurde für Vit-K, Ca-Aufnahme, Koffein, Vit-D, Vit-A, Beta-Carotin, Vit-C und Vit-E detektiert. Das bedeutet, dass sich die depressiven Symptome durch die Aufnahme dieser Mikronährstoffe durch die Nahrung reduzierten. Dahingegen wurden für regelmäßiges Teetrinken in der Studie von Torabynasab et al. 2023 keine Korrelationen mit depressiven Symptomen gefunden. Die fünfte Tabelle listet das jeweilige Fazit der inkludierten Studien (s. Tab. 5). 82

Autor(en), Jahr Zhang et al. 2023 Shen et al. 2023 et al. Outcome Die Vitamin-K-Zufuhr war umgekehrt und unabhängig mit der Wahrscheinlichkeit depressiver Symptome bei Erwachsenen in den USA korreliert. Die Ca-Zufuhr war negativ linear mit der Wahrscheinlichkeit depressiver Symptome bei Erwachsenen in den USA korreliert. Mit zunehmender Ca-Aufnahme nahm die Prävalenz depressiver Symptome ab. Der Mikronährstoff Koffein in der Nahrung hat eine schützende Wirkung vor der Entwicklung von Depressionen. Eine Vit-D-Supplementierung hat einen positiven Einfluss auf das Auftreten und die Prognose von Depressionen. Sowohl die Aufnahme von Vit-A als auch von Beta-Carotin in der Nahrung steht in umgekehrtem Zusammenhang mit Depressionen. Sowohl die Aufnahme von Vit-C als auch von Vit-E in der Nahrung steht in umgekehrtem Zusammenhang mit Depressionen. Torabynasab et al. 2023 Xie 2022 Zhang et al. 2022 Zhang et al. 2022 Tabelle 5: Fazit der inkludierten Studien (Quelle: eigene Darstellung) Somit konnte in 100 % der inkludierten Studien (6/6) nachgewiesen werden, dass eine Ernährung mit einer ausgewogenen und ausreichenden Zufuhr von Mikronährstoffen depressive Symptome reduzieren kann und/oder das Risiko für das Auftreten von depressiven Symptomen minimieren kann. Schlussfolgerungen und Ausblick Aus der Zusammenschau der Ergebnisse der inkludierten Studien kann belegt werden, dass eine ausgewogene und ausreichende Versorgung mit den Mikronährstoffen Vit-K, Vit-D, Vit-A, Vit-C, Vit-E, Beta-Carotin, Kalzium und Koffein durch die Nahrung, das Risiko für die Entwicklung von Depressionen reduzieren kann und/oder die Schwere der Symptomatik verringern kann. Zukünftig sollten diese Zusammenhänge mit hochwertigen klinischen Studien differenzierter untersucht werden. 4. Literaturverzeichnis Abiri, B., Sarbakhsh, P., & Vafa, M. (2021). Randomized study of the effects of vitamin D and/or magnesium supplementation on mood, serum levels of BDNF, inflammation, and SIRT1 in obese women with mild to moderate depressive symptoms. Nutr Neurosci, (2):1-13. Anglin, R., Samaan, Z., Walter, S., & McDonald, S. (2013). Vitamin D deficiency and depression in adults: systematic review and meta-analysis. Br J Psychiatry., (202):100-107. Ding, J., & Zhang, Y. (2022). Associations of Dietary Vitamin C and E Intake With Depression. A Meta-Analysis of Observational Studies. Front Nutr., (9):857823. Shen, X., Gu, X., Liu, Y., Yang, L., Zheng, M., & Jiang, L. (2023). Association between dietary calcium and depression among American adults: National health and nutrition examination survey. . Front Nutr., (10):1042522. Sinyor, M., Schaffer, A., & Levitt, A. (2010). The sequenced treatment alternatives to relieve depression (STAR*D) trial: a review. Can J Psychiatry, (55):126-135. 83

„Aktuelle Evidenz einer Vitamin-K2-Supplementierung bei diversen Grunderkrankungen“ A. Gensel1 AIHE Academic Institute for Higher Education GmbH Germany Keywords: Vitamin-K2, Menachinon, Supplementierung, physische und psychische Wirkungen ABSTRACT Ein Vitamin-K-Mangel wird mit verschiedenen pathologischen Zuständen und chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Das vorliegende Review soll eine Zusammenfassung der weltweit zugänglichen Forschungsergebnisse/Studien über die Wirkung einer Vit.-K2-Supplementierung auf die körperliche und psychische Gesundheit geben, die seit Januar 2022 bis Mai 2023 veröffentlicht wurden. In 83% der aktuellen Studien wurde empfohlen, eine Vit-K2- Supplementierung bei Patienten mit der jeweiligen Grunderkrankung vorzunehmen und in den Therapiealgorithmus der Grunderkrankung zu integrieren. 1 Andrea Gensel; D-Lübeck, Maria-Goeppert-Straße 1; gensel@academic-institute.com 85

1. Einführung verantwortlich Vitamin K ist an einer Vielzahl von biologischen Prozessen beteiligt und wird mit vielen physischen und psychischen pathologischen Zuständen in Verbindung gebracht (Simes, Viegas, Araujo, & Marreiros, 2019, S. 4150). Die bekannteste Funktion von Vitamin K ist die eines Cofaktors für das Enzym γ-Glutamylcarboxylase, welches für die posttranslationale Modifikation von Vitamin-K-abhängigen Proteinen durch die Umwandlung von spezifischer Glutaminsäure in kalziumbindende γ- Carboxyglutaminsäurereste ist (Willems, Vermeer, Chris, Reutelingsperger, & Schurgers, 2014, S. 1621 f). Die meisten dieser chronischen Erkrankungen sind mit pathologischer Verkalkung und Entzündung verbunden. In jüngerer Zeit hat sich der Schwerpunkt der Forschung zu Vitamin K über die Blutgerinnung hinaus verlagert und seine physiologische Rolle für die Gesundheit des Skeletts, der Herz-Kreislauf- Erkrankungen und des Gehirns weiter erforscht (Alisi, et al., 2019, S. 239). Intention der Arbeit Das vorliegende Review soll eine Zusammenfassung der weltweit zugänglichen Forschungsergebnisse/Studien über die Wirkung des Vitamin K2 auf die körperliche und psychische Gesundheit geben, die seit Januar 2022 bis Mai 2023 veröffentlicht wurden. 2. Methode Studiendesign Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit um ein systematisches Review. Vorgehen bei der Literaturrecherche Die Literaturrecherche erfolgte mit Hilfe der Datenbanken: PubMed und DIMDI. Mit dem Suchfilter „clinical trial“ und „published in the last 1 year“ wurden die aktuellsten Veröffentlichungen herausgefiltert. Als Suchbegriffe wurden die „vitamin K2“ und „menaquinones“ verwendet. Der letzte Suchlauf wurde am 01.05.2023 durchgeführt. Eingeschlossen wurden klinische Humanstudien, die seit dem 01.01.2022 in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht worden waren. Datenerfassung Im Zuge der Datenerfassung wurden folgende Informationen aus den Studien extrahiert und in einer Excel-Tabelle gelistet: (a) Formelle Angaben: Autor(en), Jahr der Publikation, Originaltitel (b) Charakteristika der Studien: Studiendesign, Größe der Stichproben, Interventions- und Kontrollgruppen, Intervention, (c) Ergebnisdarstellung in den Studien: Endpunkte (d) Outcome: Intention der Studie und Fazit der Studie 86

Qualitätsbeurteilung der inkludierten Studien Die Bewertung der methodischen Qualität erfolgte unter Verwendung des Cochrane Risk of Bias 2 (ROB 2) Bewertungsinstruments für RCTs. Das Tool bezieht sich auf verschiedene Aspekte von Studiendesign, Studiendurchführung und Berichterstattung. Es besteht aus konkreten Fragen, die für das Verzerrungsrisiko relevant sind (Sterne, et al., 2019, S. 4898). Die folgende Tabelle listet die inkludierten Studien nach der Aktualität ihres Publikationsdatums in absteigender Reihenfolge (s. Tab. 1). Autor(en), Erscheinungsjahr Eelderink et al. 2023 Originaltitel Effect of vitamin K supplementation on serum calcification propensity and arterial stiffness in vitamin K-deficient kidney transplant recipients: A double-blind, randomized, placebo- controlled clinical trial Inhibit progression of coronary artery calcification with vitamin K in hemodialysis patients (the iPACK-HD study): a randomized, placebo-controlled multi-center, pilot trial Effect of vitamin K2 administration on depression status in patients with polycystic ovary syndrome: a randomized clinical trial The impact of vitamin K2 and native vitamin D supplementation on vascular calcification in pediatric patients on regular hemodialysis. A randomized controlled trial Vitamin K2 and D in Patients With Aortic Valve Calcification: A Randomized Double-Blinded Clinical Trial The effect of menaquinone-7 supplementation on dp-ucMGP, PIVKAII, inflammatory markers, and body composition in type 2 diabetes patients: a randomized clinical trial Holden et al. 2023 Tarkesh 2022 et al. El Borolossy et al. 2022 Diederichsen et al. 2022 Karamzad et al. 2022 Tabelle 1: Selektierte Studien (Quelle: eigene Darstellung) 3. Ergebnisse Qualitätsbeurteilung der inkludierten Studien Die Bewertung der methodischen Qualität unter Verwendung des ROB-2 Bewertungsinstruments machte die durchweg hohe Studienqualität deutlich. Lediglich über eine Verblindung der Endpunkterhebung wurde in den Studien nicht berichtet. Daher wurde hier ein hohes Bias-Risiko angenommen. Positiv hervorzuheben ist, dass 4/6 Studien als Doppelblindstudien konzipiert waren (s. Tab. 2). 87

Eelderin k et al. 2023 Holden et al. 2023 Tarkesh et al. 2022 El- Borolossy et al. 2022 Diederich sen et al. 2022 Karamz ad et al. 2022 Generierung der Randomisierungs -Frequenz Verdeckte Gruppenzuteilung Verblindung von Teilnehmern + Studienpersonal Verblindung der Endpunkterhebun g Unvollständige Daten Endpunkten andere Ursachen für Bias zu Grün = geringes Bias-Risiko; Gelb = moderates Bias-Risiko; Rot = hohes Bias-Risiko Tabelle 2: Qualitätsbeurteilung (Quelle: eigene Darstellung) Charakteristika der Studien Tabelle 3 listet die Charakteristika der inkludierten Studien (s. Tab. 3). Studiendesign Stichproben Intervention unizentrische, randomisierte, placebo- kontrollierte,Doppel blind studie unizentrische randomisierte, placebo-kontrollierte Pilotstudie unizentrische, randomisierte, placebo- kontrollierte,Doppel blind studie prospektive randomisierte 40 nierentransplantierte Patienten (35% weiblich, Alter 57 ± 13 Jahre) 12 Wo 360 μg/Tag Menachinon-7 oder Placebo 69 hämodialysepflichtige Patienten mit einem Koronararterienkalk- Score Agatston-Einheiten 84 Patientinnen mit polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) (CAC) ≥30 12 Mo 10 mg Menanchinon 3x wöchentlich oder Placebo 8 Wo 90 µg/Tag Menachinon-7 oder Placebo 60 Hämodialysepatienten pädiatrische 4 Mo 100 µg/Tag Menachinon-7 Autor(en), Jahr Eelderink et al. 2023 Holden et al. 2023 Tarkesh et al. 2022 El Borolossy et al. 2022 88

Diederichse n et al. 2022 Karamzad et al. 2022 Kontrollstudie multizentrische, randomisierte, placebo- kontrollierte,Doppel blind studie unizentrische, randomisierte, placebo- kontrollierte,Doppel blind studie Männer 365 mit Aortenklappenverkalkun g (AVC) (Altersdurchschnitt 71,0 J +/- 4,4 J.); AVC-Score von >300 Arbitrary Units (AU) 60 mit Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) Patienten oder Placebo 24 Mo 720 µg MK- 7 + 25 µg Vitamin D/Tag 12 Wo 200 µg /Tag Menachinon- 7 oder Placebo Tabelle 3: Charakteristika der inkludierten Studien (Quelle: eigene Darstellung) Bei 4/6 Studien handelte es sich um unizentrische oder multizentrische, randomisierte, placebo-kontrollierte, Doppelblindstudien. Bei den restlichen beiden Publikationen handelte es sich um unizentrische randomisierte, placebo-kontrollierte Pilotstudie und um eine prospektive randomisierte Kontrollstudie. Die Größe der Stichproben variierte von minimal 40 Personen bei Eelderink et al. 2023 bis zu 365 Studienteilnehmern bei Diederichsen et al. 2022. Ausnahmslos alle Probanden hatten Grunderkrankungen. Bei Eelderink et al. 2023 waren es nierentransplantierte Patienten. Bei Holden et al. 2023 und El Borolossy et al. 2022 handelte es sich um Hämodialysepatienten. Die Patientinnen bei Tarkesh et al. 2022 litten unter einem polyzystischem Ovarsyndrom und bei den männlichen Studienteilnehmern von Diederichsen et al. 2022 waren Aortenklappenverkalkungen diagnostiziert worden. Die Probanden von Karamzad et al. 2022 waren Diabetes- Patienten. Die in unterschiedlichen Dosierungen. Die niedrigste Dosierung war 90 µg/Tag für 8 Wochen bei Tarkesh et al. 2022 und die höchste Dosierung war 720 µg für 2 Jahre bei Diederichsen et al. 2022. Forschungsfragen und Endpunkte Die nächste Ergebnistabelle listet die Forschungsintention und die dazugehörigen Endpunkte der jeweiligen Studien, anhand derer die Forschungsfragen beantwortet werden (s. Tab. 4). Autor(en), Jahr Eelderink et al. 2023 ausnahmslos Vit-K2-Supplementierungen Interventionen waren Forschungsfragen Endpunkte Trägt ein Vit. K2-Mangel bei nierentransplantierten Patienten zur Verkalkungsneigung des Serums bei? Erhöht sich die arterielle Steifigkeit? Normalisiert sich der Vit-K2-Status durch Supplementierung? eine Vit der T50; Reifezeit Kalziproteinpartikel, Pulswellengeschwindigkeit [PWV]; dephosphoryliertes uncarboxyliertes Matrix-Gla- [dp-ucMGP] ≥500 Protein pmol/L Holden et al. Verändert K2- CAC-Score; Vitamin-K- 89

2023 Supplementierung Fortschreiten Koronararterienverkalkung einen Zeitraum von 12 Mo? das der über Tarkesh et al. 2022 El Borolossy et al. 2022 Diederichsen et al. 2022 Karamzad et al. 2022 Vit. K2- Verändert eine Supplementierung den Depressionsstatus von Frauen mit PCOS? Ist eine Vit. K2-Supplementierung bei pädiatrischen Hämodialysepatienten wirksam und sicher? Verändert eine Supplementierung Fortschreiten einer AVC? Wirkt K2- Vit. Supplementierung positiv auf die Serumwerte dp-ucMGP (dephospho uncarboxylated Matrix Gla Protein), PIVKAII (Prothrombin Induced by Vitamin K Absence), Entzündungsmarker und Indizes der Körperzusammensetzung bei Patienten mit T2DM? K2- das Vit. eine von bezogene Biomarker (Phyllochinon, dephospho- uncarboxyliertes MGP und das Verhältnis von Gla- Osteocalcin Glu- Osteocalcin) BECK- Depressionsinventars-II (BDI-II) zu Serumspiegel von FGF23, dp-uc-MGP und uc-OC. AVC-Score in Arbitrary Units Indizes im dp-ucMGP; PIVKAII Serum; des Entzündungsstatus: hsCRP C- (hochempfindliches reaktives Protein), IL-6 (Interleukin-6) und TNF-α (Tumornekrosefaktor alpha). Tabelle 4: Forschungsfragen und Endpunkte (Quelle: eigene Darstellung) Die Forschungsfragen bezogen sich alle darauf, ob eine Vit-K2-Supplementierung positive Auswirkungen auf die jeweilige Grunderkrankung zeigen würde. Daher erklärt sich die Verschiedenheit der relevanten Endpunkte und der Ergebnismaße. Der überwiegende Anteil der primären Endpunkte waren Laborwerte. Eine Ausnahme bildet hier die Studie von Tarkesh et al. 2022. Hier war der primäre Endpunkt die Veränderung der Punktzahlen im Fragebogen BDI-II im Studienverlauf. Diese Studie ist auch die einzige Publikation, die sich mit einer psychischen Komponente einer Vit-K2-Supplementierung befasste. Ergebnisse der Endpunktmessungen Die nächste Ergebnistabelle zeigt die Ergebnisse der inkludierten Studien (s. Tab. 5). Autor(en), Jahr Eelderink et al. 2023 Die Vitamin-K2-Supplementierung zeigte keine Auswirkung auf die Verkalkungsneigung im Vergleich zu Placebo (+0,8 ± 34,4 Min; Pbetween group = .88), verhinderte aber die Progression der PWV (Veränderung gegenüber dem Ausgangswert -0,06 ± 0,26 m/s) im Vergleich zu Placebo (+0,27 ± 0,43 m/s; Pbetween group = .010). Ergebnisse 90

Holden et al. 2023 Tarkesh et al. 2022 El Borolossy et al. 2022 Diederichsen et al. 2022 Karamzad et al. 2022 oder relativen Signifikante Verringerung Fortschreitens Die Vitamin-K2-Supplementierung verbesserte den Vitamin-K- Status deutlich (Veränderung des dp-ucMGP gegenüber dem Ausgangswert -385 [-631 bis -269] pmol/L) im Vergleich zu Placebo (+39 [-188 bis +183] pmol/L; Pbetween group < .001), Es gab keinen Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich des absoluten der Koronararterienverkalkung. des dephospho-uncarboxylierten MGP (86 %) sowie Anstieg des Vit K2- Spiegels und des Verhältnisses von Gla-Osteocalcin zu Glu- Osteocalcin. Die Einnahme von Menachinon-7 im Vergleich zu den Placebokapseln verbesserte den Depressionsstatus signifikant (P = 0,012). Die Serumspiegel von dp-uc-MGP, uc-OC und FGF23 waren bei den Hämodialysepatienten gesunden Normalkontrolle signifikant höher (p < 0,05). Der mittlere (95% CI) Anstieg des AVC-Scores betrug 275 AU (95% CI, 225-326 AU) und 292 AU (95% CI, 246-338 AU) in der Interventions- vs. Placebogruppe. Der mittlere Unterschied bei der AVC-Progression betrug 17 AU (95 % CI, -86 bis 53 AU; P=0,64). Der Serumspiegel des Vitamin-K-Markers PIVKAII nahm in der MK- 7-Gruppe signifikant ab (p < 0,05). Nach der Intervention waren die Serumspiegel der Entzündungsmarker (hsCRP, IL-6 und TNF-α) in der MK-7-Gruppe signifikant niedriger (p < 0,05), nicht aber in der Placebogruppe. im Vergleich zur Outcome Tabelle 5: Ergebnisse der inkludierten Studien (Quelle: eigene Darstellung) In Tabelle 5 wurden alle positiven Auswirkungen der Vit-K2-Supplementierung grün markiert. Eine gelbe Markierung steht für weder positive noch negative Auswirkungen. Negative Einflüsse der Supplementierung (rot) wurden nicht gefunden. Die letzte Ergebnistabelle listet das jeweilige Fazit der inkludierten Studien (s. Tab. 6). Autor(en), Jahr Eelderink et al. 2023 die Die Verkalkungsneigung im Serum nicht. Aber sie verhinderte das Fortschreiten der Arteriensteifigkeit, was darauf hindeutet, dass Vitamin K2 vaskuläre Wirkungen hat, die unabhängig von Kalziproteinpartikeln sind. Ein K2 Supplementierung verbessert den Vit. K2-Status bei hämodialysepflichtigen Patienten. Die Einnahme von Menaquinone-7 über 8 Wo verbessert den Depressionsstatus polyzystischem Ovarsyndrom. Vitamin K2 die El Borolossy et al. 2022 Kalzifizierungsregulatoren bei pädiatrischen Hämodialysepatienten. Diederichsen Bei älteren Männern mit einem AVC-Score >300 AU hatte eine 2- Holden et al. 2023 Tarkesh et al. 2022 Vitamin-K2-Supplementierung positive Wirkung Patientinnen mit verhinderte von zeigte eine auf 91

et al. 2022 Karamzad et al. 2022 in Kombination mit einer Vitamin D- jährige Vit. K2 Supplementierung keinen Einfluss auf das Fortschreiten der AVC. Eine Vit. K2-Supplementierung ist wirksam, um die PIVKAII-Werte von T2DM-Patienten zu verbessern. Sie ist nicht geeignet, um das dp-ucMGP, den Entzündungsstatus oder die Indizes der Körperzusammensetzung von T2DM-Patienten zu verbessern. Tabelle 6: Fazit der inkludierten Studien (Quelle: eigene Darstellung) Bei 5/6 Studien zogen die Autoren ein positives Fazit hinsichtlich der Empfehlung, eine Vit-K2-Supplementierung bei Patienten mit der jeweiligen Grunderkrankung vorzunehmen und in den Therapiealgorithmus der Grunderkrankung zu integrieren. Lediglich Diederichsen et al. 2022 erachtete eine Vitamin K2 Gabe bei älteren Männern mit einem AVC-Score >300 AU für nicht indiziert. Schlussfolgerungen und Ausblick Insgesamt unterstreichen die gesundheitsfördernden Wirkungen von Vitamin K2 bei verschiedenen Grunderkrankungen die Notwendigkeit einer Supplementierung. Manche der inkludierten Studien weisen jedoch relativ kurze Follow-up Zeiten auf. Hier sollten sich angemessen konzipierte Interventionsstudien anschließen, die das reale, evidenzbasierte Szenario in der klinischen Therapeutik wirklich erfassen können. Zudem sollte sich die Forschung auch vermehrt der Wirkung von Vitamin K2 auf die psychische Gesundheit widmen. 4. Literaturverzeichnis Alisi, L., Cao, R., De Angelis, C., Cafolla, A., Caramia, F., Cartocci, G., . . . Fiorelli, M. (2019). The Relationships Between Vitamin K and Cognition: A Review of Current Evidence. Front. Neurol. 2019;10:239.,(10):239. Borolossy, R., & El-Farsy, M. (022). The impact of vitamin K2 and native vitamin D supplementation on vascular calcification in pediatric patients on regular hemodialysis. A randomized controlled trial. Eur J Clin Nutr, 76(6):848-854. Diederichsen, A., Lindholt, J., Möller, S., Auscher, S., Lambrechtsen, J., Hosbond, S., . . . Becker, S. (2022). Vitamin K2 and D in Patients With Aortic Valve Calcification: A Randomized Double-Blinded Clinical Trial. Circulation, 145(18):1387-1397. Eelderink, C., Kremer, D., Riphagen, I., Knobbe, T., Schurgers, L., Pasch, A., . . . Bakker, S. (2023). Effect of vitamin K supplementation on serum calcification propensity and arterial stiffness in vitamin K-deficient kidney transplant recipients: A double-blind, randomized, placebo-controlled clinical trial. Am J Transplant, 23(4):520-530. Holden, R., Booth, S., Zimmermann, D., Moist, L., Norman, P., Day, A., . . . Shea, M. (2023). Inhibit progression of coronary artery calcification with vitamin K in hemodialysis patients (the iPACK- HD study): a randomized, placebo-controlled multi-center, pilot trial. Nephrol Dial Transplant, 38(3):746-756. Karamzad, N., Faraji, E., Adeli, S., Sullmann, M., & Gargari, B. (2022). The effect of menaquinone- 7 supplementation on dp-ucMGP, PIVKAII, inflammatory markers, and body composition in type 2 diabetes patients: a randomized clinical trial. Nutr Diabetes, 12(1):15. Simes, D., Viegas, C., Araujo, N., & Marreiros, C. (2019). Vitamin K as a Powerful Micronutrient in Aging and Age-Related Diseases: Pros and Cons from Clinical Studies. IJMS, (20):4150. Sterne, J., Savović, J., Page, M., Elbers, R., Blencowe, N., Boutron, I., . . . Cheng, H. (2019). RoB 2: a revised tool for assessing risk of bias in randomised trials. BMJ, (366):l4898. Tarkesh, F., Jahromi, B., Hejazi, N., & Hoseini, G. (2022). Effect of vitamin K2 administration on depression status in patients with polycystic ovary syndrome: a randomized clinical trial. BMC Womens Health, 22(1):315. 92

„E-MOBILITY: HOW FAR HAS THE GERMAN AUTOMOTIVE INDUSTRY PROGRESSED?“ I. Gülden1 University of Library Studies and Information Technologies Keywords: Transition toward e-mobility, political pressure to reduce carbon emissions, German automotive industry, corporate strategies of adapting production and procurement. ABSTRACT The article traces the development of Germany’s transition to e- mobility. For the last two decades, the issues around global warming have not only been discussed widely in the media, they have also instilled in politics the need to take action, mainly in the form of legislation. However, Germany’s 411 billion € worth automotive industry that traditionally has been so proud of its great automobiles, and of the very refined combustion engines which propelled these vehicles, hesitated for a long time to reduce the carbon emissions of their products as it was requested from politics. Meanwhile, however, the manufacturers have started to electrify the drivetrains of their vehicles, thus catching up in an important field of technologic innovation. If they learn to handle the increased complexity that comes along with it they will remain competitive. Therefore, it is vital to understand where in the transition process the industry stands. 1 Ibrahim Gülden; D-71065 Sindelfingen, Mahdentalstraße 10; Guelden-Ibrahim-89@gmx.de 95

Introduction 1. Since around the year 2000, discussions about global warming and climate protection have gained momentum and have forced politics to take action. In the same measure, in which authorities forced car companies to rethink their proven policies and build “cleaner” cars, critical customers started to ask for electrified vehicles and had an eye on the companies’ model policy. Consequently, the automotive industry had to react. On a much larger scale than before, the industry began to produce new types of cars, or more precisely, new types of engines. Vehicles with hybrid and electric drives were to replace the conventional internal combustion engine vehicles (ICEVs) and therefore were considered to be the answer to the challenges from politics as well as to the demands from the public. It is not very astonishing that the coercion to electrify vehicles that used to be extremely successful due to their refined and technically high-class combustion engines came as a shock to German car manufacturers. South West Germany, where renowned automotive companies such as Mercedes-Benz, AMG, Porsche and Bosch are based, altogether representing an irreplaceable economic factor of immeasurable national and regional significance, was particularly affected by the new development. Some scientific authors even go farther thinking that no other German industry branch has been forced to change so extensively as the automotive sector has. Sihn et al., for example, in their overview of how the mobility systems will develop until 2030, claim that the afore-mentioned challenges drastically impact company structures. “Increasing production and sales figures for electrically powered vehicles affect the medium term value chains of the automotive industry. Some components of vehicles with conventional internal combustion engines are experiencing declining demand and are being replaced by the electrification of the drivetrain, either partially or totally. This leads […] to value added shifts for the companies involved or also for industries which are part of the development and production processes of drive components.” (Sihn, Palm, Gommel, Tober & Bauer, 2012, p. 132) In practice, the demand to reduce emissions asked car manufacturers to adapt their production strategy in many ways. Depending on the composition of their fleets, the degree as to which they had (and still have) to cut emissions differs, as Figure 1 shows impressively. The illustration also reflects the tendency that from the beginning, politics has not been willing to leave it up to the market which technological solution would be accepted most by the public so that car manufacturers would have to compete offering the best alternative drivetrains. Instead, a general regulation was issued that more or less impacts all original equipment manufacturers (OEMs) in the same way. 96

Fig. 1: In 2011, the EU set carbon reduction targets to individual OEMs for the year 2020. (Source: Amsterdam Roundtable Foundation and McKinsey & Company 2014, p.15) In any case, the pressure that politics have exerted on OEMs backed by continually sharper legislation has forced the industry to develop several alternative technologies at the same time which means almost unprecedented investments and a gigantic complexity in supply chain management. At the same time, German politics, with their particular subsidy policy, has strongly influenced which of the alternative solutions – battery electric vehicles (BEVs), hybrid electric vehicles (HEVs), plug-in hybrid electric vehicles (PHEVs), or fuel cell electric vehicles (FCVs) – will finally make the race. 2. Methodology In order to be able to make valid statements on the status of the German automotive industry regarding the transition to e-mobility, statistical data provided by the German Federal Motor Transport Authority KBA (Kraftfahrt-Bundesamt, n.d.), were taken as a basis. They refer to both, the vehicle stock as well as the newly registered vehicle segment. Furthermore, the focus is on the manufacturers’ product mix which was analyzed regarding its composition of models driven by conventional engines and those propelled by alternative drive systems. The conventional category implies internal combustion engine vehicles (ICEVs), whereas in the alternative category we find battery electric vehicles (BEVs), hybrid electric vehicles (HEVs and PHEVs). Other alternative drivetrains were not considered since their overall sales figures are too low in the German market. German vehicle stock: Looking at the total volumes (Figure 2), customers’ preference of ICEVs is reflected in the huge gap between the vehicles that roam 97

Germany’s streets propelled by conventional engines and those equipped with alternative drive technology. Whereas the total number of the former has been roughly the same for years, the number of the latter, at least in the vehicle stock, only rises very slowly, even if the curve has had a clearer upward tendency since 2021. conventional ICEVs (gasoline and Diesel) alternative drive systems (HEVs, PHEVs, BEVs) Fig. 2: In the German vehicle stock, conventional ICEVs prevail over electric and hybrid vehicles. (Own graph. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) Within the alternative drive systems vehicle segment itself, the cumulated numbers of HEVs and PHEVs top those of BEVs, i.e. vehicles entirely powered by battery current (cf. Figure 3). The preference of hybrid cars can be interpreted as a sign that Germans, when “forced” to replace an old ICEV by a more modern new vehicle, prefer a hybrid vehicle to a “purely” electric one. Obviously they cling so strongly to their beloved ICEVs that they do not want to give them up completely. In that sense, a hybrid car for them appears to be the best compromise between the old and the new technology. 98

New Entries: ICEVs vs. alternative drive system s 2013-2022 3.500.000 3.000.000 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000 0 ICEV HEV BEV P HEV 1.336.000 475.000 470.000 362.000 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Fig. 3: In the German vehicle stock, hybrid electric vehicles outnumber BEVs. (Own graph. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) Newly registered vehicle segment: Regarding the transition toward e-mobility in Germany, the year 2019 is clearly the turning point (cf. Figure 4), as ICEVs in the newly registered vehicle segment lose ground, whereas HEVs, BEVs and PHEVs set out on upward curves. The steep drop of ICEVs, however has not only been caused by the growth of the alternative vehicles, but can also be traced back to a general purchasing restraint in the years of the Corona pandemic. The rapid growth of the shares that vehicles with alternative drivetrains claim in the newly registered vehicle segment in the years 2018-2021 becomes obvious from Figure 5. Recently, however, the HEV and the PHEV curves flatten whereas battery electric vehicles continue to be on a solid upwardly course. Hybrid electric vehicles Battery electric vehicles Plug-in hybrid vehicles 99

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Fig. 4: In the newly registered vehicle segment, vehicles with alternative drivetrain systems have started to catch up, gradually replacing ICEVs. (Own graph. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) E-Vehicles in Germany: Newly registered passenger cars 2014-2022 475.000 470.000 362.000 HEV BEV PHEV 500.000 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Fig. 5: Within the alternative segment, hybrid electric vehicles have lost ground lately, while BEVs are getting more popular. (Own graph. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) There are several explanations for the receding (P)HEV figures, one being the Ukraine war that broke out in February 2022. The broad public obviously associated the energy crisis the war had entailed rather with horrendous fuel prices than with rising electricity costs. Another impact could have come from the German e-vehicle subsidy policy granting full purchase premiums for BEVs and only reduced premiums for (P)HEV purchases. Moreover, vehicles with alternative drive systems might have been affected more severely than ICEVs by the 2021/2022 supply chain issues that had been caused by the Corona pandemic (China!) and the Ukrainian war (energy supply). Development of e-mobility in Germany on brand level: AUDI, BMW, Mercedes- Benz, Mini, Porsche, SEAT, Skoda, Smart and Volkswagen were identified as German manufacturers. Their product share in the total volume of newly registered cars Jan. to Aug. 2022 amounted to 57.3%, or in concrete figures, to 941,282 vehicles, whereas 42.7% of the new entries (i.e. 701,787 vehicles) were foreign products. As the total results show (Figure 6), German manufacturers, relative to their own product mix, supplied 38.6% vehicles with alternative drive systems as far as this can be traced back in the newly registered vehicles statistics of January to August 2022, compared to 61.4% vehicles equipped with traditional combustion engines in the same period. The portfolio of foreign manufacturers, as far as their contribution to the newly registered cars segment in Germany in the months Jan.-Aug. 2022 is concerned, presents a different product mix, namely 52.5% e-vehicles and hybrids versus 47.5% 100

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conventional ICEVs. Relative to the entire volume of newly registered cars in the period corresponding with 100%, the distribution of conventional ICEVs and alternative drive systems within the manufacturers’ offers is as follows: • German manufacturers: 35.2% ICEVs vs. 22.1% alternatives (Total: 57.3%) • Foreign manufacturers: 20.3% ICEVs vs. 22.4% alternatives (Total: 42.7%). Fig. 6: Percentage-wise, foreign market participants offer more e-vehicles than German OEMs. (Own graph. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) German manufacturers are making progress: This becomes obvious in the shares of vehicles with alternative drive systems in the total number of newly registered cars which are shown per major German car manufacturer over a period of three years (Figure 7), particularly in the development 2020 to 2021. The fact that out of nine manufacturers, only three (BMW, their daughter company MINI, and Mercedes-Benz) were able to increase their shares of vehicles with alternative drive systems in their product mix in 2022 has to do with the “small scale renaissance” of the ICEV in this “year of crises”: In times of uncertainty, German customers German consumers return to the proven products that they have been accustomed to for decades, i.e. ICEVs, while at the same time they display some reluctance purchasing more modern vehicles, i.e. cars with drive systems that are possibly regarded as “experimental”. 101

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Volume-related share of vehicles with alternative drive systems in 2020-2022 new entries Share of Alternative Drive System s in 2020-2022 Product M ix 68,8% 70,5% 53,8% 64,4% 56,5% 48,9% 45,4% Aud i BMW Merced es-Be nz Mini Porsche SEA T Sko da Smart 29,8% 28,2% 31,9% 31,1% 17,6% 25,1% 24,1% 35,7% 31,7% 32,5% 10,7% 15,8% 21,9% 8,0% 2022 2021 2020 100,0% 100,0% 99,9% Volkswagen 17,1% 15,1% 24,3% 0,0% 20,0% 40,0% 60,0% 80,0% 100,0% 120,0% Fig. 7: The shares of e-vehicles within the individual brands’ sales figures differ considerably. (Own graph. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) their daughter company Skoda) have The analysis per manufacturer reveals two other phenomena: the degree as to which these vehicles are promoted within the respective manufacturer’s program as well as the attractiveness of these models in the eyes of the customer. Some manufacturers (Volkswagen and long concentrated on ICEVs which still have shares of around 80% in total sales, while other manufacturers (AUDI, BMW) have developed their alternative portfolios rather far, so that e-vehicles and hybrids claim 60%-70% of newly registered vehicles. BMW have made the fastest progress, as they have succeeded in increasing the respective share in their product mix from ca. 30% in 2020 to around 64% in 2022. One manufacturer even reaches 100%: Smart, a Mercedes-Benz subsidiary. 3. Insights and Conclusions On the basis of statistical data available from the German Federal Motor Transport Authority (KBA), it was possible to trace the development of the German car market in the context of e-mobility transition, both in the vehicle stock and in the newly-registered vehicle segment. It became clear that on the one hand, ICEVs will stay in the German vehicle stock for a very long time, while vehicles with alternative drive systems prevail in the newly registered vehicle segment. Regarding the progress made in the transition to e-mobility, various analyses that were made showed that at the beginning, German manufacturers, due to the traditional predominance of ICEVs in their programs, were at a disadvantage compared to their foreign competitors, involuntarily opening up for them new market potentials in our country. Meanwhile, however, they are catching up, 102

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offering a greater variety of models with alternative drive systems so that their shares in this new market segment will grow considerably in the future. Conclusion: Regarding the recent slowdown in the transition toward e-mobility, the following phenomena that are partly crisis-related were identified as causes: the Corona pandemic, the Ukrainian war, energy shortage, supply chain issues resulting in production and delivery problems, and the German e-mobility financial stimulus program. Since these issues will most probably continue in 2023 and since parallel production of conventional cars and vehicles with alternative drive systems will have to be maintained in the next decade, there is no relief to be expected regarding procurement and supply chain complexity. At the same time, it will be interesting to observe the further development of e-mobility in Germany under the influence of the changes that the national financial stimulus program has undergone in January 2023: BEV premiums were halved, and (P)HEV premiums were abolished entirely (BAFA, 2022). 4. Bibliography Amsterdam Roundtable Foundation and McKinsey & Company. (2014). EVolution – Electric from: vehicles https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/netherl ands/our%20insights/electric%20vehicles%20in%20europe%20gearing%20up%20for%20a%20ne w%20phase/electric%20vehicles%20in%20europe%20gearing%20up%20for%20a%20new%20ph ase.ashx. [2023-04-06]. Available Europe: gearing phase? new for in up a BAFA – Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. (2022) Umweltbonus: geplante Anpassung from: der https://www.bafa.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Energie/Elektromobilitaet/20220728_anpass ung_foederung_umweltbonus.html?nn=1465158. [2023-04-06]. Förderung Available 2023. ab – KBA. Kraftfahrt-Bundesamt from: https://www.kba.de/DE/Statistik/produkte_der_statistik_pdf.pdf;jsessionid=6DAF582322F3A4EC9C 82552E33450AE6.live21303?__blob=publicationFile&v=76. Last update: 2023-03-31 [2023-04-02]. Sihn, W., Palm, D., Gomel, H., Tober, W. K. & Bauer, C. (2012). Method to Determine and Quantify Changes in Value Chains Caused by E-mobility. Procedia CIRP. Vol. 3, 2012, Pages 132–137. Amsterdam: Elsevier P.V. Available Produkte Statistik. (n.d.). der 103

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„REDUCING PROCUREMENT COMPLEXITY THROUGH SHIFTS IN CAR MANUFACTURERS’ MODEL POLICY“ I. Gülden1 University of Library Studies and Information Technologies Keywords: Complexity in procurement logistics, transition toward e-mobility, replacement of the internal combustion engine, German automotive industry, car manufacturers’ product mix. ABSTRACT The complexity of German car manufacturers’ procurement depends on the multitude of vehicle models and drivetrain variants that they produce parallelly, i.e. battery-electric vehicles (BEVs) and hybrid electric vehicles internal combustion engine vehicles (ICEVs). Because a high degree of complexity is cost-intensive, manufacturers aim to reduce it. (PHEVs/HEVs) alongside traditional Complexity has a technological background as well: there are ca. 1,400 parts and components in the drivetrain of a conventional ICEV, ca. 1,600 in PHEVs and HEVs, but only ca. 200 in BEVs. Thus, a car manufacturer’s model mix defines their procurement complexity. Regarding the measurement of procurement complexity, the hypothesis “the more ICEVs and (P)HEVs the model mix of a car manufacturer contains, the higher the degree of complexity will be” shall be transformed into a mathematical equation. This formula will be applied to the model mix of these major German automobile manufacturers: AUDI, BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen. . 1 Ibrahim Gülden; D-71065 Sindelfingen, Mahdentalstraße 10; Guelden-Ibrahim-89@gmx.de 105

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Introduction 1. Since the beginning of the 21st century, national and EU politics have taken initiatives to promote the transition toward e-mobility. In accordance with the Paris Agreement of November 2016 that tries to limit global warming to well below 2, preferably 1.5 degrees Celsius, compared to pre-industrial levels, the European Union has formulated and incorporated in legislation the goal of reaching a 80% to 95% reduction of carbon emissions. Their message was clear: by and by, battery-electric vehicles (BEVs) and hybrid electric vehicles (PHEVs/HEVs) were to replace the presumed ”polluters”, namely the traditional internal combustion engine vehicles (ICEVs). All of a sudden, German car manufacturers who up to then had exclusively produced internal combustion engine vehicles (ICEVs) were forced to manufacture hybrid electric vehicles (HEVs) and later also battery electric vehicles (BEVs). Since production had to be organized more or less simultaneously, it was clear that procurement complexity would increase significantly. However, our manufacturers tackled the challenge and succeeded in adapting production processes and parts of their organization adequately, so that supply chain issues could be avoided. Meanwhile, all major vehicle manufacturers offer models in all of the above- mentioned categories, i.e. PHEVs (plug-in hybrid electric vehicles), HEVs, BEVs and ICEVs. Still, they cannot leave it up to the market which vehicle models in which category will be preferred by consumers, because – once again – politics interfered, when the EU parliament in 2022 took the decision that there should be no more ICEVs in the newly registered vehicles segment after the year 2035. Thus, with only about ten years lead time, OEMs will have to adapt their entire model policy yet another time, and subsequently, production processes and sales activities as well. German vehicle manufacturers have clung to ICEVs for such a long time, that Diesel and gasoline fueled conventional cars still prevail in their programs. Supplying parts and components for these vehicle types is “business as usual” for procurement managers. Now, particularly since hybrid electric cars have been introduced, the task becomes more and more complicated since these vehicle types incorporate both drive systems, electric as well as conventional. This means that procurement managers have to supply 10-20% more parts and components for the respective drivetrains. The source Daheim (Daheim, n.d.) summarizes: “PHEVs (plug-in hybrid electric vehicle) follow the same principle [i.e. that of HEVs]. They have a combustion engine, either fueled by gasoline or Diesel, and an electric motor. Here, too, we have a significantly higher vehicle weight due to the additionally built-in parts, for example additional accumulators, electric motor, electronics, and finally, a connection to the wall-box.” (Daheim, n.d.) Meanwhile however, even HEVs and PHEVs feel the “headwind” from politics. The German government, for instance, has decided to reduce their financial subsidies for HEV and PHEV purchases to zero. This is quite astonishing, since theoretically, HEVs and PHEVs are environmentally friendly vehicles. In practice, however, they are not because most PHEV owners operate their vehicles in the fuel-driven mode, so that the total volume of greenhouse gas emitted by the supposedly environmentally friendly PHEVs comes close to that of ICEVs. 106

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With the cutbacks of the HEV/PHEV financial stimuli in mind, most car manufacturers have decided to introduce more BEVs to their programs. In the medium term, their procurement departments will benefit from the expansion of the program toward BEVs, as they only have to supply around 200 parts and components for a BEV drivetrain instead of 1.400 for that of an ICEV. On the other hand, BEV technology is so different from conventional car manufacturing that it forces the procurement experts to “leave the trodden paths”, as by now they have to acquire new knowledge, for instance about the nature of materials they have so far not been familiar with. They will also have to find new suppliers and open up new channels, etc., all factors which, to a certain degree, make up for the relief that comes through the elimination of more than thousand parts and components. All of these factors will have to be considered, when a “procurement measurement complexity formula” shall be developed. 2. Methodology Statistical data on the newly registered vehicle segment, provided by KBA (Kraftfahrt-Bundesamt, n.d.), were taken as a basis for the development of the equation presented below. All car models were included in the calculation that had more than three new registrations in the respective year. Procurement complexity increases or decreases depending on two factors: the number of different vehicle models that an OEM offers simultaneously in the various categories on the one hand, and the category itself on the other. Category here means the differentiation between ICEVs, (P)HEVs, and BEVs, according to which complexity varies, since there are more parts and components to be provided for ICEVs/PHEVs, and a great deal less for BEVs. Tab. 1: The “model count” per manufacturer and per year – here, AUDI in 2019 – allows calculating the procurement complexity index. (Own infographic. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) 107

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In order to measure procurement complexity on a scientific basis, a mathematical equation/formula was developed from the analysis of the four selected German car manufacturers’, as far as this information was available from the manufacturers’ websites or from KBA data (Kraftfahrt-Bundesamt, n.d.). As it was mentioned before, procurement complexity to a high degree depends on this very product mix (model mix), which is the result of the manufacturers’ ability and willingness to react to the demands from politics and the market. Since drivetrains display the greatest difference in the number of contained parts and components to be procured, they were chosen as a parameter for the weighting factors, and it was understood that the number of all other parts contained in vehicles was the same, no matter if these vehicles were ICEVs, (P)HEVs or BEVs. Additionally, the weighting factor was determined by the definition whether the procurement activity is “business as usual”, “partly new business”, or “entirely new business”. Therefore, the factors that shall constitute the equation are defined as follows: Index of procurement complexity Icompl NG Number of vehicle models in the gasoline-fueled ICEV category ND Number of vehicle models in the Diesel-fueled ICEV category NH Number of vehicle models in the PHEV/HEV category Number of vehicle models in the BEV category NB F1 Weighting factor = 1, attributed to the procurement of parts for Diesel and gasoline-fueled ICEVs (“business as usual”) Weighting factor = 1.3, attributed to the procurement of parts for (P)HEVs (ca. 200 additional parts to be procured, and partly “new business”) Weighting factor = 0.7, attributed to the procurement of parts for BEVs (ca. 1,200 parts less to be procured, however, widely “new business”) F2 F3 With these constituents given, the equation or formula that is to measure procurement complexity reads as follows: Icompl = NG • F1 + ND • F1 + NH • F2 + NB • F3 The formula shall be applied to the product mix in the program of four major German car manufacturers that mirrors their respective model policy. The first step is to register the exact composition of the product mix per manufacturer and per year, i.e. how many different vehicle models are contained in the ICEV, (P)HEV and BEV category. Next, the formula is applied, to determine the respective complexity index, again per OEM and per year. Finally, several comparisons are made, for instance, comparisons over time that allow to recognize tendencies regarding the degree of complexity or regarding its increase or decrease. The procurement complexity index was calculated for German car manufacturers AUDI, BMW, Mercedes-Benz and Volkswagen, all major brands and important contributors to the German economy. The complexity index can be read in two ways: as an absolute figure indicating the general level of manufacturer’s procurement complexity, and as a relative figure that allows monitoring certain developments over time. 108

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Insights and Conclusions 3. Reduction of Procurement Complexity at AUDI: Regarding the development of BEVs, AUDI – whose longtime marketing slogan has been Vorsprung durch Technik (“progress through technology”) – pursued a rather conservative model policy in the past. In 2019 for instance, they only offered 1 BEV model (see Tab. 2, AUDI, column 5). Instead, AUDI promoted the development of hybrid vehicles very strongly. (P)HEVs are represented in their program with 10 to 11 models, which is almost the same level as ICEVs. However, in spite of their cautious approach to BEVs, AUDI executives are determined to transfer the message of their famous slogan to the new world of e-mobility. AUDI’s Media-Center (AUDI AG, 2021) cites the company’s board member and Marketing Director, Hildegard Wortmann, as follows: “We are becoming a supplier of sustainable premium mobility and want to be a pioneer in this section. Therefore we expand our claim to be technology leader to environmentally friendly driving. It is only consequent that AUDI will stop launching new ICEV models by 2026. […] So Vorsprung will be redefined with a focus on sustainability, digitization and electrification.” (AUDI AG, 2021) In the case of AUDI, the results of the formula application cover the years 2019 through 2021. It is obvious that procurement complexity increases which is mainly due to the high share of hybrids in their product mix. But if AUDI executives implement their new strategy of electrification – they increased the number of purely electric models from one to four in the period that was considered – for example by further shrinking the Diesel ICEV segment and by continuing to introduce more and more BEVs, procurement complexity will start to decrease. Reduction of Procurement Complexity at BMW: The BMW website (BMW, n.d.) presents the models in their respective segments, which allows the measurement of their complexity index over four years, i.e. from 2019 to 2022. Currently, if one takes hybrids and BEVs together, BMW has 16 electrified models, but they have significantly increased the number of their fully electric models (from 2 in 2019 to 5 in 2021, see Tab. 2, BMW, column 5). BMW had favored hybrids before, the number of which almost equaled that of gasoline- or Diesel-propelled ICEVs. Therefore, similarly to what happened to AUDI, BMW experienced a rising complexity index in the years 2019 to 2021. However, in the course of the switch in their program – they now focus on BEVs – BMW have reduced the number of hybrids (from 15 in 2021 to 9 now, see Tab. 2, BMW, column 4). In terms of procurement complexity this means a lower index. BMW in particular show how rapidly a German manufacturer who had been rather hesitant at the beginning can catch up regarding the development of new BEV models. Even more, the Bavarian car manufacturer has now already reached the stage where they are able to discontinue the production of their very early e-vehicle models. 109

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Tab. 2: Procurement complexity index is on the rise at AUDI, has started to drop at BMW. (Own infographic. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) Reduction of Procurement Complexity at Mercedes-Benz: Due to the high number of models offered in the ICEV and (P)HEV segments, the general procurement complexity index measured with the help of the respective formula (see Tab. 3, Mercedes, column 5) at least in absolute figures is high as well. Nevertheless, Mercedes-Benz has replaced gasoline-fueled ICEVs by (P)HEVs and has started to expand the BEV segment. Only the share of Diesel-fueled models has remained unchanged which mirrors the corporation’s long tradition of building Diesel vehicles. Overall, however, the changes in the model policy already now entail a (mild) reduction of procurement complexity in 2021. It is clear to many observers that Mercedes-Benz’ new e-mobility strategy will gain even greater momentum in the future. For instance, according to the automotive journalist of German daily newspaper Stuttgarter Zeitung (Schmidt, 2022), the car manufacturer has even begun to include in the e-mobility program vehicle types such as SUVs that up to now were considered typical ICEVs: “The corporate strategy foresees full electrification of the fleet by 2030. With its new SUV, Mercedes now has 8 battery-operated models in the portfolio. In Germany, every tenth Mercedes passenger car sold this year [2022] was an electric vehicle.” (Schmidt, 2022) Reduction of Procurement Complexity at Volkswagen: The measurement of procurement complexity at Volkswagen results in a low absolute value which is due to the fact that the company traditionally has pursued the policy of offering only few models in the program. The great majority of their vehicles consists of ICEVs, but recently the shares of hybrids and BEVs have been increased, BEV even by 100% from 2019 to 2020, hybrids by 20% in the same period (see Tab. 3, Volkswagen, column 5, respectively 4). This is in line with what the corporation in a contribution to German weekly DIE ZEIT (ZEIT online, 2022) has proclaimed as their electrification strategy: “From 2033, Volkswagen want to build nothing but battery electric vehicles. VW brand director Thomas Schäfer thus advanced the previous goal. 110

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Until a few months ago, the car manufacturer wanted to exit the ICEV business step by step, between 2033 and 2035. […] Moreover, Schäfer announced a reorganization of the product range. Whereas the focus so far was on individual models, production plants from now on will rather be organized in vehicle platforms that override the brand strategy. At the same time, Schäfer takes another approach at reducing the cost- intensive model diversity. ‘Do less, but do it right,’ Schäfer said. VW intends to launch 10 new electric models until 2026. ‘From the entry-level electric vehicle with a target price of under 25,000 € […] to the new flagship ID.Aero – we will have a tailored offer in every segment,’ Schäfer stated.” (ZEIT online, 2022) The development of the procurement complexity index between 2019 and 2021 tells a different story, as it is still on the increase. Nevertheless, the policy of strengthening the “purely” electric share of models in the marketing mix is under way and obviously has procurement targets incorporated (i.e. the goal to reduce the cost-intensive multitude of models). In any case, the planned increase in the number of BEV models – from 4 now to 10 by 2026 – will result in a significant reduction of procurement complexity, as long as the other segments do not grow proportionally, which is not to be expected. Tab. 3: Procurement complexity index has started to drop at Mercedes-Benz, however, still rises at Volkswagen. (Own infographic. Data Source: Kraftfahrt-Bundesamt) Conclusion In order to create the basis for the measurement of procurement complexity, the model mix in the portfolio of four major German car manufacturers (AUDI, BMW, Mercedes- Benz, and Volkswagen) was researched. The analysis of the changes in the mix during the years 2019 to 2021, respectively 2022 in the case of BMW, that was partly made by applying a mathematical formula, yielded a clear picture of the manufacturers’ priorities regarding their respective e-mobility strategy. The calculated complexity index indicates what the procurement departments of the respective car manufacturer will have to expect when it comes to supplying drivetrain parts and components in the future. A low complexity index, as an absolute figure, means that the company offers a low number of different models, no matter of which category, and vice versa. As a relative figure, measured over time, the development of the individual index indicates the changes that were made in the respective manufacturer’s portfolio: the more component-intensive ICEVs and hybrid vehicles they offer, the higher their complexity index will rise, and vice versa, i.e. the more BEVs – they have significantly less parts 111

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and components in their drivetrains – their product mix contains, the greater is the chance that their complexity index will fall. 4. Bibliography AUDI AG. (2021). Ein Claim mit Geschichte: AUDI feiert 50 Jahre „Vorsprung durch Technik”. Available https://www.audi-mediacenter.com/de/pressemitteilungen/ein-claim-mit-geschichte-audi- from: feiert-50-jahre-vorsprung-durch-technik-14085. [2022-11-04]. BMW. (n.d.). Nachhaltigkeit bei BMW. Available from: https://www.bmw.de/de/topics/faszination- bmw/elektromobilitaet/nachhaltigkeit.html. [2022-11-12]. Daheim. (n.d.). Hybrid, Plugin-Hybrid und Elektroautos – wo liegt der Unterschied?. Available from: https://daheim-solar.de/2021/09/03/hybrid-plugin-hybrid-und-elektroautos-wo-liegt-der-unterschied/. [2022-11-06]. – Produkte der Statistik. KBA. (n.d.). Kraftfahrt-Bundesamt from: https://www.kba.de/DE/Statistik/produkte_der_statistik_pdf.pdf;jsessionid=6DAF582322F3A4EC9C 82552E33450AE6.live21303?__blob=publicationFile&v=76. Last update: 2023-01-20 [2023-01-26]. Schmidt, M. (2022). Mercedes stellt elektrischen SUV der E-Klasse vor. Stuttgarter Zeitung. 2022-10- https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.debuet-in-paris-mercedes-stellt- 10. Available elektrischen-suv-der-e-klasse-vor.455624b3-1457-42ce-be1a-979ec9963067.html?reduced=true. [2022-11-09]. Available from: ZEIT ONLINE. (2022). VW will ab 2033 in Europa nur noch E-Autos bauen. DIE ZEIT. 2022-10-26. https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-10/vw-elektroautos-keine- from: Available verbrennungsmotoren-ab-2033. [2022-11-06]. 112

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„Aktuelle Herausforderungen der Energieversorger in Deutschland“ M. Hausmann1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Energieversorger, Herausforderungen, Deutschland, Energielieferanten, Energiemarkt. ABSTRACT Die Energieversorger in Deutschland stellen die Versorgung mit Energie innerhalb Deutschlands sicher und verfolgen dabei staatlich vorgegebene Ziele. Der Markt der Energieversorger verfügt über eine Vielzahl von Einflussfaktoren. Diese ergeben sich aus unterschiedlichen Spannungsfeldern, die die Energieversorger umgibt. Aus den Spannungsfeldern und damit verbundenen Einflussfaktoren ergeben sich eine Vielzahl von Herausforderungen. Die sich aktuell ergebenen Herausforderungen werden innerhalb dieser Arbeit bestimmt und entsprechend ihrer Bedeutung sortiert. 1 Markus Hausmann; me@markus-hausmann.de 115

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1. Einführung Die deutsche Energiewirtschaft stellt in Deutschland den Vertrieb, Transport, Handel sowie die Lagerung und Erzeugung von Energie (PricewaterhouseCoopers GmbH, 2017, S. 4). Dabei unterliegen die Unternehmen des Marktes der europäischen und deutschen Gesetzgebung (Bundesministeriums der Justiz, 2005, S. 1ff.). Die Ziele der Unternehmen werden durch §1 des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes vorgegeben und bestehen aus drei Teilzielen. Das erste Teilziel ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit in Deutschland, was auf die Vermeidung von Energieengpässen abzielt (Bundesministeriums der Justiz, 2005, S. 11). Die sich hieraus ergebene Herausforderung besteht aus der Harmonisierung zwischen der Angebots- und Nachfrageseite der Energie (Linnemann, 2021, S. 18). Als zweites Teilziel ist die Wirtschaftlichkeit zu nennen, die sich auf die kostengünstige Versorgung von Privatkunden mit Energie sowie der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Energiewirtschaftsbranche zusammensetzt (Bundesministeriums der Justiz, 2005, S. 11). Das dritte Teilziel stellt die Umweltverträglichkeit bei der Bereitstellung von Energie dar (Bundesministeriums der Justiz, 2005, S. 11). Aus den Zielen ergibt sich eine mehrstufige Wertschöpfungskette von der Erzeugung von Energie, über den Handel, den Transport, die Speicherung, bis hin zum Vertrieb (Linnemann, 2021, S. 8ff.). Entlang dieser Wertschöpfungskette müssen unterschiedliche Unternehmen zusammenarbeiten, um den Endkunden mit möglichst sicherer, günstiger und umweltschonender Energie zu versorgen (Linnemann, 2021, S. 8). Ein Energieerzeuger produziert dabei die Energie, die an der Strombörse gehandelt, durch den Netzbetreiber transportiert und durch den Vertrieb an den Endkunden verkauft wird. Das Zusammenspiel der Unternehmen sowie die genauen Rollen und Aufgaben im Markt werden durch das Energiewirtschaftsgesetz geregelt (Hebel & Schoedel, Strommarkt im freien Wettbewerb., 1997, S. 522). In den 1990er Jahren wurden weite Teile des Marktes, wie etwa der Energievertrieb und der Handel, vollständig privatisiert (Schiffer, 2019, S. 12). Seitdem schafft der Staat nur noch die Rahmenbedingungen für den Markt und nimmt mithilfe von Gesetzgebung sowie Steuerpolitik Einfluss (Schiffer, 2019, S. 12). In der vorliegenden Arbeit werden die Rolle des Energievertriebs und dessen Herausforderungen genauer betrachtet. Eine gesamthafte Betrachtung des Marktes wäre aufgrund der Vielzahl an Rollen und derer individueller Herausforderungen nicht aussagekräftig. Energievertriebsunternehmen in Deutschland agieren in einem Spannungsfeld aus regulatorischem Druck, politischen Vorgaben und Ereignissen, Preisschwankungen des Energiemarktes und dem Wettbewerbsumfeld im eigenen Markt. Aufgrund dieser Punkte richten viele Energieversorger ihr Geschäftsfeld neu aus. Sie liefern nicht mehr nur Energie, sondern verstehen sich selbst als Energiedienstleister. 116

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Dieses Spannungsfeld kann zu einer Vielzahl von unterschiedlich ausgeprägten Herausforderungen führen. Das Ziel der Arbeit ist es, die konkreten Herausforderungen dieser Unternehmen zu benennen und deren Folgen einzuordnen. 2. Methode Die nachfolgenden Daten wurden durch die Befragung von 34 Führungskräften von Energieversorgern in Deutschland erhoben. Diese haben im Rahmen der Befragung, die für sie aktuell bedeutendsten drei Herausforderungen der deutschen Energieversorger benannt. Zusätzlich wurden die drei genannten Herausforderungen ihrer Kritikalität nach mit ein bis drei Punkten bewertet. Dabei stellen drei Punkte die höchste und eins die geringste Kritikalität dar. Die Werte eins bis drei durften dabei nur jeweils einmal vergeben werden. Die Befragungen fanden im Januar und Februar 2023 statt und wurden mithilfe von Videokonferenzen durchgeführt. Aktuelle Herausforderungen der Energieversorger in Deutschland Position Herausforderung Punktzahl 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Digitalisierung Neuausrichtung des Geschäftsmodells Nachhaltigkeit Gestaltung der Energiewende Preisstabilität Gesetzliche Regulierung Erhöhter Wettbewerb Aktuelle Energiekrise 49 36 32 21 18 18 15 9 Fachkräftemangel 9. Tab. 1: Aktuelle Herausforderungen der Energieversorger in Deutschland (Quelle: Eigene Darstellung) 3. Ergebnis / Erkenntnis 6 Die Auswertung der Befragungen zeigt, dass sich trotz des komplexen Umfelds, in dem sich Energieversorger bewegen, die aktuellen Herausforderungen auf lediglich neun beschränken: Digitalisierung (1), Neuausrichtung des Geschäftsmodells (2), Nachhaltigkeit (3), Gestaltung der Energiewende (4), Preisstabilität (5), Gesetzliche Regulierung (8) und Fachkräftemangel (9). (6), Erhöhter Wettbewerb (7), Aktuelle Energiekrise 117

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Die Verteilung der Prioritäten ist als eindeutig zu erkennen. Das Thema Digitalisierung wird als die aktuell größte Herausforderung für Energieversorger in Deutschland angesehen. Mit einem Abstand von 13 beziehungsweise 17 Punkten folgen die Neuausrichtung des Geschäftsmodells sowie das Thema Nachhaltigkeit. Dabei ist auffällig, dass die ersten drei Herausforderungen bereits mehr als die Hälfte der Gesamtpunkte ausmachen. Themen, wie die Gestaltung der Energiewende, Preisstabilität und gesetzliche Regulierung, die in direktem Zusammenhang mit den Zielen der Energieversorger stehen, werden ebenfalls als große Herausforderung angesehen. Geopolitische Ereignisse und demografische Entwicklung haben ebenfalls Einfluss auf die Herausforderungen, so sind die aktuelle Energiekrise, aufgrund des Ukraine Kriegs, sowie der Fachkräftemangel ebenfalls als Herausforderungen von Energieversorgern zu erkennen. Die größten Herausforderungen der Energieversorger in Deutschland hängen hauptsächlich mit langfristigen Entwicklungen, wie etwa der Digitalisierung, der Neuausrichtung des Geschäftsmodells und Nachhaltigkeit zusammen. Eine kurzfristige Lösung der Herausforderungen ist somit nicht zu erwarten. Vielmehr ist damit zu ihre Strategie entlang dieser Herausforderung erarbeiten. rechnen, dass Energieversorger Es ist noch zu prüfen, inwieweit sich die Herausforderungen gegenseitig beeinflussen und in wie weit die Herausforderungen gelöst werden oder, ob deren Lösung einen fortlaufenden Prozess darstellt. Zudem wäre zu untersuchen, inwieweit sich die Bewertung der Herausforderungen innerhalb der nächsten Jahre verschiebt. Besonders mit Blick auf den immer stärker werdenden Nachhaltigkeitstrend und den Geopolitischen Verwerfungen aufgrund des Kriegs in der Ukriene. 4. Literaturverzeichnis Bundesministeriums der Justiz. (2005). Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung . Berlin: Bundesministeriums der Justiz. Hebel, D., & Schoedel, J. (1997). Strommarkt im freien Wettbewerb. e & i Elektrotechnik und Informationstechnik, 522-527. Linnemann, M. (2021). Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. PricewaterhouseCoopers GmbH. (2017). Herausforderungen der Zukunft in der Energieversorgung meistern. PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Scharte, K., & Wall, W. (2018). Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung. Hannover: ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Schiffer, H.-W. (2019). Energiemarkt Deutschland. Wiesbaden: Springer FachmedienWiesbaden GmbH. 118

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„Verbreitung von Robotic Process Automation innerhalb deutscher Unternehmen“ M. Hausmann1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Robotic Process Automation, RPA; Verbreitung, deutsche Unternehmen, Automatisierung, Prozessautomatisierung, Prozessoptimierung. ABSTRACT Robotic Process Automation (RPA) ist eine Technologie zur Automatisierung von softwarebasierten Robotern. Diese nutzen, analog zu Menschen, die Benutzeroberfläche von Software. Geschäftsprozessen mithilfe von Der Einsatz von RPA bringt viele Vorteile mit sich. Diese können etwa Kostenersparnisse aufgrund der Verringerung der manuellen Arbeit der Geschäftsprozesse sein. auch Qualitätsverbesserungen innerhalb oder Die Verbreitung der Technologie innerhalb deutscher Unternehmen wird in dieser Arbeit untersucht. 1 Markus Hausmann; me@markus-hausmann.de 121

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1. Einführung Robotic Process Automation oder auch kurz RPA genannt ist eine Software, die zur Automatisierung von digitalen Geschäftsprozessen verwendet wird (Smeets, Erhard, & Kaußler, 2019, S. 8). Oft wird diese Software als softwarebasierte Roboter bezeichnet, da diese menschliche Interaktionen simuliert (Scheer, 2020, S. 118). Ein abgrenzendes Merkmal gegenüber anderer Automatisierungssoftware ist, dass die softwarebasierten Roboter mit Benutzeroberflächen von Anwendungen interagieren (Langmann & Turi, 2020, S. 5). Mit dem Einsatz von RPA können gesamthafte Geschäftsprozesse oder nur einzelne Teile automatisiert werden (Smeets, Erhard, & Kaußler, 2019, S. 8). Für den Einsatz von RPA ist keine Änderung an den bestehenden Systemen oder der technischen Struktur des Unternehmens notwendig (Scheer, 2020, S. 118). Wie andere Software auch, wird der Softwareroboter lediglich an einem Arbeitsplatz installiert (Langmann & Turi, 2020, S. 9). Wobei sich die Roboter aufgrund ihrer Lizenzausprägungen in zwei generelle Arten von Robotern unterscheiden lassen (Smeets, Erhard, & Kaußler, 2019, S. 9f.). Zum einen der unbegleitete Roboter, der BackOffice Tätigkeiten bearbeitet und innerhalb der IT-Struktur des Unternehmens, auf einer virtuellen Maschine, installiert wird (Smeets, Erhard, & Kaußler, 2019, S. 9). Das besondere Merkmal dabei ist, dass die Verarbeitung der Prozesse zentralisiert von einem Ort aus erfolgt (Langmann & Turi, 2020, S. 5f.). In der Praxis ist dies der am weitesten verbreitete Anwendungsfall. Die zweite Ausprägung von RPA sind begleitete Roboter, die auf dem jeweiligen Computer des Mitarbeiters installiert sind und interaktiv mit diesem zusammenarbeiten (Langmann & Turi, 2020, S. 5). Mensch und Roboter arbeiten hier aktiv zusammen, wobei Geschäftsprozesse zumeist teilautomatisiert werden (Scheer, 2020, S. 123). Häufig wird diese Variante für Geschäftsprozesse verwendet, die viele menschliche Entscheidungen enthalten. Der Roboter bearbeitet dann den eigentlichen Prozess und bereitet die Entscheidungen für den Mitarbeiter vor, der dann lediglich die Entscheidung trifft, auf deren Grundlage der Roboter die Bearbeitung fortsetzt. Die Gründe für den Einsatz von RPA sind dabei vielfältig. Wobei einer der wichtigsten Gründe die Reduktion manueller Aufwände bei der Durchführung von Geschäftsprozessen ist (PricewaterhouseCoopers GmbH, 2020, S. 15ff.). Zudem beschleunigt RPA die Abarbeitungsgeschwindigkeit der Prozesse und liefert die Ergebnisse immer in gleichbleibend hoher Qualität (Scheer, 2020, S. 120). Die Kosten zur Automatisierung von Geschäftsprozessen mit RPA sind geringer als bei der Automatisierung innerhalb von Systemen, durch die Entwicklung von Software (Langmann & Turi, 2020, S. 1). Hintergrund sind die bereits beschriebenen, nicht notwendigen Änderungen geringe Umsetzungsaufwände aufgrund der schnellen Umsetzbarkeit (Langmann & Turi, 2020, S. 9). den Bestandssystemen, an sowie Eine PWC-Studie zur Folge setzen bereits 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland RPA ein und weitere 34 Prozent sehen großes Potenzial durch einen möglichen Einsatz (PricewaterhouseCoopers GmbH, 2020, S. 6). Die Größe des 122

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Unternehmens ist dabei unerheblich, von großen Konzernen, bis zu kleinen Unternehmen wird RPA verwendet (Langmann & Turi, 2020, S. 1). Ziel dieser Arbeit ist es zu ermitteln, wie weit der Einsatz dieser Technik innerhalb der Unternehmen verbreitet ist, die RPA bereits als Werkzeug einsetzen. 2. Methode Die nachfolgenden Daten wurden durch die Auswertung von Interviews mit Führungskräften von 36 Unternehmen in Deutschland erhoben. Diese wurden nach der Verbreitung von RPA innerhalb ihrer Unternehmen befragt. Bei der Befragung wurden Führungskräfte von Unternehmen unterschiedlicher Größe befragt. Eine hier betrachtete Kennzahl ist der prozentuale Anteil an Fachbereichen, die bereits RPA im Einsatz haben. Als Kriterium der Verwendung von RPA wurde festgelegt, dass mindestens ein Geschäftsprozess innerhalb des jeweiligen Bereiches automatisiert sein muss. Mit Blick auf die unterschiedlichen Unternehmensgrößen und die damit einhergehenden verschiedenen Anzahlen von Abteilungen, wird bei der Darstellung der Ergebnisse in vier Kategorien unterteilt. Unternehmen, in denen weniger oder gleich 25 Prozent der Abteilungen RPA im Einsatz haben. Unternehmen, bei denen 26 Prozent aber weniger als 51 Prozent der Abteilungen RPA im Einsatz haben. Unternehmen, bei denen 51 Prozent aber weniger als 76 Prozent der Abteilungen RPA im Einsatz haben. Sowie Unternehmen, bei denen mindestens 76 Prozent der Abteilungen RPA im Einsatz haben. Als zusätzliches Kriterium zur Prüfung der Durchdringung der Unternehmen mit RPA, wurde im Rahmen der Interviews nach der Form der Umsetzung von Prozessautomatisierungen gefragt. Wobei in die Ausprägungen: Rein projektbasiertes Vorgehen, beginnender Regelprozess und vollständig etablierter Regelprozess unterschieden wird. Das projektbasierte Vorgehen beschreibt dabei die Umsetzung einer Prozessautomatisierung als je Prozess. Der beginnende Regelprozess beschreibt eine Konstellation, in der bereits erste Gremien und Rollen gebildet wurden, die die Automatisierung von Prozessen vorantreiben. Der vollständige etablierte Regelbetrieb beschreibt das Vorgehen bei der Automatisierung von Prozessen als einen fest verankerten Prozess innerhalb der Organisation. Die hier definierten Rollen werden dabei durch definierte Stellen ausgeübt und die Automatisierung ist Teil des Tagesgeschäfts. jeweils einzelnes Projekt Neben diesen Kennzahlen wurden die Führungskräfte zu der Art der Umsetzung von Prozessautomatisierungen mit RPA befragt. Dabei wurde in drei Ausprägungen unterschieden: Automatisierung durch externe Dienstleister, Automatisierung durch eigene Mitarbeiter und Automatisierung in Kooperation zwischen internen Mitarbeitern und externen Dienstleistern. Die Befragungen erfolgten mithilfe von Videokonferenzen und wurden im Januar sowie Februar 2023 durchgeführt. 123

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Verbreitung von RPA über die Abteilungen hinweg Anteil der Abteilungen, die RPA einsetzen in Prozent Unter 26 26 und unter 51 51 und unter 76 Über 75 Tab. 1: Verbreitung von RPA über die Abteilungen hinweg (Quelle: Eigene Darstellung) Anzahl Unternehmen 17 12 5 2 der Relativer Anteil Prozent 47,22 33,33 13,89 5,56 in Form der Umsetzung Form der Umsetzung Anzahl der Unternehmen Relativer Anteil Prozent in projektbasiertes Rein Vorgehen Beginnender Regelprozess Vollständig Regelprozess Tab. 2: Form der Umsetzung (Quelle: Eigene Darstellung) etablierter 13 14 9 36,11 38,89 25,00 Art der Umsetzung Art der Umsetzung Anzahl Unternehmen der 3 und Automatisierung durch externe Dienstleister 12 Automatisierung durch eigene Mitarbeiter Automatisierung in Kooperation zwischen internen Mitarbeitern externen Dienstleistern Tab. 3: Arten der Umsetzung (Quelle: Eigene Darstellung) 3. Ergebnis / Erkenntnis 21 Relativer Anteil in Prozent 33,33 8,33 58,33 Über die Verbreitung von RPA über die Abteilungen hinweg ist zu erkennen, dass annähernd die Hälfte der befragten Unternehmen RPA in maximal einem viertel der Abteilungen verwenden. Was für eine geringe Verbreitung innerhalb der Unternehmen spricht. Dies wird auch dadurch bestärkt, dass bei lediglich etwa 19,5 Prozent der befragten Unternehmen in der Mehrheit der Abteilungen RPA verwendet wird. Diese Erkenntnis lässt sich durch die Form der Umsetzung bestätigen. Etwa 36,1 Prozent der befragten Unternehmen nutzen RPA noch im Rahmen eines projektbasierten Vorgehens. Wohingegen 25 Prozent über einen etablierten Regelbetrieb für die Umsetzung von RPA-Prozessen verfügen. Dies spricht für eine geringere Durchdringung der Technik innerhalb der Unternehmen. An der Art der Umsetzung ist jedoch erkennbar, dass die befragten Unternehmen weiter an der Einbindung der Technologie arbeiten. Etwa 66,7 Prozent setzen auf eine 124

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interne Umsetzung der Prozesse, teilweise in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. Die Technologie hat somit eine geringe Durchdringung erreicht. Die Fähigkeit der eigenen Mitarbeiter Prozesse zu automatisieren spricht aber für ein Investment in die Technologie, was eine zukünftig höhere Durchdringung vermuten lässt. 4. Literaturverzeichnis Langmann, C., & Turi, D. (2020). Robotic Process Automation (RPA) – Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen. Wiesbaden: Springer Gabler. PricewaterhouseCoopers GmbH. (2020). Robotic Process Automation /RPA) in der DACH-Region. PricewaterhouseCoopers GmbH. Scheer, A.-W. (2020). Unternehmung 4.0. Wiesbaden: Springer Vieweg. Smeets, M., Erhard, R., & Kaußler, T. (2019). Robotic Process Automation (RPA) in der Finanzwirtschaft. Wiesbaden: Springer Gabler. 125

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„KRITERIENBILDUNG NACHHALTIGER TOURISTISCHER ENTWICKLUNG“ T. Hellwig1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgarien Keywords: Nachhaltigkeit, Nachhaltige Entwicklung, Tourismus, Leitbild, Kriterien, Messbarkeit. ABSTRACT Es existieren bereits zahlreiche Ansätze zur Bewertung und Analyse touristischer Angebote in Bezug auf Ihre nachhaltigen Auswirkungen. Während die wissenschaftlichen Ansätze aus den modelltheoretischen Überlegungen der nachhaltigen Entwicklung resultieren, werden praktische Ansätze eher aus Sicht der Produkte analysiert und entsprechend ihrer Auswirkungen auf die nachhaltigen Kernaspekte betrachtet. Dieser Artikel soll die verschiedenen Ansätze erläutern und anschließend die Ausarbeitung von wissenschaftlichen Kriterien in den unterschiedlichen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung verdeutlichen. Durch die hier stattfindende Auswahl der Kriterien und Indikatoren wird so zum Beispiel die Bewertung von Produktinnovation im Tourismus hinsichtlich der nachhaltigen Komponenten erst ermöglicht. 1 Thomas Hellwig; DE-25899 Niebüll, Gersteweg 10; mail@thomas-hellwig.de 127

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1. Einführung Die nachhaltige Tourismusentwicklung fußt auf den klassischen nachhaltigen Grundansätzen, z.B. von Meadows und im ´Brundtland-Bericht´. Die Kernthesen dieser Ansätze finden sich dementsprechend in den meisten wissenschaftlich begründeten Kriterien wieder (Meadows & Meadows, 1978/ UNWTO, 1999). Bereits 1993 veröffentlichte die Welttourismusorganisation, aufbauend auf den allgemein gehaltenen Definitionen zur nachhaltigen Entwicklung, eine Definition von nachhaltigem Tourismus: "Sustainable tourism is defined as a model form of economic development that is designed to improve the quality of life of the host community, provide a high quality of experience for the visitor, and maintain the quality of the environment on which both the host community and the visitor depend." (Baumgartner, Röhrer, 1998, S.35) Die Entwicklung dieser Kriterien in der Wissenschaft verläuft sehr vielschichtig, lässt aber verschiedene Grundansätze erkennen. Für den Tourismus im internationalen Kontext bilden verschiedene Deklarationen, von den unterschiedlichsten Institutionen der am Tourismus Beteiligten, die Basis für das Modell/ Leitbild des nachhaltigen Tourismus oder der nachhaltigen Tourismusentwicklung (Takase, 2005). Im ersten Schritt wird ein Modell gebildet, das Zielvorstellungen definiert, aus denen dann Kriterien, also Anforderungen zur Zielerreichung gebildet werden. Die formulierten Kriterien sind wiederum die Basis der in den nachfolgenden Tabellen dargestellten Indikatorenbildung (Altwegg, Roth & Scheller, 2003). Die so entstehenden Modelle entsprechen in ihrer Grundausrichtung den Ideen der allgemeinen nachhaltigen Entwicklung, werden aber im speziellen Fall der touristischen Produkte um institutionelle bzw. integrative Rahmenkomponenten erweitert. Diese Komponenten steuern das Zusammenspiel der ökologischen ökonomischen und sozialen Dimension (Henseling, 1999). Insgesamt betrachtet lassen sich verschiedene wissenschaftliche Modelle zur Evaluierung und Definition nachhaltiger Tourismusangebote aufführen, die alle einer Grundrichtung folgen. Für die weitere Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass sich innerhalb der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension sowie der institutionell/ integrativen Klammer, die Teilziele nachhaltiger Entwicklung als Kriterien vom eher allgemein gehaltenen zum speziellen ordnen lassen. Weiterhin ist eine Strukturierung der Kriterien nach Akteuren und möglich (Spangenberg, 2003/ UNWTO, 2004). 2. Methode In der touristischen Praxis zeigen sich sehr unterschiedliche Ausprägungen der nachhaltigen Entwicklung. Die Bandbreite reicht von der Einbeziehung des Leitbildes für nachhaltige Entwicklung in den unternehmerischen Planungsprozess bis zur detailgetreuen Abbildung und Auswertung der Reiseleistungen, hinsichtlich Ihrer Einflüsse auf ökologische, ökonomische und soziale Komponenten. Die Diskussion der verschiedenen Kriterien, hinsichtlich Ihrer touristischen Ausrichtung, beruht im Wesentlichen auf der Dreiteilung der Nachhaltigkeit in die oben dargestellten Bereiche. Die ökologische Dimension beschäftigt sich klassischerweise 128

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mit Auswirkungen auf die biologische Umwelt. Soziale Aspekte betreffen die bereiste Region und deren zum Teil langfristige Entwicklung. In der ökonomischen Sichtweise werden vor allem die Auswirkungen des Tourismus auf die wirtschaftlichen Kennzahlen, wie das Bruttosozialprodukt oder die Anzahl der Beschäftigten, betrachtet. Die Systematisierung der unterschiedlichen Ebenen, in denen eine nachhaltige Tourismusentwicklung betrachtet werden kann, ist eine wesentliche Voraussetzung zur späteren Definition von Kriterien. Die oberste Ebene stellt das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung dar. Inhaltlich wird das Leitbild durch Ziele konkretisiert, die Grundlage der Kriterienbildung sind. Die unterste Ebene besteht aus Indikatoren, mit denen sich die Erfüllung des einzelnen Kriteriums messen lässt. Wie in der nachfolgenden Abbildung verdeutlicht wird, bestehen Interdependenzen zwischen den einzelnen Dimensionen, Zielen, Kriterien und Indikatoren. Teil der ökologischen Dimension ist die Minimierung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Ressourcen. Aus ökonomischer Sichtweise wird dieses Ziel durchaus geteilt, wenn dadurch insgesamt der Einsatz und damit auch die Kosten, der eingesetzten Ressourcen verringert werden. Unter Berücksichtigung der angesprochenen Interdependenzen, die durchaus auch zu Zielkonflikten führen können, ergibt sich Abbildung 1. Leitbild Leitbild Dimension A Dimension B Dimension C Dimension A Dimension B Dimension C Ziel 1 Ziel 1 Ziel 2 Ziel 2 Ziel 3 Ziel 3 Ziel 4 Ziel 4 Kriterium 1 Kriterium 1 Kriterium 2 Kriterium 2 Kriterium 3 Kriterium 3 Kriterium 4 Kriterium 5 Kriterium 4 Kriterium 5 Indikator 1 Indikator 1 Indikator 2 Indikator 2 Indikator 3 Indikator 3 Indikator 4 Indikator 4 Abbildung 1: Ebenen der Leitbildkonkretisierung (Quelle: Eigene Darstellung) Grundlage der meisten wissenschaftlichen Modelle zur Evaluierung von nachhaltigen Entwicklungen und zur Überprüfung der Nachhaltigkeit einzelner Angebote sind modulare Systeme, die aus dem Leitbild die verschiedenen Thesen in eine Struktur zu gliedern versuchen. Becker. Job und Witzel konzipierten ein solches System, das zuerst so genannte Hauptziele definiert. Diese werden den 129

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entsprechenden Dimensionen des Leitbildes zugeordnet. Anschließend werden Teilzielebenen betrachtet, die das Hauptziel entsprechend beeinflussen können. Aus diesen werden dann weitestgehend messbare und überprüfbare Indikatoren entwickelt (Becker, Job & Witzel, 1996, S. 130). Auch in anderen wissenschaftlichen Betrachtungen wird von solchen Indikatorenmodellen gesprochen, u.a. bei Hopfenbeck, Zimmer, die ein so genanntes Warn- und Chancenmodell hinsichtlich einer Fremdenverkehrsregion definieren (Hopfenbeck & Zimmer, 1993, S. 113). An vielen Stellen verläuft die Diskussion in der Literatur entlang dieser Systematik, wenngleich Bezeichnungen und Einsatzgebiete variieren, und zielt auf die Gliederung der Modelle und Systeme in Bezug auf deren Ausrichtung und Überprüfbarkeit. Um das Entstehen solcher Modelle sinnvoll abzubilden, ist die bereits angesprochene Trennung von Theorie und Praxis unabdingbar. 3. Erkenntnisse Ökologische Kriterien in der Tourismuswissenschaft Die Betrachtung ökologischer Kriterien erscheint im Zusammenhang mit touristischer Entwicklung unabdingbar. Deshalb wird gerade die ökologische Dimension in vielen Modellen in den Vordergrund gerückt (Baumgartner, 2000, S. 1). Neben den allgemeinen Aspekten, die während der gesamten Reise bei den verschiedenen Leistungsträgern, aber auch allein durch das Verhalten des Touristen auftreten können, werden Bereiche wie Gästeaktivitäten, Infrastruktur, Verkehr, Beherbergung, Produktpolitik und Marketing von ökologischen Einflüssen berührt. Sicherlich lassen sich noch eine Reihe weiterer Bereiche nennen, die ebenfalls einzeln betrachtet werden könnten. Gleichzeitig muss jedoch, vor dem Hintergrund der Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit des Modells, eine gewisse, übergeordnete Gliederungsstruktur erkennbar bleiben. Wesentliche Grundziele der ökologischen Dimension sind die bereits aufgeführten Bereiche: Landschaftsnutzung, Rohstoff- und Ressourcenverbrauch, natürliche Nachwuchsrate, Mobilität und deren Auswirkungen, Anfall an Rest- und Abfallmengen. Auf dieser Grundlage lassen sich ökologische Oberziele und Kriterien definieren (Mages-Dellé, 2000). Oberziel Ressourcenverbra uch Infrastruktur Verkehr Gästeaktivitäten Unterkunft Verpflegung und Aktivitäten Produktpolitik 130 Kriterium Nachhaltige Nutzung Wohlstandindikator Indikator Bebauungsform Verkehrsmittelwahl, ÖPNV-Nutzung Besucherlenkung Energiesparmaßnahm en Unterkunftsanbieter Nutzung Lebensräume Nutzung ökologischer Destinationen natürlicher der Bettenzahl, Stockwerke Prozentualer Anteil des ÖPNV an der Gesamtreise Zahl der Besucher Abwassermenge Anteil der Naturnutzung bei Ausflügen etc. Anteil Gesamtproduktprogramm am

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Tabelle 1: Beispiele ökologischer Kriterien, Oberziele und Indikatoren (Quelle: Eigene Darstellung nach Baake, Brunswig & Hellwig, 2002) Aufbauend auf den o.g. Grundzielen lassen sich, für das touristische Produkt im Einzelnen, Kriterien und entsprechende Indikatoren zu deren Überprüfung benennen. An dieser Stelle erfolgt nur eine beispielhafte Betrachtung, da alle Kriterien und Indikatoren individuell auf das entstehende Produkt zugeschnitten werden müssen. Welche dann, hinsichtlich einer Verwendung im konkreten Einzelfall auf Eignung, zu überprüfen sind (Gebhardt, 2003). In Tabelle 1 werden, um die Vorgehensweise zu demonstrieren, Beispiele nach Oberthemen geordnet aufgezeigt und um exemplarische Indikatoren ergänzt. Die Darstellung verdeutlicht die verschiedenen Ebenen der Betrachtung und zeigt die bereits angesprochene Gliederung bzw. Strukturierung. Ökonomische Kriterien in der Tourismuswissenschaft Im Bereich der ökonomischen Kriterien ist das größte Diskussionspotenzial zu erkennen. Kritiker einer nachhaltigen Tourismusentwicklung in der Argumentation häufig den generellen Widerspruch von Ökonomie und Ökologie, als Grund zum Scheitern des Konzeptes einer nachhaltigen Entwicklung, an. Die wissenschaftliche Entwicklung hat diesen Konflikt teilweise überwunden und definiert Oberziele, die die ökonomische Seite des Tourismus hinsichtlich des Gedankens der Nachhaltigkeit erreichen muss. führen bei der Gerade ökonomischer Thematisierung nachhaltiger Tourismusangebote ist es von entscheidender Bedeutung, die Perspektive des jeweiligen Akteurs zu berücksichtigen. An dieser Stelle geht es in keinem Fall nur um die wirtschaftlichen Interessen der touristischen Leistungsanbieter. Allen in irgendeiner Form an dem Tourismus partizipierenden Gruppen, von Anbietern komplementärer Angebote bis hin zu staatlichen Institutionen, müssen eingebunden werden (McKenzie, Mohr & Smith, 2008). Ziele Anhand der in der Tabelle 2 dargestellten Beispiele wird die recht enge Betrachtung der ökonomischen Aspekte, der nachhaltigen Tourismusentwicklung, deutlich. Die wesentlichen Zielgrößen sind hierfür: • die Steigerung des Wirtschaftsfaktors Tourismus • die gerechte Verteilung des Gewinns auf alle am Tourismus Beteiligten • die Bevorzugung von wirtschaftlich weniger starken Anbietern • die Partizipation aller Akteure an den wirtschaftlichen Folgen des Tourismus. Oberziel Wirtschaftsfaktor Stabile Wirtschaft durch Kriterium den Tourismus Lokale Einflüsse Berücksichtigung lokaler Anbieter Wirtschaftsstrukt ur der Anbieter Wirtschaftstruktur der Region Stärkung der KMU Stärkung strukturschwacher Regionen der Indikator Arbeitsplatzindikator, Steuereinnahmen angebotenen Anteil Dienstleistungen von lokalen Anbietern Anteil Gesamtprodukt Wirtschaftsstärke der Region KMU der am 131

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Ökologische Steuerreform der Ökonomische Steuerung ökologischen Entscheidung Stellenwert der Ökologie bei der Regulierung/Steuerung der Märkte Tabelle 2: Beispiele ökonomischer Kriterien, Oberziele und Indikatoren (Quelle: Eigene Darstellung nach Kreilkamp, Hellwig 2003) Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der ökonomischen Dimension ist, neben der allgemeinen Sichtweise, vor allem die unternehmensinterne Zielgestaltung zu berücksichtigen. Hierbei stehen die klassischen Thesen aus dem Shareholder-Value und Stakeholder-Value-Gedanken im Vordergrund. Neben dem Ziel der langfristigen langfristige Stärkung hauptsächlich Gewinnmaximierung, Zufriedenheit der Mitarbeiter aber auch langfristige Existenzsicherung von großer Bedeutung (Schaltegger, 2000, S. 113 ff.). der Eigenkapitalrendite dabei sind Soziale Kriterien in der Tourismuswissenschaft Innerhalb der sozialen Dimension sind die Oberziele und die daraus abzuleitenden Kriterien relativ überschaubar. Die Problematik dafür liegt sowohl in der Formulierung von Oberzielen, als auch in der Präzisierung als Indikatoren zur Messung und Evaluierung der Kriterien. Messbare Größen, wie z.B. die Energiebilanz bei der ökologischen und der Anteil am Bruttosozialprodukt bei der ökonomischen Dimension, sind hier aufgrund der schweren inhaltlichen Fassbarkeit nicht realistisch (Kahneman, Krueger, 2006). Trotz der schwierigen Umwandlung von Kriterien in Indikatoren ist diese Dimension untrennbar mit der Grundstruktur eines Modells nachhaltiger Tourismusangebote verbunden. Große Auswirkungen durch den Tourismus ergeben sich in den bereisten Regionen gerade im sozialen Bereich. Hierzu lassen sich Beispiele, wie Thailand oder Brasilien anführen. Eine sehr schnelle und nur wirtschaftlich geprägte Entwicklung touristischer Zielregionen führt in besonderem Maße zu einer sich stark wandelnden Soziokultur (Baumgartner, Röhrer, 1998, S. 83ff.). Die Beispiele sozialer Oberziele und Kriterien zeigen die bereits angesprochene Problematik. An dieser Stelle weichen, je nach Sichtweise, die Indikatoren, aufgrund ihrer Subjektivität, deutlich voneinander ab. Die Auswahl der Beispiele muss daher unter Vorbehalt erfolgen. Kriterium Lebensqualität Oberziel Menschenrechte Abschaffung Zwangsarbeit Schaffung Lebensbedingungen Einfluss- Entscheidungsmöglichk eiten Politische Kontrolle besserer Indikator Messzahlen stark subjektiv Messung der Mitbestimmung von und Tabelle 3: Beispiele sozialer Oberziele, Kriterien, und Indikatoren (Quelle Eigene Darstellung nach Baake, Brunswig & Hellwig, 2002) 132

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Weitere Dimensionen der tourismuswissenschaftlichen Diskussion Neben den dargestellten Kerndimensionen Ökologie, Ökonomie und soziale Aspekte definiert die Tourismuswissenschaft weitere Dimensionen für die Umsetzung eines nachhaltigen Tourismus. Diese zusätzlichen institutionellen und integrativen Elemente werden in einigen Modellen getrennt betrachtet und z.B. als ethisch oder normativ bezeichnet (Freyer, 2011). Inhaltlich werden die Voraussetzungen beschrieben, die zur Zielerreichung der anderen Dimensionen vorhanden sein müssen. Generell lassen sich diese Aspekte in die klassische Sichtweise integrieren. Eine herausgelöste Darstellung erweist sich jedoch als sinnvoll, da somit Rahmenbedingungen beschrieben werden, die, losgelöst von den oben dargestellten Dimensionen, zu einer nachhaltigen Tourismusentwicklung beitragen. Gleichzeitig werden Aspekte benannt, die nicht in die beschriebene Dreiteilung einzuordnen sind, sondern ganzheitlich wirken, z.B.: • Entwicklung von neuen Strukturen der institutionellen Entscheidungsvorbereitung • Verwendung neuer Kommunikationsmedien zur Vernetzung der Beteiligten • Förderung von Innovationen • Offenheit des touristischen Konzeptes für neue Entwicklungen • Kritisches Hinterfragen der generellen Notwendigkeit und des spezifisch notwendigen Ausmaßes an Mobilität (Behrens & Siebenhüner 2004). 4. Literaturverzeichnis Altwegg, D. Roth, I. & Scheller, A. (2003). Monitoring der Nachhaltigen Entwicklung: MONET ; Schlußbericht. Methoden und Resultate. Bundesamt für Statistik. Neuchâtel. Baake, JW., Brunswig, S., Hellwig, T. (2002). 'Bestandsaufnahme der Kriterien des nachhaltigen Tourismus'. University of Lüneburg, Institute of Business Administration, Department of Strategic Management and Tourism Management. Working Paper for the joint project INVENT. Baumgartner, C. & Röhrer, C. (1998). Nachhaltigkeit im Tourismus – Umsetzungsalternativen auf regionaler Ebene. Wien. 1998. Baumgartner, C. (2000). Bewertungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeit im Tourismus. Wien. 2000. Becker, C., Job, H. & Witzel, A. (1996). Tourismus und nachhaltige Entwicklung: Grundlagen und für den mitteleuropäischen Raum; mit 8 Tabellen. Wissenschaftl. praktische Ansätze Buchgesellschaft. Darmstadt. Behrens, T. & Siebenhüner, B. (2004). Nachhaltigkeit im Bedürfnisfeld Mobilität: Ergebnisse einer Expertenbefragung. Univ., Oldenburg. Freyer, W. (2011). Tourismus-Marketing: marktorientiertes Management im Mikro- und Makrobereich der Tourismuswirtschaft. 7., überarb. und erg. Aufl.. Oldenbourg. München. Gebhardt, B. (2003). Nachhaltiger Konsum im Spannungsfeld zwischen Modellprojekt und Verallgemeinerbarkeit: Abschlussbericht. Stuttgart. Henseling, C. (1999). Soziale und ökonomische Nachhaltigkeitsindikatoren, U Eberle & R Grießhammer (eds.). Öko-Inst. Freiburg. Hopfenbeck, W. & Zimmer, P. (1993). Umweltorientiertes Tourismusmanagement: Strategien, Checklisten, Fallstudien. Verl. Moderne Industrie. Landsberg/Lech. Kahneman, D. & Krueger, AB. (2006). ‘Developments in the measurement of subjective well-being’, The journal of economic perspectives. American Economic Association. vol. 20. no. 1. pp. 3–24. Kreilkamp, E., Hellwig, T. (2003). Darstellung ökonomischer Bewertungskriterien. Working paper for the BMBF joint project INVENT. Lüneburg. 133

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Mages-Dellé, T. (2000). Umweltqualitätsziele für die Alpen: Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ‘Bergspezifische Umweltqualitätsziele’ der Alpenkonvention. Umweltbundesamt. Berlin. McKenzie Mohr, D. & Smith, W. (2008). Fostering sustainable behavior: an introduction to community- based social marketing. New Society Publishers. Gabriola Island. Meadows, D. & Meadows, DL. (1978). Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Rowohlt-Taschenbuch Verl.. Reinbek bei Hamburg. Spangenberg, JH. & Lorek, S. (2003). Lebensqualität, Konsum und Umwelt: intelligente Lösungen statt unnötiger Gegensätze. Gutachten. Friedrich-Ebert Stiftung. Bonn. Schaltegger, S. (2000), Wirtschaftswissenschaften. Springer. Berlin. Heidelberg. Takase, C. (2005). ‘Changing consumption and production patterns: the Marrakech process’. Natural resources forum. Vereinte Nationen. vol. 29. no. 4. 404–407. UNWTO (1999). Tourism Satellite Account (TSA) - The Conceptual Framework 1999. World Tourism Organization (UNWTO). Madrid. UNWTO (2004). Indicators of Sustainable Development for Tourism Destinations A Guidebook (English version) 2004. World Tourism Organization (UNWTO). Madrid. 134

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„Nachhaltige Unternehmensführung in der Wohnungswirtschaft: Wir sollten unsere Mietenpolitik als Baustein überdenken“ M. Henseler1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: forward rent, Henseler/Stieger-Modell, Vorwärtsmiete, Öko-Rente, Klima-Obulus ABSTRACT Dabei kommt der Im Rahmen nachhaltiger Unternehmensführung in der Wohnungswirtschaft wird es zukünftig darum gehen eine Umsetzung / Erreichung der vereinbarten Klimaschutzziele2045 zu forcieren und dabei ökologisch, ökonomisch und zudem ethisch vertretbar zu handeln. Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu. Umweltverbessernde Modernisierungen, Kosten der gewollten Transformation bedeuten sachlogisch auch einen immensen Finanzierungsbedarf, den es in der Wohnungswirtschaft zu stemmen gilt. Die Mieter, als letztliche Träger der Investitionen (neben den Vermietern), müssen aber auch „mitgenommen“ und in der Notwendigkeit überzeugt, werden - denn nur bei vertretbaren Belastungen sind Akzeptanz und damit gleichsam ethisches/soziales Handeln hybrid möglich. Es muss bezahlbar bleiben. Wie kann dies gelingen? Müssen wir unsere Mietengestaltung grundlegend reformieren? Bedarf es innovativer Mietmodellansätze? eine enorme Rolle 1 Michael Henseler, Körnerstr. 58, 58095 Hagen, henseler@ewghagen.de 137

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Zentrales Ziel der Klimaschutzpolitik ist die Minderung von Treibhausgasemissionen. Gemäß Informationen der Bundesregierung und deren Internetseiten hat Deutschland sich zum Ziel gesetzt, seine nationalen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent, bis 2030 um 55 % und bis 2045 um sogar 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu reduzieren (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022). Folgende Abbildung gibt den ersten, recht nahen, Zielkorridor wieder. Abbildung 1: Klimaschutzziele [3] Hinzu kommen die aktuell rasant verfolgten Ambitionen sich unabhängiger zu machen und die Transformation voranzutreiben. Deutschland will weg von fossilen Energieträgern und setzt mit Nachdruck auf regenerative Energien. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine hat noch einmal mehr gezeigt, wie abhängig der Westen bis dato von beispielsweise Gaslieferungen war. Und all Jenes bedeutet nun immens viel Kapitaleinsatz – und noch einmal viel rasanter als geplant. Auch Mieter werden künftig und bereits zeitnah absehbar deutlich höher mit Mieterhöhungen in der Folge belastet. Stand heute ist die klassische Mietengestaltung klar geregelt und wird seit Jahrzehnten in dieser Form konservativ betrieben. Es gibt Wirtschaftlichkeits-, Rentabilitäts- und andere Berechnungen, mit denen Mietenniveaus festgelegt werden. Die Fülle an Literatur ist groß. Anpassungen erfolgen dann zum einen durch die mietrechtlich zulässigen turnusmäßigen Erhöhungen an ortsübliche Mietspiegel oder aber individuell nach Modernisierungen (BGB 2022). Und so wäre es ggf. auch der jetzige Regelfall bei neuen, immens hohen Investments in mehr Klimaschutzmaßnahmen oder energetische Verbesserungen der Liegenschaften. In der Folge, selbst wenn Unternehmen mit staatlicher Hilfe, z.B. durch sogenannte KFW-Darlehen zinsgünstig finanzieren können oder Zuschüsse erhalten (KFW 2023), folgt sachlogisch nach Abschluss der Maßnahme eine gewisse Mieterhöhung. Auf die einzelnen Mieterhöhungsverlangen soll gar nicht konkret weiter eingegangen werden, da diese weitläufig bekannt sind. Das Mietrecht, welches es so als komprimierte Norm ja nicht gibt, sondern viele sich aus dem BGB und sonstigen Gesetzen Normen ableiten, sind sehr formal. Da wird u.a. von „Duldung“ gesprochen, 138

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Schauen wir kurz ein wenig in die Texte des BGB hinein. „Nach § 555d BGB hat der Mieter Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache, zur Einsparung von Energie oder Wasser oder zur Schaffung neuen Wohnraums zu dulden, es sei denn, dass die Maßnahmen eine für ihn nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten“ (BGB 2022) oder aber „Der Mieter hat ein Kündigungsrecht. Der Vermieter kann die Kosten der Modernisierung nach § 559 BGB umlegen“. (BGB 2022). Staatliche Instrumente und rechtliche Mietregelungen sind natürlich legitim und zu nutzen, fraglich jedoch, ob nicht auch hier mehr auf individuelle Verantwortung gesetzt werden kann, sollte und muss. Was mich beschäftigt ist primär die Akzeptanz bei den Mietern zu schaffen, deren Verständnis für die Maßnahmen und vor allem wie man ethisch bzw. sozial-verträglich mit diesen Stakeholdern umgeht und zu Eigenbeiträgen ermutigt – diese mitnimmt. Selbstverständlich entspricht es auch einer Ethik und Verantwortung der Unternehmen mit dem ehrenwerten Ziel der Klimaschutzverbesserung zu agieren oder aber auch Belastungen möglichst niedrig zu halten. Es besteht jedoch derzeit letztlich nur der eingefahrene, praxisübliche Weg der Mieterhöhung – sprich „Druck“. Daneben sollte es Alternativen geben. Die Politik, wenngleich in dem Dilemma, Klimaschutzziele nachdrücklich auch vehement verfolgen zu müssen, operiert dazu gedanklich ebenso mit andiskutierten Instrumenten wie z.B. einer Mietenbremse (also „Druck auf Wohnungsunternehmen bzw. den Markt), um Mietniveaus nicht zu sehr ansteigen zu lassen. Sie alle als Leser kennen die aktuellen Diskussionen oder vielleicht auch noch die fragwürdigen ersten Implementierungsversuche in Berlin (vgl. Anger, H. / Kersting, S., 2021). Dies wiederum bremst jedoch klimaaffine, verantwortliche Investoren eher aus, vermeidet kostspielige und enorm wuchtige Investitionen in den Klimaschutz und wirkt daher nachhaltig kontraproduktiv. Das Dilemma steigender Mieten – und natürlich sachlogisch noch steigender Mieten bei umfänglichem Klimainvestments ist allseits bekannt. Nehmen wir ein Beispiel für eine bisher, normale Mietentwicklung, wie wir sie kennen bzw. die momentane bundesweite Durchschnittssituation. Dies kann man mit jeder individuellen Miete bei Einzelprojekten nachprüfen oder aber anhand einer generalisierten Graphik des Statistischen Bundesamtes (Statista 2023) verdeutlichen. Diese veranschaulicht, wie die bisherige Entwicklung verläuft und sicherlich bei bestehenden Konstrukten konstant weiterlaufen würde. 139

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Abbildung 2: Entwicklung des Wohnungsmietindex [6] Wie sieht es nun aber parallel mit einer (weiteren) Investition (Modernisierung) aus, die erfolgen soll, um energetische Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen? Die Kosten für eine Maßnahme werden am Anfang sehr hoch sein, dann nach und nach tendenziell sinkend verlaufen, sich amortisieren bzw. diese irgendwann abgeschrieben sein – nehmen wir eine unterstellte triviale Abschreibungsgraphik. In der Regel ist im Anfangsjahr die Investitionsbelastung sehr hoch – mit den Jahren verringert sich diese jedoch gegen „Null“ und ist irgendwann die Maßnahme amortisiert. Abschreibung eines Investments 12 10 8 6 4 2 0 0 5 10 15 20 25 Abbildung 3: Abschreibung eines Investmnents - eigene Darstellung 140

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Investment Nicht so verhält sich jedoch die Mietenentwicklung, die im besten Fall tendenziell renditefördernd auf hohem Niveau weiterläuft, auch wenn die Investition sich selbst schon zum gewissen Anteil refinanziert hat. Legen Sie gedanklich also bitte einmal die Grafiken bzw. Entwicklungen übereinander. Man erkennt schnell, dass die Entwicklungen bei Betrachtung in längeren Zeiträumen völlig divergieren. Was meiner Auffassung nach noch zu wenig überdacht bzw. diskutiert wurde, ist eine grundlegende Reform bzw. kreative Neuausrichtung unserer Mietengestaltung. Warum sollte der Mieter nicht bei anfänglicher Investitionsnotwendigkeit mehr in die Pflicht genommen werden – später, bei amortisierten Maßnahmen umgekehrt aber auch davon profitieren? Es gibt sicher viele Mieter, die in jungen Jahren und voller Berufstätigkeit über ein höheres Einkommen verfügen als später im Rentenalter, wo eine Miete besonders belasten würde. Das Wohnungsunternehmen profitiert bislang allein von fortlaufend steigendem Mietniveau – warum nicht also auch der Mieter ebenfalls, wenn er zum Zeitpunkt „x“ sein eigenes tätigt und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, um später Vorteile dadurch zu haben? Ein gedanklicher Ansatz wäre hier eine von mir gedachte sog. „Vorwärtsmiete“ (Forward rent), die genau die bisherige Praxis mit Blick auf eine Nachhaltigkeit gänzlich umkehrt. Es ist quasi das Pendant zu den in der Immobilienbranche bereits seit ca.20 J. bekannten Forward-Darlehen (Wirtschaftslexikon Gabler 2021). Bei einem solchen sichert man sich zum Zeitpunkt „x“ bereits günstige Zinsen für eine Anschlussfinanzierung im Jahr „y“. Hier ginge man ähnlich revolutionär vor. Man sichert sich quasi Stand heute mit einem sog. Klima-Obulus bereits ein zukünftiges von Mieter akzeptiertes, zu zahlendes Mietniveau. Es entfallen Mieterhöhungsunwägbarkeiten, rechtliche Streitigkeiten der Umsetzung, womöglich Umzüge, Leerstände oder ähnliches in einem festgelegten Zeitraum. Damit bleibt es übrigens auch planbar und ökonomisch rechenbar. Im Fokus dabei steht eine mehrjährige Betrachtung mit Zeitkorridoren um die 20 J. und länger. Gedanklich möglich wäre hier eine Umkehr der Mietentwicklung ggf. möglich, wenn man es zulässt und erkennt, dass nämlich auch der Mieter profitieren soll und Klimaschutz eine gemeinsam zu tragende (bezahlende) Gesellschaftsaufgabe ist. Der Mieter wird schlussendlich aber Akzeptanz für intensivierte und teure Umweltmaßnahmen nur bejahen, wenn er auch einen gewissen individuellen Vorteil davon absehbar trägt. Andernfalls erhöhen wir den Unmut in der Bevölkerung, verdrängen Mieter aus altbewährten Wohnungen und schaffen soziale Konfliktpotenziale. Das der Mensch / jedes Individuum sich selbst verwirklichen bzw. abgesichert sehen will, ist eine lang nachgewiesene und nachvollziehbare menschliche Handlungsmaxime. Denken wir nur einmal dazu an die allseits bekannte Bedürfnispyramide nach Masslow und lehnen uns etwas daran an. 141

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Abbildung 4 kommentierte Bedürfnispyramide in Anlehnung nach Masslow, eigene Darstellung Nachdem die Grundbedürfnisse gedeckt sind, dann ein gewisser Wohlstand präferiert oder gesichert ist bzw. wird, werden erst „höhere“ Ziele angestrebt, wenn diese individuell sinnvoll anmuten und den Nutzen für ein Individuum plausibel erscheinen lassen. Um diesen Umstand kommt man nicht herum – also warum nicht offensiv angehen? Es wäre revolutionär, wenn sich Wohnungsunternehmen (sonst eigentlich eher nur für Sicherheit und Schutz durch adäquate Wohnungen für die ersten Bedürfnisstufen prägend zuständig) auch um einen Anreiz auf höherer Ebene beim Mieter bemühen. Und so könnte es funktionieren bzw. ausprobiert werden. Zumindest auf dem preisfreien Mietenmarkt. Das Wohnungsunternehmen erkennt eine ökologische Handlungsoption im Rahmen der Klimaschutzzielerreichungsabsicht und möchte diese zeitnah umsetzen. Dazu ist eine Menge Kapitalbedarf notwendig. Der Mieter muss also überzeugt werden. Wenn man dem Mieter nun avisiert einen gewissen „Klima-Obulus“ (ggf. neben einer möglichen Mieterhöhung) freiwillig on top zu tragen, könnte er im Gegenzug davon in späteren Jahren profitieren. Beispielsweise ist seine bisherige Miete 5,00 €/qm – läge nach Modernisierung bei 7,00 €/qm. Nun würde man einen freiwilligen Betrag von 1,00 €/qm on top setzen. Bezahlen würde er eine Grundmiete von 8,00 €/qm (zzgl. reden hier alleinig von der Grundmiete). Das Nebenkosten, denn wir Unternehmen/Mieter würden beide profitieren, dass nicht im Nachgang Finanzierungskosten auch noch mit bezahlt werden müssten. Über im selbst verantwortbaren Bereich der z.B. Heizverbräuche, könnte der Mieter bei den Nebenkosten indes auch sofort individuell sparen – und auch das Investment des Wohnungsunternehmens (z.B. auch modernste Heizung) hilft ihm da direkt. Es wäre also beidseitig Anreiz für eine Handlungsoption. Ein Wohnungsunternehmen hätte in diesem Fall ad hoc jedoch entsprechend mehr Kapital und kein Finanzierungsproblem, um geeignete und zum Stand heute teuren individuelle Einsparungen 142

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ja eine zügige Umsetzung und Maßnahmen zu ergreifen. Wir wollen alle Klimaschutzzielerreichung. Der Mieter wiederum trägt verantwortungsvoll (ethisch) zu mehr Umweltschutz bei – gewinnen auf lange Sicht werden sowohl Mieter, Umwelt aber auch die Unternehmen. Positiver Nebeneffekt wäre neben dem Klimaschutz auch das Bestehen langjähriger Mieter, denn diese sind im Sinne der Kundenbindung erwünscht und veranlassen zudem keine Kosten durch Wohnungswechsel oder Vermarktungskosten. Der Mieter profitiert nachhaltig von einem fixen, vereinbarten Mietniveau. Während andere Mieter später über turnusmäßige, praxisübliche Mieterhöhungen oder zumindest diese Optionen tendenziell immer mehr zahlen im Alter, hat der nachhaltig denkende Mieter per heute für später und für sich eine Mietniveaukonstanz bereits vereinbart und profitiert damit auch von seinem persönlichen Umweltengagement. Wie man es dreht – es wäre eine „Win-win“- Situation auf allen Seiten und nachhaltig gedacht. Diesen individuellen, im Vergleich zu anderen Mietern, eingesparten Betrag bzw. Beitrag bezeichne ich als sog. „Öko- Rente“. Diese ist definiert als die Einsparung des Betrages, welcher sich als Differenz zwischen aktuellem Mietniveau und vereinbarter forward rent (Vorwärtsmiete) ergibt. Meine Darstellung dazu möge den Ansatz bildlich darstellen. Abbildung 5 Zusammenspiel von Klima-Obulus und Ökorente / Henseler/Stieger-Modell, eigene Darstellung Dabei wäre es ggf. auch denkbar, dass man dem Mieter den Umfang eines persönlichen „Investments“ (je nach Geldbeutel) sogar freistellt. Wer heute ein gutes Einkommen hat, sich nachhaltig ein günstiges Mietniveau sichern will, der nimmt die im Beispiel genannten 8,00 € auch ggf. weitblickend in Kauf. Jeder Mensch denkt in gewisser Weise kaufmännisch. Dies wäre jedoch eine vom Unternehmen berechnete Mietgröße, die kalkulatorisch das Verhältnis jetzige Kapitaldeckung Unternehmen zu langfristigem Mietverzicht ökonomisch vorab berechnet austangiert. Wie sich so etwas errechnen lässt, wird u.a. weiterer Inhalt meiner Forschung sein. Und man könnte an noch weitere, differenzierte Modelle denken. Haushalte mit wenig verfügbarem Einkommen, die jedoch sich auch engagieren und sich Vorteile für später sichern wollen, könnten einen Klima-Obulus „light“ z.B. wählen und reinweg 0,25 €/qm z.B. extra entrichten. Für das Unternehmen bedeutet dies dennoch kleine Finanzbeiträge zum Startzeitpunkt – in Summe aber viel, für den Mieter entsprechend später ein Vorteil. Selbstverständlich müsste man dabei jedoch berücksichtigen, dass 143

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die Öko-Rente entsprechend dem persönlichen Investment dann auch kleiner sein muss als im Beispiel von 8 €, wo eine niedrigere Mietenkurve sonst den Bereich Ökorente lt. Skizze erhöhen würde. Funktionieren könnte dies jedoch mittels einer Rechengröße – z.B. ab einem Amortisationszeitpunkt y gäbe es anstelle eines konstanten Mietniveaus zumindest x € / qm Mietverzicht (im Verhältnis zu den Mehrzahlungen) gegenüber der dann ansonsten zulässigen Miete. Jetzt könnte man direkt kritisch einwenden, was denn wäre wenn der Mieter früh verstirbt und nicht mehr in Folgejahren profitieren kann? oder welche Ertragsaussichten beim Wohnungsunternehmen auf Jahre ausblieben. Dies wäre das beidseitige individuelle Risiko wie überall im Leben, welches man bei solchen Systemen hat. Nehmen wir die Rente, Sparinvestments usw. – auch da ist natürlich postum kein Vorteil mehr vorhanden. Wenn der Mieter frühzeitig auszieht profitiert er nicht mehr – allerdings gibt es auch keine Erträge mehr beim Wohnungsunternehmen – es würden Vermarktungskosten, Kosten der Neurenovierung etc. entstehen. Der Vorteil beiderseits liegt im Heute, wo im Sinne des Klimas quasi gesamtgesellschaftlich (Mieter und Unternehmen) gemeinschaftlich gehandelt wird. Alternativ wäre auch denkbar die Konstanz der vereinbarten forward rent auf eine befristete Zeit (z.B. 10 J. Nachwirkungsfrist nach Amortisation der Maßnahme) zu beschränken. Dann würde wieder eine Mieterhöhung danach generell denkbar – allerdings auf Basis dann der letzten Forward rent und nicht auf die dann schon woanders weitaus höher liegende Miete. Also immer noch ein nachwirkender Vorteil. Wie finde spannende und weiter zu entwickelnde Denkansätze. Erste Modellrechnungen zeigen, dass es neben dem ethischen und ökologischen Handlungsansatz auch ökonomisch „geht“. Letztlich käme eine solche Vorgehensweise auch besonders für Genossenschaften in Betracht, denn der satzungsgemäß verankerte „Fördergrundsatz“ wäre absolut vorbildlich umgesetzt. Wie kann man ein Mitglied besser fördern als ihm nachhaltig ein gutes Zuhause, klimafreundliches Wohnen und unter Selbstverantwortung sogar konstante Mietniveaus zu „versichern“. Letztendlich verhielten sich auch Klima- Obulus-Zahler außerordentlich genossenschaftlich solidarisch, da diese dem Unternehmen und Klimaschutzumsetzungsmöglichkeiten ermöglichen. Dies ist bislang nur eine Idee, kann aber möglicherweise ein effektiver Beitrag auch zur nachhaltigen künftigen Unternehmensführung werden. Denn auch hier gibt es mithin noch mehr zu tun. Namentlich nenne ich dieses skizzierte Modell insgesamt das „Henseler/Stieger- Modell“, warum? Eine Namensgebung für Modelle und Ansätze sollte klar, leicht verständlich und möglichst noch einen Hinweis auf die Herkunft des Verfassers geben. Des Weiteren gibt es die diversen Fachdialoge und Diskussion mit dem geschätzten meine Dissertation begleitenden Herrn Prof. Dr. Dr. Stieger wieder. Das Henseler/Stieger-Modell begründet also einen innovativen ersten, gedanklich praktikablen Baustein bzw. Ansatz zum „Umdenken“. Fragen können sich hieraus natürlich ergeben, wie man ggf. mit operativen, steuerlichen oder sonstigen Fragestellungen umgeht – diese Hürden sind jedoch sicher zu nehmen und Inhalt dann weiterer Forschungsarbeit. Letztlich sind Wissenschaft und Forschung aber nie endlich, abgeschlossen und vielmehr fortwährende, weiter zu entwickelnde Prozesse. Auf das Neuartige, die Diskussion, nachhaltiges Wirken den Fortbestand, ich 144

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die Suche nach neuen Wegen kommt es an. Nur wenn man in der heutigen Situation neue Denkansätze formuliert, gedanklich zulässt, weiterdenkt und bestenfalls innovative Modelle testet und implementiert wird man den herausfordernden Weg in der Wohnungswirtschaft bewältigen. Und das Mietmodelle Teil einer gänzlich neuartigen Form von nachhaltiger Unternehmensführung (neben Personalführung, wirtschaftlichen Ansätzen etc.) sind, ist meine grundlegende Überzeugung. Wir müssen aufgrund völlig geänderter Umwelt- und Rahmenbedingungen auch in der Wohnungswirtschaft gänzlich umdenken und werden mit den klassischen Mieterhöhungsoptionen wie bisher alleinig nicht mehr weiterkommen. Zeitnahes, aber auch mutiges und innovatives Handeln wird Teil der neuen Strategie werden müssen. Denn wir alle wollen die Klimaschutzziele bis 2045 und darüber hinaus erreichen, unsere Unternehmen, unsere Branche nachhaltig fortentwickeln. Unsere Umwelt wartet nicht und nur, wenn wir unsere Mieter / Kunden (ggf. mit persönlichen Vorteilsanreizen) mitnehmen, handeln wir ethisch, ökologisch wie ökonomisch gleichsam nachhaltig. Vergessen wir nicht, dass Wohnen ein Grundbedürfnis ist und uns umso mehr eine gewisse Verantwortung zusteht. Das betrifft vor allem auch das Wohnen im Alter, wo wir ebenfalls für die „Schwächsten“ (Rentner) eine soziale Lösung finden sollten und wozu ich ebenfalls derzeit forsche (Henseler 2022). Und dabei schaut auch Europa besonders gern einmal nach Deutschland, welches sich als Vorreiter in Klimafragen seit Jahren sieht, denn hier gibt es derzeit auch die meisten Regularien im Mietsektor. Insbesondere z.B. osteuropäische Nachbarländer könnten neue wissenschaftliche Ansätze nutzen, ggf. sogar Genossenschaften gründen und von solchen Umsetzungs- und zugleich Finanzierungsmöglichkeiten ebenfalls profitieren. Es ist also an der Zeit umzudenken. Im ersten Schritt ist dieser Ansatz noch Theorie und bedarf einer inhaltlichen Konkretisierung. Um eine Erforschung dieses Ansatzes im Markt sowie Bereitschaft bei Marktakteuren (und es gibt dazu durchaus Bereitschaften) kümmere ich mich derzeit im Rahmen meiner Dissertation. Literaturverzeichnis Anger, H. / Kersting, S. (2021), Verfassungsrichter kippen Berliner Mietendeckel – Kläger triumphieren, unter: Handelsblatt https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/urteil-verfassungsrichter-kippen-berliner- mietendeckel-klaeger-triumphieren/27097522.html [abgerufen am 07.04.2022) Abrufbar vom 15.04.2021 [online]. BGB (2022), Bürgerliches Gesetzbuch, [online], Abrufbar unter: https://www.gesetze-im- internet.de/bgb/ [abgerufen am 01.04.2022] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022), [online]. Abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-deutsche- klimaschutzpolitik.html [abgerufen am 01.04.2022] Henseler, M. (2022): Wie wir unseren Älteren eine Mietobergrenze beim Wohnen gewähren könnten - Ein ethisches Mietmodell für die Wohnungswirtschaft in Borsch, Keppler, Kremsmair, Stieger (Hg): Konferenzband Wien Frühjahr 2022, Völker Verlag Hamburg, ISBN 3-940020-39-7, Verlagsnummer ISBN 13 Prüfziffer: 978-3-94002039-0 KFW (2023), Kreditanstalt für Wiederaufbau, [online], Abrufbar unter: https://www.kfw.de/kfw.de.html, [abgerufen am 26.04.2023) Statista (2023), [online]. Abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/70132/umfrage/mietindex-fuer-deutschland-1995- bis-2007/ [abgerufen am 27.02.2023] Wirtschaftslexikon Gabler (2021),[online], Abrufbar https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/forward-darlehen-34351,[abgerufen 02.02.2021] unter: am 145

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„Strom wird zur neuen Abhängigkeit führen“ M. Henseler1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Klimaschutz, Dekarbonisierung, Stromabhängigkeit, Mieterstrom, regenerative Energie, Klimapfad ABSTRACT In Deutschland, wie in allen anderen europäischen Staaten, stehen enorme Herausforderungen in punkto Klimaschutz und künftiger Energieversorgung an. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat gezeigt, wie fragil die bisherige Versorgung mit Gas und Erdöl ist. Des Weiteren gibt es die europäische wie nationale Zielsetzung, dass eine Klimaneutralität bis 2045 erreicht und die Dekarbonisierung zum Schutz des Klimas vorangetrieben werden soll. Immens hohe Herausforderungen, die auch zum Umdenken, aber auch zu Finanzierungsproblemen in der Wohnungswirtschaft Anlass geben. Doch machen wir uns mit „überall“ Strom tatsächlich unabhängiger oder steuern nicht vielmehr in eine neue Abhängigkeit? 1 Michael Henseler, Körnerstr. 58, 58095 Hagen, henseler@ewghagen.de 147

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1. Einleitung Die vereinbarten Klimaschutzziele der Bundesregierung für 2045 und die der Europäischen Union stehen und auch die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist gehalten sich daran zu orientieren und individuelle Lösungen zu suchen. Deutschland hat den sog. „Green-Deal“ zur Vermeidung der weiteren Erderwärmung unterzeichnet. Das Pariser Abkommen beschreibt die europäischen Klimaschutzziele 2045 ergänzend. „Bei der UN-Klimakonferenz in Paris (Frankreich) im Dezember 2015 einigten sich 197 Staaten auf ein neues, globales Klimaschutzabkommen. Das Abkommen trat am 4. November 2016 in Kraft, nachdem es von 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der globalen Treibhausgase emittieren, ratifiziert wurde. Mittlerweile haben 180 Staaten das Abkommen ratifiziert (Stand September 2018), darunter auch die Europäische Union (EU) und Deutschland (Ratifikation am 5. Oktober 2016)”. (BMWI, Klimaschutzabkommen Paris, 2023) Mit dem Europäischen Klimagesetz, das ein Element des europäischen Grünen Deals ist, soll das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 in der Gesetzgebung verankert werden. Im Dezember 2020 erzielten die EU-Umweltministerinnen und -minister eine Einigung über eine allgemeine Ausrichtung zu dem Vorschlag der Kommission für ein Europäisches Klimagesetz. Dies beinhaltet auch ein neues Ziel der EU für die Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen, nämlich um mindestens 55 % bis 2030 im Vergleich zu 1990, entsprechend den Leitlinien des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2020. (Europäischer Rat, 2023) Zentrales Ziel der Klimaschutzpolitik von Treibhausgasemissionen. Gemäß Informationen der Bundesregierung und deren Internetseiten hat Deutschland sich zum Ziel gesetzt, seine nationalen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent, bis 2030 um 55 % und bis 2045 um sogar 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu reduzieren. Auf der Internetseite der Bundesregierung heißt es dazu: die Minderung ist „Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. (Bundesregierung, 2023) Die Notwendigkeiten zum Klimaschutz und zu einer Dekarbonisierung bestanden also bereits vor dem 24.02.2022. Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wurden die Voraussetzungen einmal mehr verschärft. Plötzlich fehlt in Deutschland, und im Rest Europas, ausreichend und günstiges Erdgas. Und Deutschland ist davon besonders betroffen, denn der Energieverbrauch Deutschlands ist in großen Teilen von Importen aus Russland abhängig. Das zeigt die Statista-Infografik auf Basis von Daten des Ifo-Instituts.“ Deutschland will also so schnell als möglich die Transformation schaffen. Dabei wird aktuell diskutiert über die Wege, über Verbote von Gas- und Ölheizungen. Propagiert werden Wärmepumpen als Lösungen, die jedoch wiederum Strom benötigen. 148

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Abb. 1 Importe aus Russland (Quelle: https://de.statista.com/infografik/27312/energieverbrauch-deutschlands-nach- energietraeger-und-anteil-der-importe-aus-russland/) verfügbar Statista, unter: Vor diesem Hintergrund müssen einmal mehr neue Wege gedacht und Versorgungssicherheiten gefunden werden. Und all das inmitten der ohnehin grundsätzlichen Neuausrichtung in Richtung regenerative Energieträger. Dieser Beitrag soll darlegen wie der aktuelle Stand in der Wohnungswirtschaft ist und wie man nun an die zukunftsweisende Wende herangeht. Daneben soll aber auch die provokante Frage erlaubt sein, ob Strom das neue Allheilmittel sein kann bzw. wie man mit der „neuen Abhängigkeit von Strom“ umgeht. 2. Methode Über Branchenkenntnisse, eigenen Erhebungen der Branche, unter Ausnutzung der Erkenntnisse aus einer empirischen Untersuchung im Rahmen der Dissertationsarbeit sowie der unternehmenseigenen Vorgehensweise wurden Daten und Erkenntnisse ermittelt. Daneben erfolgte eine Internetrecherche. In allen Führungsetagen der Wohnungswirtschaft hat die Arbeit derzeit richtig Fahrt aufgenommen. Jedes Unternehmen ist für sich gehalten einen eigenen Klimapfad zu entwickeln, um die politischen Vorgaben zu erfüllen. Dabei ist genau zu prüfen, wann und wie man ggf. eine Änderung der Beheizungsart vornimmt, welche CO2- Einsparungen durch zusätzliche energetische Maßnahmen wie Wärmedämmung, Fenster etc. zu erreichen sind bzw. wie all Jenes überhaupt wirtschaftlich von statten gehen kann. In meinem Fall (der EWG Hagen eG) ist es so, dass wir noch zu ca. 149

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76 % von fossilen Energieträgern abhängig sind. Folgende Abbildung gibt einen Überblick darüber. Abbildung 2 Energieträger 2020 (Quelle: eigene Darstellung) Es stellen sich aktuell besonders Fragen der Machbarkeit und Umsetzung in den einzelnen Liegenschaften. Dort, wo ggf. bereits Zentralanlagen bestehen, könnte man die Leitungen hybrid nutzen und andere Heizungsträger ggf. verbauen (z.B. Holzpelletanlagen). Dort wo ggf. Gasetagenheizungen vorgehalten werden, ist der Aufwand ggf. bereits deutlich höher – will man hier moderne Wärmepumpen als Energieträger zum Einsatz bringen müssen überall neue Stränge und Heizkörper letztlich eingebracht werden. Sinnvoll wären z.B. Fußbodenheizungen. Und dies Alles ggf. noch im bewohnten Zustand mit immensen Beeinträchtigungen der Mieter. Anschließend werden diese zusätzlich noch belastet durch entsprechende Modernisierungskostenanteile – ein weiteres Problem. Abhängig wäre man dann zukünftig auch bei der Wärmeversorgung von Strom. Auch im Verkehrssektor werden jegliche Bestrebungen aktuell unternommen, um auf Elektromobilität umzuschwenken. Dies ist unter Klimagesichtspunkten sicher notwendig und sinnvoll, aber begeben wir uns mit Strom nicht in eine neue, viel stärkere Abhängigkeit? All Jene E-Autos verbrauchen ohne Ende andere Ressourcen/seltene Erden für Batterien. Schon heute haben wir weltweit diesbezüglichen Rohstoffmangel. Unsere Infrastruktur für all diese Fahrzeuge ist zudem erst millionenschwer aufzubauen und dann fährt jeder nur noch elektrisch? Bei ehrlicher Betrachtung muss man am Ende des Tages zu tatsächlich der Auffassung einer erneuten, massiven Abhängigkeit kommen. Die neue Abhängigkeit heißt dann eindeutig Strom. Selbst Wärmepumpen oder aber Holzpelletanlagen mit automatisierter Zufuhr von Pellets via Zuführungsgebläse müssen über Strom versorgt werden. Die Herstellung von regenerativen Strom bedingt die kommenden Jahre erst milliardenschwere Investitionen und die müssen und werden sich irgendwie im Strompreis abbilden. 150

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Und wenn alle Fahrzeuge bestenfalls mit Strom fahren sollen, hängt nicht nur der Autofahrer ganz individuell auch kostentechnisch vom Strompreis ab, sondern auch jeder Bewohner / Mieter / Eigentümer. Und da geht es los. Die online-Plattform statista hat jüngst ermittelt, wie teurer Strom im EU-Vergleich derzeit bereits ist. „Dänemark und Deutschland gehören laut Eurostat gemeinsam mit Portugal zu den drei Ländern mit einem Steuer- und Abgabenanteil von über 50 Prozent – in Dänemark sind es sogar über 60 Prozent. Malta hat mit nur sechs Prozent den geringsten Anteil. Im Durchschnitt lagen die Steuern und Abgaben europaweit bei 37 Prozent.“ (Statista, Strompreisvergleich EU, 2023) Die folgende Grafik spiegelt die Zahlen wieder: Abbildung 3 EU-Vergleich Strom (Quelle: https://de.statista.com/infografik/18096/eu-strompreisvergleich/) 151

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2023, verfügbar Abbildung 5 Durchschnittlicher Haushaltskundenstrom (Quelle: unter: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Bilder/DE/Sachgebiete/Energie/Verb raucher/Strompreiszusammensetzung.png;jsessionid=C2C1E6F8AD97B5210C9CA3 874FC815E4?__blob=poster&v=8) Bundesnetzagentur Wir müssen also paradoxerweise Alles tun was Stromsparen generell ermöglicht, uns da weiterbringt und gleichzeitig Alles tun, um möglichst viel Strom selbst zu generieren bzw. eine valide Stromversorgung regenerativ zu attraktiven Preisen herzustellen. Ich möchte gerne sechs Handlungsoptionen vorstellen. Mieterstrom Eine Möglichkeit wäre als Genossenschaft selbst „Mieterstrommodelle“ auszuprobieren. Dabei würde über eigene Solaranlagen auf dem Dach Strom vor Ort produziert und konsumiert. Jedoch gibt es eine Fülle von Regularien, die derzeit noch etwas einen flächendeckenden Ansatz behindern. Insbesondere die Rechtsform einer eG – eingetragene Genossenschaft, hat neben der ggf. eigenschaft als Stromliferant noch steuerliche Fallstricke zu bewältigen. Einen Überblick zu der Thematik erhält man beispielsweise auf der Homepage der Bundesnetzagentur (Bundesnetzagentur, 2023) Möglichkeit zwei wäre ein Rahmenabkommen / ein Kooperationsmodell mit einem Dritten, z.B. den lokalen Stadtwerken abzuschließen. Diese würden investiv tätig und würden das Mieterstrommodell vor Ort übernehmen. Die Genossenschaft an sich ist dann „nur Mittler“ und stellt ggf. per Pacht die Dächer zur Verfügung. Vorteilhaft wäre, das Wartung, Pflege und Instandhaltung beim Versorger liegen – und auch ein Investment des Unternehmens selbst unterbleiben kann, steuerliche Probleme 153

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vermieden werden und man sich dadurch auf andere energetische Maßnahmen des individuellen Klimapfades konzentrieren kann. Eine weitere Idee wäre eine Art „Energiegenossenschaft“ zu gründen. Dies kann sowohl lokal, aber auch überregional erfolgen. Ggf. macht es sogar Sinn, wenn sich mehrere Wohnungsunternehmen zusammenschließen und diesbezüglich „Kräfte bündeln“. Dann könnte auch entsprechend Know-how und Alltagserfahrung mit einfließen. Gemeinsam könnte man Quartiersbezogene Anlagen errichten oder unterhalten, um günstigen Strom mehrheitlich zu erzeugen. Die vierte Idee wäre mit einem Stromanbieter klassisch mehrjährige Preisabkommen zu treffen. Auch hier empfiehlt es ich mit ggf. mehreren Akteuren, z.B. einer lokalen Arbeitsgemeinschaft von Wohnungsunternehmen, vor dem Hintergrund einer besseren Marktmacht, zu verhandeln. Der 5 Ansatzpunkt ist ein direktes Involvieren der Mieter. Hier könnte man eine Art Stromberatung implementieren. Der Mieter erhält Tipps zum Stromsparen oder aber man installiert sogar einfach handhabbare Steckdosengeräte, die den Stromverbrauch vor Ort individuell messen. So hat der Mieter auch eine konkrete, leicht verständliche Kontrollmöglichkeit, spart im besten Fall selbst Strom und würde über die technische Ausstattung eine Förderung seitens der Genossenschaft bekommen. Abrunden könnte man ein solches, mietereigenes Engagement noch durch eine Art „Stromspar- Award“. Mieter, die ggf. deutlich weniger verbrauchen als früher (gegen Nachweis der Abrechnung ggf. belegbar) könnten einen Mietenbonus für besonders ökologisches Verhalten erhalten. Auch so kann Wohnungswirtschaft Stromsparen anreizen, ohne großes eigenes Investment. Ansatzpunkt 6 wäre den Mietern den Einsatz einer sog. Balkon-PV-anlage zu ermöglichen. Dabei wird per Solarkollektoren direkt auf dem Balkon Solarstrom genutzt und via Stecker zum Direktverbrauch vorgesehen. Aber auch dabei sind Regularien zu treffen (spannung, Anschluss, Montage usw.), die jedoch lösbar sind und so de rmieter individuell auch zum Sparen von Regulärstrom ermutigt werden könnte. Diese Möglichkeiten befinden sich derzeit bei uns in der Entwicklung. Neben diesen 6 Ansatzpunkten ist aber auch grundsätzlich bei künftigen Umbauten, Modernisierungen und Sanierungen immer auf das Gebot „Stromsparen“ zu achten. Das kann schon die energiesparende LED-Lampe im Keller, Solarstromlampen im Wohnumfeld als auch ggf. stromsparende Anlagen in der Gebäudetechnik sein. All Jenes trägt aber in der Konsequenz dazu bei unseren Energiebedarf zu senken – und darauf kommt es an, um die neue Abhängigkeit „abzumildern“. Jedes Individuum muss sich letztlich klarmachen, dass Strom letztlich immer mehr zum Luxus wird und wir „sparsamer“ damit umgehen müssen. Und je mehr wir es schaffen uns „nicht zu sehr abhängig zu machen“ vom Strom, umso besser auch für den individuellen Geldbeutel. Für die Wohnungswirtschaft sehe ich hier grundsätzlich zwei neue Wirkungsbereiche – nämlich, so möchte ich diese einmal nennen, eine sog. „Ökologisierung“ der Wohnanlagen und eine neue, „ökologische Kommunikation“ und Teilhabe gegenüber und mit Mietern. 154

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Zum Teil sind diese Dinge bereits bei mir in eigener Verantwortung umgesetzt oder befinden sich in der Pilotphase (Stichwort Balkon-PV, Präsenzberatung). Zum einen kann man auch Außenanlagen mit Solarlampen beleuchten – es entfallen Kosten für Erdarbeiten, Erdkabel und letztlich dann im Betrieb auch Stromkosten. Des Weiteren betreiben wir eine Schrankenanlage mit Solar auf einem Parkplatz. Auch hier entfallen bereits regelmäßige Stromkosten für den täglichen Betrieb. Des Weiteren kann ggf. auf eine bei sehr gedämmten Gebäuden manuelle Fensterfalzlüftungen gesetzt werden, sodass stromverbrauchende Lüftungsanlagen in Gebäuden obsolet werden. Eine weitere Idee ist die Nutzung von Kleinwindanlagen auf einem Garagendach, um die stromfressende Lüftungsanlage ggf. damit zu ersetzen oder die erwähnte Balkon- PV-Anlage. Mieter erhalten von uns einen individuellen „Stromcheck“ mit Tipps in der Wohnung vor Ort, um deren individuellen Verbrauch zu senken, Alles Dinge, wo man anfangen kann sich von regulärer Stromnutzung unabhängig zu machen. 3. Ergebnis / Erkenntnis Fangen wir also an und werden zukünftig noch kreativer und lösen uns von der neuen abhängig machenden „Droge“ Strom. Es klingt zwar paradox und scheint mittweilen kontraproduktiv, aber bei immer mehr Umbauten, Nutzung neuer strombasierter Technologie, immer mehr allgemeiner Stromabhängigkeit müssen wir uns auch primär um ein adäquates Stromsparen und damit Loslösung von vermeidbarem Strom bemühen. Forschung nach technologieoffenen Alternativen Doch die Politik zielt derzeit leider fast ausschließlich auf eine Versorgung mit Strom. Zu lesen war jüngst im Münchner Merkur „Habeck will Öl- und Gasheizungen komplett verbieten - auch bestehende Anlagen im Visier des Ministers“ (Walker, 2023). Seither wird dies in der Öffentlichkeit debattiert. Die „neue“ Abhängigkeit von Strom, das aussprechen von Verboten bei fossilen Energien, das nicht intensivierte Forcieren von (z.B. Biogase, Wasserstofflösungen) wird uns irgendwann aber nach meinem Verständnis zum selben Verhängnis werden, wie wir dies mit Gas und Erdöl derzeit leidlich erfahren haben. Mit der aktuellen politischen Vorgabe zur Gebäudesanierung und damit einher Wärme- und Energieversorgung – dem alleinigen Setzen auf Strom dabei - werden wir zwangsläufig viele Jahrzehnte künftig abhängig sein vom Strom – obgleich wir Alles tun müssen, um diesen Verbrauch zu senken. Eine Katastrophe wäre es nach milliardenschweren Investitionen dann, wenn man wie bereits auf anderen Feldern der „es war halt eine historische Politik dann Fehleinschätzung“. Also bereits mehr Rationalität, Technologieoffenheit und Vernunft an den Tag legen – nicht Alles auf die Karte Strom setzen. irgendwann eingestehen muss sollte man heute 155

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4. Literaturverzeichnis BMWI, Bundesministerium für Klima und Umweltschutz. (2023). [online], verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-von-paris.html [abgerufen am 11.01.2023] (2023). [online], verfügbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg- Bundesregierung. de/themen/klimaschutz/klimaschutzgesetz-2021-1913672, [abgerufen am 12.01.2023] Bundesnetzagentur. (2023). [online], verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/Energie/Vertragsarten/Mieterstrom/start.html, [abgerufen am 11.01.2023] Rat. verfügbar [online], (2023). Europäischer https://www.consilium.europa.eu/de/policies/climate-change/eu-climate-action/, 11.01.2023] EWG Hagen. (2023). [online], www.ewghagen.de [abgerufen am 16.01.2023] Henseler, M. (2023). Vorstandsvorsitzender EWG Hagen eG, www.ewghagen.de Wirtschaftsdienst verfügbar [online], (2023), [abgerufen unter: am unter: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/13/beitrag/die-strompreise-der-zukunft.html, [abgerufen am 13.01.2023] Walker, A. (2023). Habeck will Öl- und Gasheizungen komplett verbieten - auch bestehende Anlagen im Visier des Ministers, verfügbar unter: https://www.merkur.de/wirtschaft/oel-gasheizungen- wirtschaftsministerium-gesetz-habeck-gruene-verbot-news-zr-92113805.html, am 05.04.2023] [abgerufen 156

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„Die Notwenigkeit einer gesundheitserhaltenden und gesundheitsfördernden Schulpraxis“ C. Hilber1 Keywords: Lehrpersonen, Gesundheitserhaltung und -förderung, Achtsamkeit, Arbeitszufriedenheit, Belastungen, Stressoren und Motivatoren. ABSTRACT (Hilber, 2021) zur Die vorangegangene Untersuchung der Autorin Gesundheitserhaltung und -förderung von Lehrpersonen und Schulleitungen, die zur Erreichung des Masterabschlusses durchgeführt wurde, gab Aufschluss über die Belastungsniveaus von Lehrpersonen als auch Schulleitungen im Kanton SG in der Schweiz. Zeitgleich zeigte die Studie in der differenzierten Betrachtung eine unterschiedliche Wahrnehmung der Situation bei den Schulleitungen. Die geplante Dissertation baut auf den Erkenntnissen der Untersuchung auf und basiert auf arbeitspsychologischen Modellen und Konzepten. Ziel ist es, das Arbeitsumfeld der Schule zu analysieren und damit Stressoren und Motivatoren zu identifizieren. Damit soll es gelingen, konkrete Handlungsempfehlungen zu erstellen, die nachhaltig und praktisch angewendet werden können. Dabei soll die besondere Situation der Lehrpersonen im Schulsystem berücksichtigt werden. Es werden Forschungsanasatz, Vorgehen und zu erwartende Ergebnisse vorgestellt. 1 Claudia Hilber, Niederwil, Schweiz, cl.hilber@bluewin.ch 159

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1. Einleitung In der Abschlussarbeit zur Erreichung des Masters of Education führte die Autorin (Hilber, 2021) dieser Veröffentlichung eine quantitative Studie zur Stressbelastung von Lehrpersonen als auch Schulleitungen im Kanton St.Gallen in der Schweiz durch. Ziel war es, die Kenntnisse der Schulleitungen über die Gesundheitserhaltung und - förderung zu erfassen und welche Massnahmen zur Gesundheitsförderung tatsächlich eingesetzt werden. Zusätzlich wurde auch das Belastungsniveau der Lehrpersonen erfasst. In den Ergebnissen wurde ersichtlich, dass die befragten Schulleitungen (N = 97) das Potenzial der Gesundheitsförderung nicht effizient ausschöpfen, obwohl diese vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist. In der Untersuchung der Autorin konnte festgestellt werden, dass Fehltage zunehmen, während die Leistungsfähigkeit sinkt, wenn die Gesundheit der Lehrpersonen suboptimal ist. Diese wird vor allem durch zu hohe Arbeitsbelastung und Überstunden, Entgrenzung der Arbeit durch nicht trennscharfe Abgrenzungen zwischen der Arbeitswelt, der Freizeit und dem Privatleben, der Schulkultur sowie der Schulsysteme, aber auch durch die Gestaltung des Arbeitsplatzes belastet. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass ein wichtiger Faktor bei der Anwendung von Massnahmen zur Gesundheitserhaltung und -förderung die interne Kommunikation ist, welche zwischen Schulleitung und Lehrpersonen, den Lernenden und deren Eltern sowie ausserhalb der Schule mit den Finanz- und Kontrollorganen stattfinden muss. Daher wurde als Lösungsansatz empfohlen, die Netzwerktätigkeit der Schulleitungen zu erhöhen, um den Informationsfluss über die Gesundheitsförderung zu verdichten. Weiterhin wurde empfohlen, Massnahmen zur Stärkung der Resilienz der Lehrpersonen häufiger gezielter anzuwenden oder zu etablieren. In diesem Sinne sollen die Achtsamkeit, Beobachtungsgabe sowie Selbstwirksamkeit und Selbstfürsorge gestärkt und die Belastung reduziert werden. 1.1 Ausgangslage von Schweizer Lehrpersonen hervor, Die Ergebnisse der Untersuchung spiegeln die Erkenntnisse aus Forschung und Psychologie wider. Bereits 2014 brachte die Studie des Nationalfonds zu Beanspruchungsfolgen dass Arbeitsüberforderung, Arbeitszufriedenheit, Depressivität und Burn-out konzeptionell und statistisch zusammenhängen. Dabei gaben 21,5 % der Lehrpersonen an, ständig überfordert zu sein und es zeigte sich, dass weibliche Lehrpersonen eher von Burn- out betroffen waren als das männliche Kollegen. In einer Studie des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (2016) wurde weiterhin festgestellt, dass das Fehlen von Rückzugsmöglichkeiten, klar abgegrenzten Arbeitszeiten sowie individuellen Pausen das Wohlbefinden der Lehrpersonen erheblich reduziert. Psychosoziale Belastungen, welche beispielsweise durch ausgeprägte emotionale Leistungen im beruflichen Alltag entstehen, werden als Hauptfaktoren für Unwohlsein identifiziert. Was dazu im Vergleich zu anderen Berufsgruppen überdurchschnittlich häufig an Erschöpfungsdepression (Burn-out) leiden. führt, dass Lehrpersonen 160

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Generell kann ein hoher Stresslevel in der Bevölkerung festgestellt werden (Job- Stress-Index, 2020). Fast ein Drittel der Arbeitnehmenden fühlte sich in der Umfrage emotional erschöpft und gestresst, womit sie im kritischen Bereich liegen. Ausfälle wegen Erschöpfung und Erkrankung sorgen für hohe Kosten für die Arbeitgebenden und schüren die Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Insbesondere im Lehrberuf können Fehltage für enorme Probleme sorgen, bezüglich Aufrechterhaltung der Qualität von Lehr- und Lernprozessen, den Auswirkungen auf den Lebensalltag, und die Tagesstruktur. Zudem entstehen dadurch nicht nur hohe finanzielle Kosten, sondern die anderen Lehrpersonen werden zusatzbelastet, da sie für die ausgefallene Person einspringen müssen. Ferner muss berücksichtigt werden, dass sich der gesellschaftliche Blick auf das Berufsbild von Lehrpersonen stark gewandelt hat und heute eher einem Kultur-, Gesellschafts- und Sozialberuf mit bürokratischen Tätigkeiten entspricht. Lehrpersonen sind nicht mehr ausschliesslich für die Wissensvermittlung da, sondern nehmen vermehrt auch kultur-, gesellschafts- und sozialspezifische Verantwortungen wahr. Zusätzlich für bürokratische Tätigkeiten gestiegen (Schaarschmidt 2007; Nieskens 2006; Sieland 2006; Bauer 2009; Kunz et al. 2014). Die Lehrpersonen sind demnach einem ständigen Veränderungsprozess ausgesetzt und konfrontiert mit wandelnden Ansprüchen in Bezug auf den Arbeits-, Lern- und Lebensraum. Die steigenden Anforderungen an Lehrpersonen sorgen für spezifische Belastungen. Denn Lehrpersonen nehmen zudem verschiedene Rollen gegenüber Eltern, Lernenden, Schulleitung, Behörden und anderen Bezugsgruppen ein, was zu einer multikausalen Beziehungsgestaltung und deren Pflege führt, mit sehr unterschiedlichen Interessen, Konflikten und Herausforderungen. 1.2 Problemstellung ist der Aufwand In einigen Studien stehen daher wirtschaftliche Gründe für eine Gesundheitspolitik im Vordergrund: Kosten sollen vermieden werden. Dies ist nachvollziehbar, da die Schweiz eines der weltweit teuersten Gesundheitssysteme hat, mit geringster Aussicht auf Stagnation oder gar Reduktion der Kosten (swissinfo.ch, 2023). Mittlerweile betragen die Kosten für das Gesundheitssystem über 12 Prozent des Brutto-Inlands- Produkts (BIP), was die Staatskassen und Privathaushalte sehr belastet. Nach Angaben des Bundesamts für Statistik beliefen sich die Gesamtausgaben für Gesundheit im Jahr 2019 auf über 82,5 Mrd. CHF. In diesem Kontext steht die Frage im Raum, ob Investitionen in ein umfangreiches Gesundheitsmanagement die Kosten für Fehltage und Ausfälle ausgleichen. Doch diese Frage kann nicht einfach auf finanzieller Ebene beantwortet werden. Es kann gesagt werden, dass die Gesundheit von organisatorische Rahmenbedingungen, Raumparameter, Unterrichtsstörungen, die Vermischung von Freizeit und Privatleben sowie durch die Wahrnehmung von Schülerinnen und Schülern negativ beeinflusst wird (Achermann et al., 2018). An diesen ursächlichen Faktoren sollte daher angeknüpft werden, wenn es um die Erhaltung der Gesundheit von Lehrpersonal geht. Der Bildungsbereich gehört in der Schweiz zum Tertiärsektor der Wirtschaft, dem Dienstleistungssektor. Daher liegt auch hier eine gewisse Erwartungshaltung an den Staat bezüglich qualitativ hochwertiger und innovativer Angebote in der Schule vor. Lehrpersonen Zeitdruck, durch die Faktoren 161

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können Schulen jedoch werden. nicht Die die betrachtet Dies betrifft indirekt auch die Gesundheit der Lehrpersonen, da mit angeschlagener Gesundheit die Leistung sinkt, sind Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität nachvollziehbar. Daher ist die Gesundheitserhaltung von Lehrpersonen ein wichtiger Bestandteil der Erziehung und Bildung. Aufgrund von Struktur und System des Bildungssektors einzelne wie Wirtschaftsunternehmen verschiedenen Bildungsdepartemente delegieren mit ihren Standards und Reglementen an die Schulleitungen unterschiedliche Aufträge. Innerhalb des Systems sind die Möglichkeiten der Schulleitung zu Innovation und Entwicklung allerdings begrenzt und müssen im Rahmen der staatlichen Vorschriften stattfinden. Dies hat zur Folge, dass auch gesundheitspolitische Massnahmen nur eingeschränkt implementiert werden können. Auf der anderen Seite übernimmt der Staat die Verantwortung für die Rahmenbedingungen in Bildung und Forschung und ist dazu verpflichtet, die Richtlinien des Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO, 2021) umzusetzen. Das SECO liefert über Wegleitungen klare Aussagen zur Arbeitsmarktpolitik und zum Arbeitnehmerschutz. Diese Richtlinien beinhalten unter anderem die Gesundheit der im Staat angestellten Personen, also auch der Lehrpersonen. Der Staat zeigt demnach ein hohes Interesse daran, dass Lehrpersonen gesund bleiben. Dennoch werden laut vorangegangener Studie der Autorin (Hilber, 2021) kaum Massnahmen und Angebote zur Gesundheitserhaltung und -förderung tatsächlich genutzt. Die verschiedenen Belastungen und die eingeschränkten Möglichkeiten zur Entwicklung und Verbesserung der Situation bringen Lehrpersonen vermehrt dazu, ihre Anstellungsverfügungen aufgrund von gesundheitlichen Gründen zu kündigen und damit ihren Beruf aufzugeben (Bieri, 2006; Sandmeier et al., 2018). Dies hat nicht nur Folgen für die betroffene Person, sondern auch für den Staat als Arbeitgeber, für den Arbeitsmarkt und letztlich für die Lernenden, deren Ausbildung qualitativ an Wertigkeit verliert. Bereits seit Jahren liegt ein Mangel an Lehrpersonen vor (Eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz, EDK, 2021), was wiederum dazu führt, dass die vorhandenen Lehrpersonen höheren Belastungen ausgesetzt sind. Die Rekrutierung von nicht ausgebildete Quereinsteigern als alternativen Weg, ist gemäss dem Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) wenig zielführend, da der Unterricht oft nicht stufengerecht und kaum individualisiert ist. Zudem haben die Quereinsteiger meist die Belastungen des Lehrberufs unterschätzt, was die Gefahr des Ausbrennens erhöht. 1.3 Forschungsfrage Bei der Entwicklung der Forschungsfragen lagen daher zwei Annahmen zugrunde: 1. Einflussfaktoren, wie Lehrpläne, Führungsverhalten, Organisationsstrukturen im oder Prozesse, haben die Gesundheitserhaltung und Schulkontext beeinflusst. -förderung 2. Situative und personale Ressourcen führen zu weniger Belastungen. Durch Präventions- und Interventionsmassnahmen lassen sich die übermässigen psychischen Belastungen abbauen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Die Forschungsfrage für die vorliegende Dissertation wurde wie folgt formuliert: Welche Möglichkeiten bestehen in der Schweiz, die Gesundheitserhaltung und - förderung im schulischen Kontext nachhaltig zu implementieren? 162

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In diesem Sinne sollen mit der Untersuchung die folgenden Fragen beantwortet werden: 1. Welche Veränderungen in der Gesundheitserhaltung und -förderung sind nach Wahrnehmung der Lehrpersonen eingetreten? 2. Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung der Wirksamkeit der Massnahmen zur Gesundheitserhaltung und -förderung zwischen Lehrpersonen und Schulleitungen? Welche sind dies? 3. Wie muss ein Konzept gestaltet sein, damit die eingeleiteten Massnahmen ihre Wirkung entfalten können? 4. Welche anderen Faktoren, beispielsweise Lehrpläne, Führungsstil, den beeinflussen Prozesse oder Organisationsstrukturen Verbesserungsprozess? 5. Welche Belastungen und Ressourcen sind für Lehrpersonen bedeutsam? 2. Forschungsansatz interpretativ vorgehen, Für die geplante Dissertation ist ein quantitativer Forschungsansatz vorgesehen. Die quantitative Forschung gilt grundsätzlich als objektbezogen. Während die qualitativen Ansätze eher ist dieser Forschungsansatz bemüht, Erklärungen und Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung zu identifizieren. Typisch für diese Vorgehensweise ist die laborähnliche Umgebung, in der die Befragungen stattfinden – im Gegensatz zur qualitativen Forschung, die in einem natürlichen Rahmen durchgeführt wird. Auch werden die Ergebnisse in Datenform statistisch ausgewertet. Das Ziel ist es, menschliches Verhalten in Form von Modellen, Zusammenhängen und numerischen Daten so genau wie möglich zu beschreiben und vorhersagbar zu machen. Die quantitative Forschung sammelt theoriegeleitet Daten, dies entspricht einem deduktiven Vorgehen. Dabei müssen diese Daten den Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität entsprechen. Vorgesehen ist eine Befragung von Schulleitungen und Lehrpersonen. Im Fokus stehen die Ergebnisse der Masterarbeit der Autorin (Hilber, 2021), nach denen aus Sicht der befragten Lehrpersonen keine Verbesserungen durch Massnahmen der Gesundheitsförderung hervorgerufen worden sind, nach Ansicht der Schulleitungen allerdings schon. Eine anschliessende Studie soll nun Aufschluss über die Gründe dieser Lösungsansätze herauszuarbeiten. Aufbauend auf den Ergebnissen aus der Studie soll ein Ratgeber zur Reduzierung negativer psychosozialer Einflussfaktoren erstellt werden. Die Inhalte sollen auf die Faktoren Prävention, Reduzierung der psychosozialen Belastungen und Reflexion aller betroffenen Stakeholder (Schulleitung, Lehrperson, Eltern etc.) eingehen. Ziel ist es, eine gesundheitserhaltende und gesundheitsfördernde Schulpraxis zu schaffen. unterschiedlichen Wahrnehmungen geben, um 3. Vorgehen Um die gesetzten Ziele der geplanten Untersuchung zu erreichen und die Forschungsfragen nebst Subfragen umfangreich beantworten zu können, sollen 163

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Modelle und Konzepte aus der Arbeits- und Organisationspsychologie herangezogen werden. In diesem Kontext kommen zwei grundlegende Modelle infrage: das Modell zur Arbeitszufriedenheit von Bruggemann (1974) sowie das Zwei-Faktoren-Modell von Herzberg (Herzberg, Mausner, & Snyderman, 1959). In den überwiegenden Fällen treten eine hohe Stressbelastung und Unzufriedenheit im Beruf gemeinsam auf. Allerdings ist Arbeitsunzufriedenheit keine Voraussetzung und nicht zwingend erforderlich für eine hohe Stressbelastung und ggf. Erschöpfungsdepression. Es gibt durchaus zufriedene Menschen im Berufsleben, die sich selbst als ausgebrannt bezeichnen würden (Knauder, 1996, S. 36). Abbildung 1: Arbeitzufriedenheitsmodell nach Bruggemann (1974) Im Falle der Lehrpersonen sind oft die Menschen, mit denen sie im beruflichen Leben in Kontakt stehen, Grund für die schwierigen Situation. Als Reaktion werden Eltern oder Lernende von der Lehrperson nicht mehr als Subjekte, sondern als Objekte gesehen, womit die Dimension der Dehumanisierung beschrieben wird. Dies ist ein Abwehrmechanismus, um die problembehaftete Situation erträglicher zu machen oder gar zu verschleiern. Das ist der Beginn eines Erschöpfungsprozesses, was von Bruggemann als Pseudo-Arbeitszufriedenheit bezeichnet wird (Barth, 1992). tatsächliche Erschöpfung Ein Aspekt, worin sich Arbeitsunzufriedenheit und voneinander unterscheiden, ist, dass Arbeitsunzufriedenheit jeden Beruf betreffen kann, hingegen bei einer Erschöpfungsdepression hauptsächlich Berufe infrage kommen, in denen mit anderen Menschen zusammengearbeitet wird, wie zum Beispiel im Schulkontext (Barth, 1997). Der Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Burn-out ist hier insofern gegeben, dass, je grösser die Belastung durch die Arbeit empfunden wird, desto geringer die Zufriedenheit ist. 164

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«Es wird davon ausgegangen, dass eine Lehrer, der vielen Stressoren und wenigen Motivatoren in seiner Arbeit ausgesetzt ist, höchst Burnout gefährdet ist. Andererseits wird ein Lehrer, dessen Arbeit von wenigen Stressoren und wenigen Motivatoren gekennzeichnet ist, in geringem Masse vom Ausbrennen bedroht sein.» (Barth, 1997, S. 69) Zu den Demotivatoren Zur Analyse der Stressoren und Motivatoren kann die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg (1966) herangezogen werden. Die Zwei-Faktoren-Motivationstheorie ist inzwischen zu einer der am häufigsten verwendeten theoretischen Rahmenwerke in der Arbeitszufriedenheitsforschung geworden. Für Herzberg et al. (1959) sorgten die Motivatoren für Arbeitszufriedenheit, während ein Mangel an Hygienefaktoren Arbeitszufriedenheit hervorrief. Zu den Motivatoren gehören zum Beispiel Anerkennung, die Arbeit an sich, Verantwortung, Entwicklungsmöglichkeiten und persönliches Wachstum. gehören Bürokratie, Arbeitsbedingungen, Arbeitsbeziehungen, Status, Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit. Diese sogenannten «Satisfier» (Motivationsfaktoren) und «Dissatisfier» (fehlende Hygienefaktoren) sind dynamisch, stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander, unterliegen einem starken Wandel und sind auf die Arbeitnehmenden bezogen. Bestimmte Zufriedenheits- oder Unzufriedenheitsfaktoren können je nach persönlichem und beruflichem Kontext wichtiger sein als andere. Werden diese Faktoren ausreichend berücksichtigt, führt die Verbesserung der äusseren Arbeitsumstände lediglich zu einem Wegfall von Unzufriedenheit, jedoch nicht automatisch zur Zufriedenheit. Wohingegen Motivatoren jene Faktoren sind, die wirklich eine Motivationskraft freisetzen (Schreyögg & Koch, 2010). Um die genauen Stressoren und Motivatoren im Lehrberuf zu untersuchen, kann auch das Job Characteristics Model (JCM) von Hackman und Oldham (1980) herangezogen werden. Das Modell besteht aus drei Teilen: Tätigkeitsmerkmale, psychologische Erlebniszustände und Auswirkungen auf die Arbeit (van Dick & Stegmann, 2007). Das Job Characteristics Model geht davon aus, dass die psychologischen Erlebniszustände nicht direkt im Individuum verändert werden können, weshalb die Veränderung der Arbeit bei den Tätigkeitsmerkmalen ansetzen würde. Hackman und Oldham (1980) gehen zudem von zusätzlichen Moderatorvariablen aus, die, sobald sie eine hohe Ausprägung besitzen, die Beziehung zwischen den Tätigkeitsmerkmalen und der Motivation stark beeinflussen. Bezüglich der Vielfältigkeit der Tätigkeit sind die Lehrpersonen an ihre Schule gebunden und an den Ausbildungsschwerpunkt, welcher gewählt wurde. So kann es sein, dass eine Lehrperson, die ausschliesslich ein bestimmtes Fach unterrichtet, ihre Tätigkeit als weniger vielfältig und abwechslungsreich wahrnimmt als eine andere Lehrperson, die mehrere Fächer unterrichtet. Dementsprechend kann aber auch eine Klassenlehrperson, die eine Klasse vom ersten bis zum letzten Schuljahr durchweg begleitet, die Arbeit als ganzheitlicher empfinden als eine Lehrperson, welche lediglich einzelne Fächer unterrichtet (van Dick & Stegmann, 2007). Die geplante Doktorarbeit erfordert daher einen genauen Blick auf die Tätigkeitsmerkmale und die Arbeitsumgebung der Lehrpersonen, um zu analysieren, an welchen Stellschrauben angesetzt werden kann, um die Situation zu verbessern. Dazu ist es notwendig, die Art der Arbeitsunzufriedenheit und die konkreten Stressoren der Lehrpersonen zu filtern und einen Rückgriff auf den Effort-Reward-Imbalance – 165

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Fragebogen zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen (ERI) nach Siegrist, (1996) vorzunehmen. Auf der anderen Seite dürfen die Motivatoren nicht vernachlässigt werden. Eine Verstärkung der Motivatoren kann zu einem besseren Wohlbefinden der Lehrpersonen führen. Die Erkenntnisse sind notwendig, um nachhaltige und effektive Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten, die in der Praxis einfach angewendet werden können. Weiterhin empfiehlt sich ein Blick auf vorliegende wissenschaftliche Studien aus verschiedenen Disziplinen. Aus wissenschaftlichen Datenbanken sollen Artikel gefiltert werden, die sich mit dem Thema Lehrergesundheit und Stressoren im Lehrberuf befassen. Dazu werden wissenschaftliche Datenbanken genutzt, wie zum Beispiel PsycArticles, Science Direct und EBSCO. Dabei wird darauf geachtet, dass die Paper in qualitativ hochwertigen Journals erschienen und peer-reviewed sind. Das Thema Lehrergesundheit ist ein viel untersuchter Bereich und durch die Literaturauswertung soll ein gesamthafter Überblick über die Forschungslage erreicht werden. Der Fokus soll jedoch auf deutschsprachigen Studien liegen, um die Zusammenhänge mit ähnlichen Schulsystemen nachzuvollziehen. 4. Erwartete Ergebnisse Aufbauend auf der vorangegangen Masterarbeit der Autorin (Hilber, 2021) und der aufgeführten Studien zur Arbeitszufriedenheit von Lehrpersonen, werden ähnliche Ergebnisse auch in der geplanten Doktorarbeit erwartet. Die aufgeführten Studien haben bereits gezeigt, dass Lehrpersonen auf verschiedene Weise belastet sind. Ebenso wird erwartet, dass die Resultate deutschsprachiger Studien zum Thema Lehrergesundheit und Stressoren vergleichbare Zusammenhänge aufzeigen. Die Dissertation soll jedoch als Weiterentwicklung betrachtet werden, in der die vorliegenden Ergebnisse zur Vertiefung des Forschungsgegenstandes genutzt werden, um konkrete Modelle und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. 5. Literaturverzeichnis Baeriswyl, S., Krause, A., Kunz Heim, D. (2014). Arbeitsbelastungen, Selbstgefährdung und Gesundheit bei Lehrpersonen - eine Erweiterung des Job Demands-Resources Modells. Empirische Pädagogik, 2, 128–146. Barth, A. R. (1992). Burnout bei Lehrern. Hogrefe Verlag für Psychologie, Göttingen Bauer, K.-O. (2009). Pädagogische Selbstwirksamkeit und Burnoutprävention. In: Kliebisch, U./Meloefski,R. (Hrsg.): LehrerGesundheit. Anregungen für die Praxis. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 59-72 Bieri, T. (2006). Lehrpersonen: Hochbelastet und trotzdem zufrieden? Bern: Haupt. Bruggemann, A. (1974). Zur Unterscheidung Verschiedener Formen von Arbeitszufriedenheit. Arbeit und Leistung, 28, 281–284. Gesundheitsförderung Schweiz (2018). Job-Stress-Index 2018. Kennzahlen zum Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz. Faktenblatt 34. Herausgeberin: Gesundheitsförderung Schweiz. Herzberg, F. I., Mausner, B., & Snyderman, B. (1959). The motivation to work (2nd ed.). New York: John Wiley. Hilber, C. (2021). Im Spannungsfeld zwischen Arbeitsanforderung und Gesundheitsförderung. Unveröffentl. Masterarbeit, Universität, Krems. 166

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Knauder, H. (1996). Burn-out im Lehrerberuf – Brennpunkt Mensch. Leykam Buchverlagsgesellschaft m.b.H., Graz. Nieskens, B. (2006). Ergebnisse der Gesundheitsforschung für Lehrkräfte und Schulen. In L. Schumacher, B.Sieland, B. Nieskens, & H. Brauer (Eds.), Lehrergesundheit - Baustein einer guten gesunden Schule (pp. 19–50). Hamburg: DAK Schriftenreihe. Sandmeier, A., Gubler, M. & Herzog, S. (2018). Berufliche Mobilität von Lehrpersonen. Journal für Bildungsforschung Online, 10(2), 54-7 Schaarschmidt, U. & Kieschke, U. (2007). Beanspruchungsmuster im Lehrerberuf. Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Potsdamer Lehrerstudie. In M. Rothland (Hrsg.), Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Modelle – Befunde – Interventionen (S. 81–98). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Schaarschmidt Kieschke AVEM Schreyögg, G. & Koch, J. (2010) (Hrsg.). Grundlagen des Managements: Basiswissen für Studium und Praxis. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer. Sieland, B. (2006). Veränderungspotenziale und Veränderungshindernisse am Beispiel der Gesundheitsförderung im Schulkollegium. In L. Schumacher, B. Sieland, B. Nieskens, & H. Brauer (Eds.), Lehrergesundheit - Baustein einer guten gesunden Schule (pp. 75–110). Hamburg: DAK Schriftenreihe. Van Dick, R. (1999). Stress und Arbeitszufriedenheit im Lehrerberuf. Tectum Verlag, Marburg. Onlinequellen Achermann Fawcett, E., Keller, R., & Piera, G. (2018), S. 23. Bedeutung der Gesundheit von für die Gesundheit und den Bildungserfolg von Schulleitenden und Lehrpersonen Schülerinnen und Schülern. Wissenschaftliche Grundlage für das Argumentarium «Gesundheit stärkt Bildung». Zürich und Lausanne: Pädagogische Hochschule Zürich und haute Vaud. https://www.radix.ch/files/AA0NNH1/2018_09_10_allianz_bgf_grundlagen_argumentarium.p df Bundesamt pédagogique Statistik, (2019), école S.1: für Gesamtgesundheitsausgaben https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/kosten- finanzierung.gnpdetail.2021-0179.html 3: (2020), S. Job-Stress-Index https://gesundheitsfoerderung.ch/betriebliches- gesundheitsmanagement/grundlagen-und-studien/job-stress-index.html LCH (2016), S. 7: Studie des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz: «Berufsbedingte Lehrpersonen». Krankheitskosten https://www.lch.ch/publikationen/studien/detail/berufsbedingte-krankheitskosten-der- lehrpersonen-schlussbericht-buero-bass-2016 der Negative Beanspruchungsfolgen 280: https://www.researchgate.net/publication/266501434_Negative_Beanspruchungsfolgen_bei_ Schweizer_Lehrpersonen bei Schweizer Lehrpersonen (2014), S. SECO 303: https://www.seco.admin.ch/dam/seco/de/dokumente/Publikationen_Dienstleistungen/Publika tionen_Formulare/Arbeit/Arbeitsbedingungen/wegleitungen_arbeitsgesetzt/wegleitung_argv_ 3_4.pdf.download.pdf/Wegleitung_Verordnungen_3_4_Arbeitsgesetz_2021.pdf (2021), S. Vergleichsstudie Österreich (2019), S. 24–45: «Berufsvollzugsprobleme und Belastungen von http://www.oepu.at/index.php/publikationen/oepu-nachrichten/1630-1906- Lehrpersonen». spenger-langversion/file Eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz, EDK (2021) swissinfo.ch, 2023. 167

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m „Blockchain als Ansatz zur Dokumentation der Supply Chain von Obst- und Gemüseartikeln“ A. Jessat1 University of Library Studies and Information Technology Keywords: Blockchain, Lieferkette, Nachhaltigkeit, Transparenz, Obst und Gemüse. ABSTRACT Wie nachhaltig sind eigentlich Obst- und Gemüseartikel, die wir konsumieren und welchen Weg und welche Prozessschritte haben diese Produkte durchlaufen? In Abhängigkeit von dem Produkt beziehungsweise der Warengruppe werden dem Konsumenten bereits heute Informationen über den Nachhaltigkeitsgrad der jeweiligen Produkte mitgeteilt. Allerdings sind diese Informationen oft spärlich und die Transparenz über den Weg der Obst- und Gemüseartikel vom Erzeuger bis in den Supermarkt meist lückenhaft. In diesem Artikel wird untersucht, inwieweit das Blockchain-Prinzip einen Lösungsansatz für eine vollumfängliche und transparente Dokumentation des Produktweges vom Erzeuger bis zum Point of Sale darstellen kann. Dabei werden bereits vorhandene Erkenntnisse und Vorerfahrungen der Anwendung einer Blockchain in der Lebensmitteleinzelhandelsbranche miteinbezogen. 1 Annika Jessat; 65527 Niedernhausen, Quarzweg 1 169

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1. Einführung Aktuell können Verbraucher Hinweise zur Herkunft und Verarbeitung von Obst- und Gemüseartikel über Auszeichnungen und Labels wie beispielsweise „Bio“, „FairTrade“ oder „Regional“ erhalten. Jedoch ist eine transparente Nachvollziehung der Kriterien, auf denen die Auszeichnung basiert, für den Verbraucher aufgrund von zahlreichen Zwischenhändlern, -lagerungen sowie Umverpackungen kaum bis gar nicht möglich. Begrenzte Kennzeichnungsvorschriften für die einzelnen Produktstationen haben diese Entwicklung zudem gefördert. Schließlich muss der Verbraucher auf die rechtmäßige Auszeichnung blind vertrauen. (Mahncke, 2013) Neben der Tatsache, dass Lebensmittel häufig einen langen und aufwändigen Weg vom Erzeuger bis zum Verbraucher im Supermarkt durchlaufen, bestehen viele Lebensmittel zudem aus einer Vielzahl von Inhaltsstoffen, so dass die ganzheitliche Nachverfolgung sowie das Ziehen einer Bilanz über die Nachhaltigkeit des gesamten Lebensmittels sehr komplex sein kann. Um die Komplexität einzugrenzen, geht es in diesem Artikel ausschließlich um Obst- und Gemüseartikel, die keine weiteren Inhaltsstoffe enthalten. Als Ansatz zur Dokumentation und transparenten Darstellung von Produktwegen wird in diesem Artikel Blockchain als Technik vorgestellt. Verbraucher sollen durch einen QR-Code auf dem Produkt nachvollziehen können, welche Wege das Produkt vom Erzeuger bis in den Supermarkt zurückgelegt hat. (Lebensmittelverband Deutschland, 2023) Blockchain ist eine Technik, mit der alle Stationen, die ein Produkt bis zum Point of Sale durchläuft, transparent in ihrer Chronologie dokumentiert werden, ohne diese Informationen nachträglich überschreiben oder löschen zu können. Die verschiedenen Datensätze, beziehungsweise Blöcke, kommunizieren nach einem sogenannten kryptografischen Verfahren. Demnach werden Daten zwischen den Blöcken verschlüsselt versendet. Die folgende Abbildung gibt einen Eindruck von der grundlegenden Blockchain-Funktionsweise. Abb. 1: Funktionsweise einer Blockchain (Quelle: in Anlehnung an Dietrich, Rey & Duss, 2015) 170

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-sicherheit sowie Blockchain bietet neben einer besonderen Transparenz auch ein hohes Maß an Datenintegrität, -offenheit. Wie die Abbildung bereits veranschaulicht, sind die verschiedenen Blöcke miteinander verknüpft, so dass alle Blöcke die gleichen Informationen enthalten. Wird ein Block durch Informationen erweitert, werden diese Informationen an alle Blöcke übermittelt und die Blöcke werden miteinander neu synchronisiert. Jede Erweiterung eines einzelnen Datensatzes bedeutet somit die Erweiterung aller Datensätze. Die Datenerweiterung findet mit den Nutzern in Echtzeit statt. Dieses Verfahren stellt eine durchgängige Transparenz sowie Datenintegrität sicher. Einerseits wird durch den kryptografischen Versand von Daten die Sicherheit der Daten gewährleistet, andererseits sorgt das dezentrale Speichern von Daten auf verschiedenen Servern für einen besonders hohen Datenschutz. Auch wenn dieses Prinzip eine Datenredundanz bedeutet, wird verhindert, dass Daten verloren gehen oder für immer gelöscht werden. Zusätzlich muss jede Änderung vor der Umsetzung von allen Teilnehmern validiert und akzeptiert werden, so dass eine sogenannte „single version of truth“ entsteht. Mit Abschluss der Validierung wird ein Hashwert generiert, der in den nächsten Block übernommen wird und damit die verschiedenen Blöcke miteinander verknüpft. Der Mechanismus der Versiegelung der Blöcke mit einem Hashwert sowie die Verknüpfung der einzelnen Blöcke ist ebenfalls ein wesentlicher Sicherheitspfeiler der Blockchain-Technik. Denn werden Daten einer Blockchain nun nachträglich verändert, passt der Hashwert nicht mehr zum Inhalt. (Günther, 2017) In der Blockchain gespeicherte Daten zu verändern oder zu manipulieren bedarf somit einer Änderung auf allen Servern. Datenmanipulationen aber auch nachträgliche Änderungswünsche würden folglich in keinem Fall den Aufwand und die damit verbunden Kosten rechtfertigen, weshalb in diesen Fällen eine neue Blockchain aufgebaut wird anstelle eine bestehende Blockchain anzupassen. Eine Blockchain gilt daher als eine nachträglich unveränderbare und nicht manipulierbare Technik. Neben Transparenz, Datenintegrität und Sicherheit bietet das System den Interessenten und Teilnehmern des Weiteren eine besondere Offenheit. Generell kann jeder, wenn nicht bewusst durch Blockchain-Inhaber verhindert, Zugriff zu einer Blockchain erhalten. Öffentliche Blockchains stellen alle Teilnehmer gleich, sind untereinander kompatibel und interoperabel und können über Protokolle effizient Informationen austauschen. Private Blockchains lassen Restriktionen von Unternehmen zu, wie zum Beispiel die Zulassung von nur ausgewählten Teilnehmern. Die einfache Funktionsweise, Datenintegrität und transparente Dokumentationen von Daten einer Blockchain beweisen Fakten und schaffen Vertrauen. Aussagen muss somit kein Glaube geschenkt werden, sondern sie können nachgewiesen werden. (Hosp, 2018, S. 70-74) Im Kontext von Obst- und Gemüseartikeln bedeutet die Blockchain-Praktik, dass jede neue Produktangabe im Verlauf des Produktlebenszyklus auf allen miteinander verknüpften Servern unabhängig voneinander gespeichert wird. So würde beispielsweise die erste Produktstation Informationen über Herkunft, Erntedatum, Temperatur und Wetter im Blockchain-Datensatz speichern, während der Verpacker des Produkts Auskunft zum Verpackungsmaterial und der Lagertemperatur ergänzt. Dieses Vorgehen könnte bis zur Platzierung im Obst- und Gemüsebereich des Lebensmitteleinzelhandels fortgeführt werden und damit die Blockchain mit Informationen komplettieren. (Tschesche, 2017) 171

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Rückblickend hätte das Blockchain-Prinzip unverhältnismäßige Produktwege wie den der Krabbentransport verhindern können. Hierbei wurden Krabben aufgrund günstiger Transportkosten und günstiger Arbeitskräfte von der Nordseeküste rund 5.000 km nach Marokko und wieder zurück transportiert. Außerdem könnten Lebensmittelrückrufe durch die transparente Dokumentation der Produktstationen innerhalb von Sekunden anstatt Tagen festgestellt oder gar verhindert werden. Auch Lebensmittelskandale wie der vergangene Pferdefleisch-Skandal würde unter Nutzung des Blockchain-Prinzips und der einhergehenden detaillierten Aufnahme der Prozessschritte erschwert werden. Im Pferdefleisch-Skandal wurde anstelle von Rindfleisch Pferdefleisch in Produkten gefunden, dessen Etikette dies nicht deklarierten. Besonders unter dem Aspekt, dass sich diese und weitere Eklats häufig in der Lebensmitteleinzelhandelsindustrie ereigneten und das Vertrauen der Verbraucher in Lebensmittel stark schwächten, könnte eine Blockchain Abhilfe schaffen. (Günther, 2017, Mahncke, 2013) Mittlerweile nutzen bereit große Einzelhandelsunternehmen wie beispielsweise Walmart Dole, Nestlé oder Unilever das Blockchain-Prinzip für sich. (Günther, 2017) 2. Methode Die Ausarbeitung beruht auf einer umfassenden Recherche über das Blockchain- Prinzip und einer anschließenden Untersuchung der Nutzung des Blockchain-Prinzips in der Dokumentation der Supply Chain von der Herstellung bis zum Point of Sale im Supermarkt. Hierzu wurde im ersten Schritt die Funktionsweise einer Blockchain sowie der Bedarf in der Dokumentation im Produktlebenszyklus mit besonderem Fokus auf Obst- und Gemüseartikel herausgearbeitet. Im Anschluss wurde das Blockchain- Prinzip mit dem Bedarf abgeglichen und dabei wurde herausgestellt, dass das Konzept einer Blockchain ein möglicher Lösungsansatz zur transparenten Dokumentation einer Wertschöpfungskette darstellen kann. Zusätzlich wurde über bereits vorhandene Erfahrungen des Blockchain-Prinzips in der Lebensmitteleinzelhandelsbranche recherchiert und diese als Referenz für die Untersuchung berücksichtigt. 3. Ergebnis / Erkenntnis Das Anwenden der Blockchain-Praxis im Lebensmitteleinzelhandel mit besonderem Hinblick auf die Warengruppe Obst und Gemüse, verdeutlicht, dass Blockchain ein effektiver Ansatz zur transparenten Dokumentation des Produktweges vom Ursprungsort bis in den Supermarkt darstellen kann. Aufgrund der vollständigen Transparenz können Fragen rund um das Produkt einfach und effizient aufgeklärt sowie auf Betrugsfälle oder Fehler zeitnah reagiert werden. (Safar, 2017) Die Analyse hat gezeigt, dass Blockchain ein wirksames Tool zur Dokumentation des Produktweges darstellt. Dies wird auch durch die Nutzung des Blockchain-Prinzips durch große Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen bestätigt. 172

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Blockchain hat nicht nur das Potential für Lebensmitteleinzelhändler durch eine transparente Lieferkette und einer daraus resultierenden Möglichkeit zeitnah auf Probleme reagieren zu können, sondern adressiert außerdem den Bedarf der Verbraucher nach lückenlosen Informationen über Produktionswege. Mit Hilfe der Blockchain-Technologie könnte die gesamte Lebensmittelindustrie revolutioniert werden, indem Prozesse beschleunigt und effizienter gestaltet würden und die Lebensmittelbranche sich das Vertrauen der Verbraucher zurückerarbeitet. 4. Literaturverzeichnis Dietrich, A., Rey, R. & Duss, C. (2015). Blockchain – die nächste große Revolution im Bankensektor?, Hochschule Luzern Verfügbar unter: https://hub.hslu.ch/retailbanking/blockchain-die-naechste- grosse-revolution-im-bankensektor/, [2023-07-03]. Lebensmittelverband Deutschland (2023). Technologie – Blockchain und Lebensmittel, Verfügbar unter: https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/technologie/blockchain, [2023-08-03]. Günther, M. (2017). Blockchain birgt großes Potenzial für den globalen Einzelhandel, iXtenso, https://ixtenso.de/technologie/blockchain-birgt-grosses-potenzial-fuer-den- unter: Verfügbar globalen-einzelhandel.html, [2023-14-03]. Hosp, J. (2018). Blockchain 2.0, München: FinanzBuch Verlag. 70 – 74. Mahncke, J. (2013). Der lange Weg der Lebensmittel, Deutsche Welle Verfügbar unter: https://www.dw.com/de/der-lange-weg-der-lebensmittel/a-16599771, [2023-02-03]. Safar, M. (2017). Wofür kann die Blockchain-Technologie eingesetzt werden?, Weissenberg Verfügbar https://weissenberg-group.de/wofuer-kann-die-blockchain-technologie-eingesetzt- unter: werden/#:~:text=1.,der%20Finanzwelt%20eingesetzt%20werden%20kann., [2023-02-03]. Tschesche, J. (2017). Blockchain-Technologie für die Wertschöpfungskette der Lebensmittel, https://blog.valueversitas.com/blockchain-technologie-fuer-die- unter: Verfügbar wertschoepfungskette-der-lebensmittel., [2023-19-03]. 173

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„Nachhaltigeres Verhalten im Lebensmitteleinzelhandel durch Einflüsse in den Kaufentscheidungsphasen“ A. Jessat1 University of Library Studies and Information Technology Keywords: Lebensmittel, Obst und Gemüse, nachhaltiges Konsumverhalten, Kaufentscheidungsphasen, Rolle des Lebensmitteleinzelhandels. ABSTRACT Nachhaltigkeit ist ein wesentliches Thema aller Branchen geworden. So treibt es auch den Lebensmitteleinzelhandel maßgeblich in seiner Entwicklung. Insbesondere in der Warengruppe Obst und Gemüse konnten sowohl Defizite an nachhaltiger Auswahl als auch an Produktinformationen festgestellt werden. Der Lebensmittel-einzelhandel muss demzufolge besonders in diesem Bereich verständliche Maßnahmen zur Behebung dieser Missstände einführen. Diese müssen den Konsumenten einen ersichtlichen Mehrwert bieten, um nachhaltigen Erfolg zu versprechen. Der folgende Artikel untersucht die verschiedenen Phasen der Kaufentscheidung eines Konsumenten im Lebensmitteleinzelhandel. Hierbei wird insbesondere analysiert, in welchen Phasen die Beeinflussung des Kunden besonders effektiv ist, um ein gesteigertes nachhaltiges Konsumverhalten zu bewirken. 1 Annika Jessat; 65527 Niedernhausen, Quarzweg 1 175

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1. Einführung verschiedene Stadien Kaufverhalten ist aufgrund seiner Individualität nicht pauschal ableitbar. Auf Basis von Erfahrungswerten entwickelte Philip Kotler jedoch ein auf die Mehrheit anwendbares Modell, nach dem der Konsument seinem Kaufentscheidungsprozess durchläuft. In diesen Phasen kann das Verhalten zusätzlich von unterschiedlichen externen Faktoren wie zum Beispiel der Kaufatmosphäre oder einer Kaufbegleitung beeinflusst werden. Weiterhin spielt das Involvement des Konsumenten, also das Maß der Identifikation des Kunden mit dem Produkt sowie der Nutzen des Produkts für den Kunden, eine wesentliche Rolle. Um eine Vorstellung der Phasen der Konsumentscheidung zu erhalten und das Konsumverhalten analysieren zu können, entwickelte Kotler das Fünf-Phasen-Modell der Kaufentscheidung. in Abb. 1: Kaufverhalten (Quelle: in Anlehnung an Kotler, 2017, S. 296) In dem Modell ist zu beachten, dass nicht jeder Konsument zwingend alle fünf Phasen in der aufgeführten Reihenfolge durchläuft, sondern dieser in seinem Kaufentscheidungsprozess auch Phasen überspringen kann beziehungsweise bei der Entscheidung gegen einen Kauf erst gar nicht die vierte Phase des Modells erreicht. Trotz der konnten wiederholte Verhaltensweisen untersucht werden, aus dem Kotler ein Schema ableitete. von Konsumentenverhalten Individualität In der ersten, nach Kotler herausgearbeiteten Kaufentscheidungsphase erkennt das Individuum einen Bedarf, den es durch Konsum zu decken glaubt. Der Bedarf kann dabei intern oder extern stimuliert werden. Externe Stimuli sind beispielsweise Medien wie Internet, TV oder Print und demnach von außen wirkende Reize. Im Kontext des Lebensmitteleinzelhandels kann davon ausgegangen werden, dass interne Bedarfe wie Hunger oder Durst im Vordergrund stehen. Nach der Feststellung des Bedarfs sucht das Individuum in der zweiten Phase Informationen über Produkte, um diesen Bedarf zu decken. Das Involvement des Individuums mit dem Produkt hat einen wesentlichen Einfluss auf den Umfang der Informationssuche. Die je nach Involvementgrad. folgende Abbildung gibt Produktbeispiele 176

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Abb. 2: Produkt-Involvement Model (Quelle: in Anlehnung an Andrew, Yakov & Miklos, 2013) Es gibt Produkte oder Produktgruppen, sogenannte Low Involvement Produkte, die im Allgemeinen in der Gesellschaft keine Begeisterung auslösen und damit eine eingeschränkte Aufmerksamkeit unabhängig ihrer Ausführung erhalten. Die Motivation des Individuums, sich über diese Produkte Informationen einzuholen, ist begrenzt. Andere Produkte und Produktgruppen hingegen benötigen keine Vermarktung, um in der Gesellschaft gefragt zu sein. So informieren sich Personen beispielsweise aktiv über ein Produkt, dass ihnen Spaß und Freude bereitet und nicht, weil sie durch Werbung darauf aufmerksam gemacht wurden. Dieses Verhalten verrät, dass es sich bei diesen Produkten um High Involvement Produkte handelt (Kotler et al., 2017, S. 302). Für Lebensmitteleinkäufe hingegen möchten Konsumenten möglichst wenig Zeit aufbringen, weshalb Lebensmittel im Allgemeinen zu Low Involvement Produkten zählen (Knight, 2022). Sie sind lebensnotwendig, aber sie begeistern das Individuum nicht. Im Kontext von Nachhaltigkeit im Obst- und Gemüsebereich muss der im ersten Schritt eine ausreichende Auswahl an Lebensmitteleinzelhandel nachhaltigen Obst- und Gemüseartikeln gewährleisten, zu denen sich der Konsument bei Bedarf detaillierte Informationen einholen kann (Brunner, 2019, S. 175). Im zweiten Schritt müssen diese Informationen für den Kunden so aufbereitet sein, dass dieser die Informationen schnell und einfach erkennt und dadurch vom Produkt begeistert und überzeugt in der Phase der „Informationssuche“ Unternehmensreputation, Marketingaktivitäten, die Art und Weise der Produktpräsentation aber auch durch die Produktinformationsaufbereitung aktiv Einfluss auf das Kaufverhalten. Diese Beeinflussung kann auch noch auf die Folgephase wirken, in der nun die eingeholten Informationen der Alternativen analysiert und einander gegenübergestellt werden. Im Anschluss wird eine Priorisierung nach persönlichen Nutzwerten vorgenommen. Überzeugt das favorisierte Produkt und löst eine Kaufabsicht aus, so vollzieht das ist. Der Lebensmitteleinzelhandel nimmt beispielsweise durch 177

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Individuum die vierte Phase des Fünf-Phasen-Modells nach Kotler mit einem Kaufabschluss. In der Kaufentscheidungsphase, in der eine Produktentscheidung getroffen wurde, sinkt der Einfluss des Lebensmitteleinzelhandels. Hat der Konsument den Kaufprozess abgeschlossen, befindet er sich in der sogenannten Nachkaufphase. In der aus Unternehmenssicht entscheidenden Phase zeigt sich in Abhängigkeit von der Zufriedenheit des Konsumenten mit dem Produkt, ob eine Bindung des Konsumenten zum Unternehmen entsteht und der Konsument weitere Kunden durch Empfehlungen anwirbt oder Nachkaufdissonanzen auftreten. Nachkaufdissonanzen beschreiben ein Unwohlsein des Konsumenten mit dem Produkt im vorangegangenen Produktvergleich ausgeschlossen wurden (Kotler et al., 2017, S. 302). im Vergleich zu den Alternativprodukten, die Die Darstellung des Modells nach Kotler hat im Kontext des Ziels einer Steigerung des nachhaltigen Obst- und Gemüsekonsums gezeigt, dass dies einen grundlegenden Bedarf des Konsumenten nach nachhaltigen Obst- und Gemüseartikeln voraussetzt (Watson, 2017, S. 344). Außerdem muss der Lebensmitteleinzelhandel ein entsprechendes nachhaltiges Obst- und Gemüseangebot garantieren, damit der Konsument sich über die Alternativen informieren und aus diesen einen persönlichen Favoriten bestimmen kann. Auf die dritte, vorbereitende Kaufentscheidungsphase, der „Alternativbewertungsphase“, kann der Konsument durch Eindrücke der vorangegangenen Informationseinholungsphase beeinflusst werden. In der Regel sinkt hier allerdings die Einflussnahme durch den Lebensmitteleinzelhandel auf den Kaufentscheidungsprozess, da sich der Konsument bereits in der vorangegangenen Phase alle Informationen über die angebotenen nachhaltigen Produkte eingeholt hat. Die Folgephasen der Kaufentscheidung und der Nachkaufphase sind für den Lebensmitteleinzelhandel weniger bedeutend. In der Kaufentscheidungsphase wirken bereits erfolgte Einflüsse des Lebensmitteleinzelhandels und leiten den Konsumenten zu einer Konsumentscheidung, ohne dass neue Einflüsse wirken. Die fünfte sogenannte „Nachkaufphase“ verlangt ebenfalls einen geringen Fokus vom Lebensmitteleinzelhandel, da Nachkaufaktivitäten wie Produktzufriedenheits- befragungen, die Aufschluss über Wünsche der Konsumenten geben, in dieser Branche eher unüblich sind. 2. Methode Das Fundament der Ausarbeitung besteht einerseits aus einer Recherche und einer darauf basierenden Herausstellung des Bedarfs einer größeren nachhaltigen Obst- und Gemüseauswahl und andererseits aus einer Analyse über eine detailliertere Kommunikation nachhaltiger Kriterien an die Konsumenten. Für eine Steigerung des nachhaltigen Konsums sind neben der Angebotsseite auch die Verbraucher selbst und deren Bewusstsein und Interesse für Nachhaltigkeit eine maßgebliche Voraussetzung. Um Einfluss auf diese Komponenten zu nehmen, soll mit Hilfe des Kaufentscheidungsmodels nach Kotler, sowie mit weiterführenden Recherchen in diesem Zusammenhang, herausgestellt werden, in welchen Phasen der Kaufentscheidung der Lebensmitteleinzelhandel tätig werden muss, um das Bewusstsein und die Motivation von Konsumenten für nachhaltiges Kaufverhalten zu steigern. 178

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3. Ergebnis / Erkenntnis intrinsische Motivation Die Analyse hat gezeigt, dass eine Beeinflussung der Konsumenten zu einem nachhaltigeren Kaufverhalten voraussetzt, dass Konsumenten ein generelles Bewusstsein und eine für nachhaltiges Kaufverhalten aufweisen. Zusätzlich sind Konsumenten in Abhängigkeit von der Phase des Kaufentscheidungsprozesses unterschiedlich stark empfänglich für äußere Einflüsse. Hier wurden die erste Phase „Problemerkennung“ sowie die zweite Phase „Informationssuche“ als wesentliche Stadien zur Bewirkung eines Einstellungs- und reellen Konsumwandels herausgestellt. So sollte der Lebensmitteleinzelhandel unter der aktuell begrenzten nachhaltigen Obst- und Gemüseauswahl im Supermarkt- und Discounthandel im Kontext der Problemerkennungsphase nach Kotler ein attraktives, nachhaltiges Angebot sicherstellen. Außerdem haben die Recherchen ergeben, dass Konsumenten möglichst wenig Zeit für Lebensmitteleinkäufe aufwenden möchten und zudem träge in der Informationseinholung sind, da es sich bei Lebensmitteln um Low Involvement Produkte handelt. Demzufolge sollten nachhaltige Obst- und Gemüseinformationen für die Konsumenten schnell ersichtlich und einfach verständlich präsentiert werden. 4. Literaturverzeichnis Andrew, S., Yakov, B., & Miklos, S. (2013). Making Mobile Ads That Work. Harvard Business Review. Verfügbar unter: https://hbr.org/2013/12/making-mobile-ads-that-work, [2023-03-10]. Brunner, K. M. (2019) Nachhaltiger Konsum und die Dynamik der Nachfrage. Von individualistischen zu systemischen Transformationskonzepten. S. 167–184 In: Luks, F. Chancen und Grenzen der Nachhaltigkeitstransformation: Ökonomische und soziologische Perspektiven, Wiesbaden: Springer Fachmedien. Knight, K. (2022). Convenience trumps cost as main driver of online grocery shopping. Verfügbar unter: https://www.bizreport.com/2015/06/convenience-trumps-cost-as-main-driver-of-online-grocery- sho.html, [2023-03-02]. Kotler, P., Keller, K. L., & Opresnik, M. O. (2017). Marketing-Management: Konzepte - Instrumente - Unternehmensfallstudien Hallbergmoos: Pearson Verlag. 15. Watson, M. (2017) Sustainable Consumption and changing practices. S. 343–352 In: Keller, M., Halkier, B., Wilska, T. A., Truninger, M. Routledge handbook on consumption. Routledge, London. 179

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„Verhaltensökonomische Optimierung der Preispolitik von Banken in der privaten Wohnbaufinanzierung am Beispiel vertraglicher Sondertilgungsrechte“ S. T. Kiefer1 State University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Verhaltensökonomie, Prospect-Theory, Konsumentenpsychologie, Bankmarketing, Wohnbaufinanzierung, Implizite Optionsrechte ABSTRACT Kundenseitige Wahlrechte sind für die Rentabilität von Zinsprodukten im Kundengeschäft von Kreditinstituten von herausragender Bedeutung. Diese können im Falle vertraglicher Wahlrechte zusätzliche Zahlungsbereitschaft auslösen oder mindern, sofern diese gesetzlich zum Zwecke des kalkulatorischen Verbraucherschutzes Deckungsbeitrag. Unabhängig der Anspruchsgrundlage entscheidet die angewandte Preispolitik wesentlich über die erzielte Wertschöpfung aus derartigen Wahlrechten. Dabei lässt sich zeigen, dass gegenwärtig verbreitete Konzepte noch erheblich durch moderne Ansätze der Verhaltensökonomie optimiert werden können. determiniert sind, den 1 Steven Thomas Kiefer; BRD-64347 Griesheim, stki1912@aol.com 181

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1. Einführung 1.1 Verhaltensökonomische Grundlagen Der Abschluss einer privaten Wohnbaufinanzierung zum Zwecke des Erwerbs von Immobilieneigentum unterscheidet sich im Hinblick auf die dahinterliegende Kaufentscheidung erheblich vom Abschluss sonstiger Finanzprodukte. Während Finanzprodukte wie Versicherungen im Allgemeinen nicht selten der Kategorie der „Low-Interest“ Produkte zugeordnet werden (Glasl, 2020), dient der Erwerb von Immobilieneigentum und der Abschluss der zugehörigen Wohnbaufinanzierung in der Marketingliteratur regelmäßig als Standardbeispiel einer extensiven Kaufentscheidung (Homburg, 2014, p. 41). Extensive Kaufentscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass diese beim handelnden Entscheider (Konsumenten) ein ebenso hohes kognitives wie auch emotionales Involvement auslösen (Homburg, 2014, p. 41). Demnach sind für die Kaufentscheidung des Konsumenten sowohl die rationale Verarbeitung objektiver Informationen als auch emotional begründete Heuristiken handlungsleitend. Beide Aspekte stellen demzufolge mögliche Gestaltungsbereiche des betrieblichen Marketings dar. Soll im Unternehmensinteresse Einfluss auf die Entscheidung des Konsumenten genommen werden, können folglich das Preis- und Produktangebot sowohl objektiv verbessert (kognitiv) als auch besser und zur konkreten Adressierung emotionaler Heuristiken kommuniziert werden. Die angeführte Zweiteilung in kognitive und emotionale Beanspruchung des Entscheiders, welche beim Abschluss einer Wohnbaufinanzierung gleichermaßen bedeutsam sind, steht in enger Verwandtschaft zu der von KAHNEMANN verwendeten Unterscheidung zwischen „System 1“ (emotional) und „System 2“ (kognitiv) zur Erklärung menschlichen Entscheidungsverhaltens (Kahnemann, 2012, p. 33). KAHNEMANN führt dabei an, dass am menschlichen Entscheidungprozess aus psychologischer Sicht zwei sich gänzlich voneinander unterscheidende „Systeme“ beteiligt sind. „System 1“ wird dabei dominiert von menschlicher Intuition und sich daraus ableitenden Heuristiken, wogegen „System 2“ von mental anstregenden Bewertungsprozessen und von rationalen Denkvorgängen geprägt wird (Kahnemann, 2012, p. 33). Mögliche Antworten darauf, welche Prinzipien den Einfluss von „System 1“ bestimmen, lassen sich in der von KAHNEMANN und TVERSKY 1979 erstmals publizierten und 2002 mit den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften prämierten Neuen Erwartungstheorie (Kahnemann & Tversky, 1979) finden. Der zugehörige Aufsatz der Erstveröffentlichung zählt heute zu den meistzitierten Aufsätzen innerhalb der Sozialwissenschaften überhaupt (Kahnemann, 2012, p. 334). Im Vergleich zu älteren und meist normativ ausgelegten Konzepten wie der Erwartungsnutzentheorie (Kahnemann & Tversky, 1979, p. 263), ist die Neue Erwartungstheorie als deskriptives Modell konzipiert (Kahnemann & Tversky, 1979, p. 263). Der deskriptive Charakter nährt sich im Vergleich zur Erwartungsnutzentheorie aus drei grundlegenden Prinzipien (Kahnemann, 2012, pp. 346-347): 182

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1. Die Beurteilung von Handlungsalternativen (Entscheidungen) erfolgt ausgehend eines neutralen Bezugspunktes, welcher auch als Referenzpunkt bezeichnet wird. Positiv empfundene Zustandsveränderungen ausgehend von diesem Referenzpunkt werden als „Gewinne“, negativ empfundene Zustandsveränderungen als „Verluste“ interpretiert. 2. Für derartig interpretierte „Gewinne“ und „Verluste“ gilt das Prinzip abnehmender Empfindlichkeit. Je höher ein bereits erreichter Gewinn bzw. Verlust, desto geringer ist die subjektive Empfindung einer objektiven Zustandsveränderung. 3. Innerhalb der „Gewinnzone“ ist das Entscheidungsverhalten von Risikoaversion geprägt, wogegen innerhalb der „Verlustzone“ risikofreudig entschieden wird. Dies mündet im Prinzip der Verlustaversion („loss aversion“). im Allgemeinen und des Prinzips der Verlustaversion Die hohe Popularität der Neuen Erwartungstheorie ist nicht zuletzt darauf begründet, dass diese der theoretischen Fundierung einer großen Fülle empirisch belegbarer Phanömene dient. Als eines der bekanntesten und am weitesten erforschten Phänomene, dessen theoretische Fundierung sich aus der Neuen Erwartungstheorie im Besonderen ableitet, ist der auf THALER (1980) zurückgehende „Endowment Effect“ anzuführen. Dieser beschreibt die regelmäßig auftretende kognitive Verzerrung, nach der die Wertassoziation ein und derselben Sache durch einen Entscheider von ihrem Besitzverhältnis beeinflusst wird. So liegen die Wertvorstellungen potenzieller Verkäufer einer Sache regelmäßig oberhalb der Wertvorstellung potenzieller Käufer. Derartige Beobachtungen lassen sich durch die Neue Erwartungstheorie derart begründen, dass potenzielle Verkäufer bzw. Käufer ausgehend von unterschiedlichen Referenzpunkten agieren. Demnach wird die Abgabe des betrachteten Gutes auf Seiten des Verkäufers als „Verlust“ empfunden, woraus aufgrund der Verlustaversion zur Kompensation ein erhöhter „Gewinn“ als Geldbetrag gefordert wird. 1.2 Sondertilgungsrechte in der Baufinanzierung Der Abschluss einer Wohnbaufinanzierung wurde bereits als eine Kaufentscheidung angeführt, welche in der eingeführten Terminologie sowohl von „System 1“ als auch „System 2“ beeinflusst wird. Demnach ist anzunehmen, dass auf „System 2“ zurückgehende Phänomene wie der beschriebene Endowment-Effekt, auch beim Abschluss von Wohnbaufinanzierungen anzutreffen sind. Dies wäre dann anzunehmen, sofern sich ein neutraler und dennoch hinreichend bestimmbarer Referenzpunkt bestimmen ließe. Bei den von Banken angebotenen Finanzierungslösungen im Bereich der privaten Wohnbaufinanzierung handelt es sich zumeist um vorkonfigurierte und standardisierte Angebote. Abseits des Kapitaltransfers gegen Zins- und Tilgungsleistungen, enthalten derartige Angebote auch kundenseitige Wahlrechte, welche aufgrund ihrer Verwandtheit zu Kapitalmarktoptionen als „implizite Optionsrechte“ bezeichnet werden (Kiefer, 2022, p. 38). Derartige Wahlrechte erlauben es dem finanzierenden Kunden, den vereinbarten Zahlungsstrom, bestehend aus Zins- und Tilgungsleistungen, nach Vertragsabschluss an die persönlichen Präferenzen entlang des eingeräumten Optionsrechtes anzupassen. Neben gesetzlich determinierten Wahlrechten, beispielsweise durch die Einräumung eines Widerrufsrechtes, werden derartige 183

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Wahloptionen von Kreditinstituten auch zur Produktdifferenzierung und Hebung von Zahlungsbereitschaften auf vertraglicher Basis gewährt. zur inzwischen Ein Wahlrecht, welches zwar auf einer vertraglichen Grundlage basiert und dennoch den geschilderten Einsatzzweck kaum mehr erfüllen kann, stellt das regelmäßige Recht zur Sondertilgung dar. Dieses erlaubt es einem Kreditnehmer, über die vereinbarte Rückführung hinaus Tilgungsleistungen zu erbringen. Der Umfang der etwaigen Sondertilgungsmöglichkeit wird dabei meist als Prozentsatz des ursprünglich gewährten Darlehens vereinbart (Kiefer, 2022, p. 39). Erhebungen zeigen regelmäßig, dass derartige Wahlrechte inzwischen als Marktstandard anzusehen sind und als Konsequenz „Grundausstattung“ am Markt angebotener Finanzierungslösungen gehören. So zeigte eine von GRABBE durchgeführte Untersuchung bereits im Jahr 2015, dass bei Abwahl bzw. Hinzunahme eines derartigen Rechtes von 28 der insgesamt 30 betrachteten Kreditinstitute keinerlei Veränderungen der Angebotskondition vorgenommen wurden (Grabbe, 2015, p. 41). Wird angenommen, dass etwaig vorliegende Zahlungsbereitschaften nicht billigend missachtet werden, deutet diese Preispolitik eindeutig einen Markstandard an, welcher von Kunden erwartet wird und entsprechend einen möglichen Referenzpunkt darstellt. Demnach gehen die zugehörigen Optionskosten vollständig zu Lasten der Institute und wirken sich mindernd auf die Produktrentabilität aus. Die Höhe der kalkulatorischen Optionskosten ist neben der verwendeten Bewertungsmethodik in hohem Maße von den Annahmen zum Ausübungsverhalten innerhalb des zu bewertenden Kundenportfolios abhängig. Für eine Einführung in die entsprechenden Konzepte sei an dieser Stelle auf die Literatur verwiesen, etwa Lorenz, et al., 2019. Bezugnehmend auf die dort vorgenommenen Bewertungen müssen für Sondertilgungsrechte der geschilderten Form regelmäßig Kosten in höhe 10 bis 15 Basispunkten angesetzt werden (Lorenz, et al., 2019, pp. 589-590). Sofern es demnach gelänge, potenzielle Kunden mithilfe eines finanziellen Anreizes unterhalb dieses Kostensatzes zum Verzicht auf ein derartiges Sondertilgungsrecht zu bewegen, läge hierin ein Wertsteigerungspotenzial für anbietende Kreditinstitute bergründet. 2 Methode Im vorherigen Abschnitt wurde das unterjährige Sondertilgungsrechte im Kontext der Baufinanzierung als ein regelmäßiges Produktmerkmal beschrieben, welches einen Marktstandard reflektiert und dessen Einräumung von Kunden regelmäßig erwartet wird. Da dieses demnach vorkonfiguriert und ohne Zinsaufschlag angeboten wird, darf in Anlehnung an die Verhaltensökonomie vermutet werden, dass dieses bei einer etwaigen Abwahlentscheidung („Verkauf“) des Kunden einem Endowment-Effekt unterliegt. Diese Vermutung wurde im Zuge einer umfassenden Kundenbefragung im Zeitraum vom 27.09.2022 und 20.10.2022 untersucht, deren Hauptzweck in der Testung eines formulierten Strukturgleichungsmodells zur Erklärung des Ausübungsverhaltens impliziter Optionsrechte in der Baufinanzierung bestand. Diese umfasste eine Gesamtzahl von 500 Probanden der Altersgruppe 30 bis 65, welche mithilfe eines Online-Fragebogens zu sozioökonomischen sowie Persönlichkeitsmerkmalen befragt 184

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wurden. Darüber hinaus wurde das Wersteigerungspotenzial möglicher optimierter Preis- und Produktkonzepte untersucht. Zu letzteren zählte auch ein modifiziertes Preis- und Fragedesign zur Umgehung eines vermuteten Endowment-Effektes in Bezugnahme auf vertragliche Sondertilgungsrechte. Hierzu wurde eine Wahlentscheidung konstruiiert, welche anschließend in zwei unterschiedlichen Fragedesigns den entsprechenden Probanden vorgestellt wurde. Zu diesem Zwecke wurden die insgesamt 500 Probanden zufällig einer der beiden Fragedesigns zugelost, sodass ein etwaiger Präferenzunterschied infolge eines möglichen Endowment-Effektes anschließend mithilfe statistsicher Signifikanztests auf Gruppenunterschiede untersucht werden konnte. Die formulierten Fragedesigns, in der die Probanden jeweils ihre Präferenz zwischen einem 5%igen Sondertilgungsrecht und einem Preisnachlass von 0,05% äußern sollten, stellten sich wie folgt dar: 1) Stellen Sie sich vor, Ihnen läge ein Angebot für eine Baufinanzierung über 250.000 Euro zu fairen Konditionen vor. Dieses enthält ein Sondertilgungsrecht in Höhe von 5% der ursprünglichen Darlehensumme. Ihr Bankberater macht Sie darauf aufmerksam, dass, sofern Sie auf das Sondertilgungsrecht verzichten, Sie einen Preisnachlass in Höhe von 0,05% auf den Darlehenszins (also z.B. 3,52% statt 3,57%) erhalten würden. Wie entscheiden Sie sich? a) Ich behalte das Sondertilgungsrecht b) Ich wähle das Sondertilgungsrecht ab und nehme den Zinsrabatt 2) Stellen Sie sich vor, Ihnen läge ein Angebot für eine Baufinanzierung über 250.000 Euro zu fairen Konditionen vor. Als besonderen Kundenbonus dürfen Sie sich vor Abschluss einen zusätzlichen Kundenvorteil aussuchen. Entweder Sie erhalten bei unveränderter Leistung einen zusätzlichen Preisnachlass von 0,05% (also z.B. 3,52% statt 3,57%), oder Sie erhalten ohne Aufpreis ein Sondertilgungsrecht in Höhe von 5% der ursprünglichen Darlehenssumme als Vertragsbestandteil gratis dazu. Wie entscheiden Sie sich? a) Ich wähle den zusätzlichen Preisnachlass in Höhe von 0,05% b) Ich wähle das kostenlose Sondertilgungsrecht in Höhe von 5% Zur Vermeidung etwaiger Verzerrungen wurden bei beiden Fragedesigns die angebotenen Antwortmöglichkeiten zufällig rotiert. Als Resultat der zufälligen Zulosung der Probanden zu den beiden Fragedesigns ergab sich sich eine Fallzahl von 261 Antworten im Falle von Fragedesign 1 bzw. 239 im Falle von Fragedesign 2. Inhaltlich lässt sich leicht zeigen, dass beide Fragedesigns objektiv einander entsprechen. So betrüge der zu zahlende Preis für eine Baufinanzierung mit inkludiertem Sondertilgungsrecht bei einer entsprechenden Kundenpräferenz in beiden Fällen jeweils 3,57%. Aufgrund der gewählten Formulierung bezieht sich Fragedesign 1 jedoch auf eine Wahlentscheidung, bei der auf eine bereits erhaltene Leistung nachträglich wieder verzichtet werden soll. Demnach wäre ein etwaiger Endowment-Effekt bei Fragedesign 1 zu vermuten. Erkennen ließe sich dies beispielsweise durch eine signifikant unterschiedliche Verteilung der erhaltenen Rückmeldungen zwischen Fragedesigns 1 (Gruppe 1) und 2 (Gruppe 2) mit einer deutlich erhöhten Präferenz für das Sondertilgungsrecht innerhalb von Gruppe 1. 185

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3 Ergebnis / Erkenntnis 3.1 Ergebnisse des Experimentes Die Ergebnisse des durchgeführten Experimentes lassen einen deutlichen Einfluss des verwendeten Fragedesigns auf die Wahlentscheidung des Konsumenten erkennen. Die Verteilung der geäußerten Präferenzen kann Tabelle 1 entnommen werden. Fragedesign (Gruppe 1) 1 Fragedesign (Gruppe 2) 2 Präferenz Sondertilgung Präferenz Preisnachlass 206 55 130 109 Tab. 1: Verteilung der geäußerten Kundenpräferenzen in Abhängigkeit des Fragedesigns Demnach betrug die Präferenz für das Sondertilgungsrecht in Gruppe 1 ca. 79%, wogegen in Gruppe 2 nur eine Präferenz von 54% beobachtet werden konnte. Da es sich jeweils um Stichprobenergebnisse handelte, wurde für beide Gruppen das zugehörige Konfidenzintervall zur Schätzung des wahren Anteilswertes innerhalb der Grundgesamtheit berechnet. Daraus ergaben sich auf einem Konfidenzniveau von 95% für Gruppe 1 die Intervallgrenzen 74,06% bzw. 83,94% sowie für Gruppe 2 die zugehörigen Vergleichswerte 47,68% und 60,32%. Aus der Beobachtung leitet sich die Vermutung eines signifikanten Einflusses des gewählten Fragedesigns auf die Präferenzentscheidung des Konsumenten ab. Da die berechneten Konfidenzintervalle keinen Überschneidungsbereich aufweisen, ist bereits erkennbar, dass sich die zugehörige Nullhypothese, nach der das Fragedesign keinen signifikanten Einfluss auf die Verteilung der Kundenpräferenzen ausübt, auf einem Signifikanzniveau von 5% verwerfen lässt. Demnach ist ein signifkanter Einfluss des Fragedesigns festzustellen, welcher an dieser Stelle auf einen vorhandenen Endowment-Effekt bei der Abwahlentscheidung zuruckgeführt wird. Zur Interpretion des Ausmaßes (Relevanz) des als signifkant festgestellten Gruppenunterschiedes wurde für die in Tabelle 1 dargestellte Kreuztabelle das Effektstärkemaß „V“ nach CRAMER berechnet. Im Ergebnis gab sich ein Wert von 0,261, welcher in Anlehnung an die Interpretation von COHEN einem Effekt mittlerer Stärke entspricht (1988, p. 225). 3.2 Handlungsempfehlung Wie das im vorherigen Abschnitt dargestellte Feldexperiment zeigt, unterliegt die Präferenz für oder gegen ein inkludiertes Sondertilgungsrecht in der privaten Wohnbaufinanzierung einem Endowment-Effekt. Dies ist von hoher Relevanz, da die wenigen Institute, welche überhaupt die Abwahl eines Sondertilgungsrechtes gegen Preisnachlass praktizieren, dies wenn nach dem Vorbild des Fragedesigns 1 offerieren und demnach einem Endowment-Effekt ausgesetzt sind. Besser erscheint es, diesen intelligent mithilfe des in Fragedesign 2 getesten Vorgehens zu umgehen und die Quote der „Abwähler“ signifikant zu steigern. Dies ist deswegen erstrebenswert, da 186

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im Einzelfall gemessen an den Berechnungen von Lorenz et. al hiermit Margensteigerungen von 5 bis 10 Basispunkten verbunden sind. Da es sich bei Wohnbaufinanzierungen um äußert langfristige Kontrakte handelt, wirken sich auch zunächst gering anmutende Margenveränderungen in großen Barwertzuwächsen aus. Wird exemplarisch von einem jährlichen Neugeschäft eines Kreditinstitutes von 100 Mio. Euro bei zehjähriger Zinsbindung ausgegangen, so läge der Margenzuwachs unter Vernachlässigung von Tilgung und Diskontierung bereits bei 5 Basispunkten bei 500.000 Euro pro Jahr. Kreditinstitute sollten Sondertilgungsrechte, deren Inkludierung gegen einen ausgewiesenen Zinsaufschlag sich aufgrund der Kundenerwartung und des Wettbwerbsdrucks nur schwer argumentieren ließe, demnach dennoch nicht undifferenziert anbieten. Stattdessen erscheint mit dem Vorbild des Fragedesigns 2 eine sinnvolle Alternative gefunden, welche erhebliches Margensteigerungspotenzial beinhaltet. 4 Literaturverzeichnis Cohen, J. (1988). Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences. Second Edition. Hrsg. New York: Psychology Press. Glasl, J. (2020). www.der-bank-blog.de. [Online] Available uebermorgen/technologie/37662843/ at: https://www.der-bank-blog.de/versicherungen-gestern-heute-morgen-und- Grabbe, (2015). B. Available [Zugriff am 04 02 2022]. Kündigungsrechte in at: Privatkundendarlehen. [Online] https://d-nb.info/1080478906/34 Homburg, C. (2014). Grundlagen des Marketingmanagements. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage Hrsg. Wiesbaden: Springer Gabler. Kahnemann, D. (2012). Schnelles Denken, Langsames Denken. 18. Auflage Hrsg. München: Penguin Random House. Kahnemann, D. & Tversky, A. (1979). Prospect Theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, pp. 263-291. Kiefer, S. T. (2022). Empirische Untersuchung des Umgangs deutscher Sparkassen mit impliziten Optionsrechten im Baufinanzierungsgeschäft. Journal of Interdisciplinary Economic Research, pp. 38-48. Lorenz, T., Sievi, C. & Grabbe, B. (2019). Modellierung impliziter Optionsrechte im Kontext der In: S. Reuse, Hrsg. Praktikerhandbuch Zinsrisikomanagement. Zinsrisikosteuerung. Heidelberg: Finanz Colloquium Heidelberg, pp. 581-621. Thaler, R. (1980). Toward A Positive Theory Of Consumer Choice. Journal of Economic Behavior and Organization, pp. 39-60. 187

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 „EIN KATEGORISIERUNGSSCHEMA ZUR BESCHREIBUNG VON LOKALEN ONLINE-MARKTPLÄTZEN IN DEUTSCHLAND“ M. Meier1 University of Library Studies and Information Technologies Keywords: Lokale Online-Marktplätze, Digitalisierung, stationärer Handel, Online-Handel, Multi-Channel-Handel ABSTRACT Angetrieben durch die Digitalisierung befindet sich der Handel schon seit einigen Jahren in einem tiefgreifenden Wandel. Vor allem traditionelle stationäre Non-Food-Einzelhändler sehen sich angesichts eines veränderten Informations- und Kaufverhalten der Konsumenten zugunsten von Online- und Multi-Channel-Händlern zusehends mit der Notwendigkeit einer online-gerichteten Adaptierung des eigenen Geschäftsmodells konfrontiert. Einen niedrigschwelligen Einstieg in die Online-Welt versprechen für stationäre Einzelhändler die mittlerweile vielerorts in Deutschland entstehenden sogenannten lokalen Online-Marktplätze. Aufgrund der großen Vielfalt an Ausprägungen von lokalen Online-Marktplätzen gestaltet sich eine differenzierte wissenschaftliche Betrachtung derzeit jedoch schwierig. Um zukünftigen Forschungsarbeiten hierzu eine Handreichung zu geben, wurde im vorliegenden Beitrag ein Kategorisierungsschema zur Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen erarbeitet. 1 Michael Meier; michael.meier.bwl@gmx.de 1 Michael Meier; michael.meier.bwl@gmx.de 189

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 1. Einleitung Ein durch die Digitalisierung verändertes Konsumentenverhalten (Merkle, 2020, S. 5) findet bereits seit einigen Jahren in wachsenden Online-Umsätzen2 und steigenden Umsatzanteilen von Multi-Channel-Händlern3 seinen Ausdruck und stellt zunehmend die Geschäftsmodelle traditioneller stationärer Einzelhändler im Non-Food-Bereich infrage. Wie vorgenannte Entwicklungen andeuten, scheint eine online-gerichtete Anpassung des Geschäftsmodells für viele stationär ausgerichtete Einzelhändler unumgänglich. Vor allem kleine Einzelhandelsbetriebe stehen jedoch häufig vor dem Problem, dass sie nicht über die für den Aufbau von Online-Angeboten notwendigen Kompetenzen und finanzielle Mittel verfügen (BearingPoint & IIHD, 2015, S. 5; Vornholz, 2021, S. 175). Ein Ansatz um lokal ausgerichtete stationäre Einzelhändler den Einstieg in die Internetwelt zu erleichtern, stellen lokale Online-Marktplätze dar (Heinemann & Geffken, 2017). Bei lokalen Online-Marktplätzen handelt es sich um ein relativ neues Phänomen in der Handelslandschaft (Schade, Hübscher & Korzer, 2018, S. 149) zu dem sich bislang noch kein einheitliches Verständnis herausgebildet hat. In der Praxis zeichnen sich lokale Online-Marktplätze durch eine starke Heterogenität aus, wodurch eine differenzierte Betrachtung erschwert wird. Um zukünftigen Forschungsarbeiten eine Handreichung bei der Einordnung verschiedener Ausprägungsformen von lokalen Online-Marktplätzen zu geben und damit verbunden auch die Aggregationsfähigkeit und Vergleichbarkeit empirischer Untersuchungen zu diesem Thema zu erleichtern, besteht das Ziel des vorliegenden Beitrags in der Erarbeitung eines möglichen Kategorisierungsschemas zur Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen. Hierbei geht es nicht darum, ein Kategorisierungsschema zu erstellen, indem alle denkbaren Facetten des Forschungsgegenstandes abgebildet sind, sondern ein handhabbares Schema zu entwerfen, welches eine schnelle wie präzise Charakterisierung von lokalen Online-Marktplätzen ermöglicht. Ein solches Kategorisierungsschema könnte beispielsweise bei Studien, die sich mit der Wirksamkeit und Erfolgsaussichten von lokalen Online-Marktplätzen beschäftigen, helfen, ein differenziertes Bild zu erhalten und im Zuge dessen auch gegebenenfalls erfolgsrelevante Merkmale zu identifizieren. So weist zum Beispiel Hardaker (2022, S. 157) in Bezug auf vorgenannte Studien zutreffend darauf hin, dass hier allein eine fehlende Differenzierung zwischen nicht- transaktionalen und transaktionalen lokalen Online-Marktplätzen zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Um ein besseres Verständnis zu erhalten, wird in Kapitel 2 zunächst ein kurzer definitorischer Abriss zum Forschungsgegenstand gegeben. Sodann folgt in Kapitel 3 die Erarbeitung des Kategorisierungsschemas zur Beschreibung von lokalen Online- Marktplätzen. Hier konnten auf Basis einer systematischen Durchsicht ausgewählter 2 Der Online-Handel weist bereits seit einigen Jahren ein stetiges und beachtliches Wachstum auf. Während der Online-Umsatz in Deutschland im Jahr 2001 noch lediglich bei 1,6 Milliarden Euro (netto) lag, konnte der Online-Handel im Jahr 2021 bereits einen Umsatz in Höhe von 86,7 Milliarden Euro (netto) verzeichnen. Für eine detaillierte Übersicht über die Entwicklung des Online-Umsatzes in Deutschland siehe HDE & IFH Köln (2022, S. 7). 3 Nach Auswertungen des IFH Köln (2021, S. 39) haben sich in den vergangenen Jahren die Umsatzverteilungen im deutschen Non-Food-Handel erheblich zugunsten von Multi-Channel-Händlern verschoben. Seit dem Jahr 2015 entfällt ≥ 53,5 Prozent des Non-Food-Umsatzes auf Multi-Channel- Händler. Im Vergleich dazu konnten in den Jahren 2005 und 2010 noch rein stationär ausgerichtete Händler den größten Umsatzanteil auf sich vereinen (Jahr 2005: 71,2 Prozent; Jahr 2010: 53,9 Prozent). 190 Seite 2

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 Publikationen zu diesem Thema verschiedene Kategorien und Merkmale identifiziert bzw. abgeleitet werden, die lokalen Online- Marktplätzen nützlich erscheinen. Diese werden zuerst vorgestellt und anschließend in einem Kategorisierungsschema zusammengefasst. Der Artikel schließt mit einem kurzen Fazit. für eine Charakterisierung von Zum vorliegenden Beitrag ist anzumerken, dass hier ausschließlich solche Publikationen berücksichtigt wurden, die sich mit lokalen Online-Marktplätzen in Deutschland befasst haben. 2. Definitorischer Abriss zum Forschungsgegenstand Nach Heinemann (2022, S. 190) stellen lokale Online-Marktplätze eine Unterform virtueller Marktplätze dar. Synonym zum Begriff der lokalen Online-Marktplätze (z. B. Geisberger, Diener & Stahl, 2018, S. 43; Küffmann, 2020; Hardaker, 2022) tauchen in der Literatur weitere Termini wie beispielsweise Lokale Shoppingplattformen (Weber & Bollweg, 2016; Bärsch et al., 2021), Local Online Platforms (Schade, Hübscher & Korzer, 2018) und Local-Commerce-Plattformen (Heinemann, 2022, S. 189) auf. Die bisher in der Literatur aufgeführten Definitionen von lokalen Online-Marktplätzen sind nicht einheitlich, sodass an dieser Stelle keine allgemeingültig anerkannte Abgrenzung dieses Begriffs angeführt werden kann. Gemeinsam ist den meisten der gesichteten Definitionen jedoch, dass es sich bei einem lokalen Online-Marktplatz um einen lokal ausgerichteten virtuellen Marktplatz handelt, dessen Ziel in der Regel zuvorderst darin besteht, lokal ansässig stationäre Einzelhändler mit Kunden aus einer bestimmten Stadt bzw. Region zusammenzubringen und diesen dadurch Umsatz zuzuführen (Weber & Bollweg, 2016, S. 11; Schade, Hübscher & Korzer, 2018, S. 147; Küffmann, 2020, S. 498; Haderlein, 2018, S. 227; Bärsch et al., 2021, S. 125; Hardaker, 2022, S. 171). Manche Autoren stellen dabei zudem die große Bedeutung des ROPO-Effekts im Sinne des Webrooming (Research Online, Purchase Offline) heraus (z. B. Haderlein, 2018, S. 227; Geisberger, Diener & Stahl, 2018, S. 43). 3. Ein Kategorisierungsschema zur Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen Die in der gesichteten Literatur am häufigsten betrachteten und teilweise auch schon zur Typologisierung bzw. Kategorisierung von lokalen Online-Marktplätzen genutzten Merkmale betreffen die Sortimentsausrichtung (Weber & Bollweg, 2016, S. 17; Haderlein, 2018, S. 135 ff.; Heinemann, 2022, S. 190), die Funktionalität (Weber & Bollweg, 2016, S. 13 ff.; Haderlein, 2018, S. 135 ff.; Schade, Hübscher & Korzer, 2018, S. 151 f.; Geisberger, Diener & Stahl, 2018, S. 45 f.; Hesse, 2019, S. 30 ff.; Bärsch et al., 2019, S. 604 f.) und die Betreiberstruktur bzw. Infrastrukturgeber (Haderlein, 2018, S. 115 ff.; Geisberger, Diener & Stahl, 2018, S. 45; Hesse, 2019, S. 30 ff.; Hardaker, 2022, S. 159 f.). Hinsichtlich der Sortimentsausrichtung kann im Wesentlichen nach sortimentsübergreifenden und sortimentsspezifischen lokalen Online-Marktplätzen unterschieden werden (Heinemann, 2022, S. 190 f.). Weber & Bollweg (2016, S. 17) sprechen in diesem Zusammenhang auch von Generalisten (sortimentsübergreifend) und Spezialisten (sortimentsspezifisch). 191

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 im Sinne eines klassischen Online-Shops Der Umfang an Funktionalitäten von lokalen Online-Marktplätzen reicht von einer einfachen Auflistung ortsansässiger stationärer Händler mit deren Kontaktdaten und Öffnungszeiten, über die Angabe von Produktinformationen, die Möglichkeit zur Abfrage der Produktverfügbarkeit, die Weiterleitung zu einem Online-Shop bis hin zur Transaktionsausführung inklusive Zahlungsabwicklung und Lieferung (Weber & Bollweg, 2016, S. 14; Bärsch et al., 2019, S. 605). Haderlein (2018, S. 135 ff.) und Hesse (2019, S. 30 f.) führen als funktionales Merkmal zusätzlich noch die Möglichkeit zur Reservierung von Produkten an. Auf einem höheren Aggregationsniveau betrachtet können lokale Online-Marktplätze in Bezug auf ihre funktionale Ausrichtung in nicht-transaktionale und transaktionale lokale Online-Marktplätze unterteilt werden (eStrategy Consulting, 2022; Hardaker, 2022, S. 157). Ansätze zur Typologisierung bzw. Kategorisierung bei denen verschiedene Typen bzw. Arten von lokalen Online-Marktplätzen auf der Grundlage ihrer Funktionen gebildet werden, finden sich in der gesichteten Literatur z. B. bei Weber & Bollweg (2016, S. 14), Geisberger, Diener & Stahl (2018, S. 45 f.) und Bärsch et al. (2019, S. 605). Weber & Bollweg (2016, S. 13) weisen bezüglich ihrer Typologisierung darauf hin, dass Plattformen eines Typs auch Funktionsumfänge anderer Typen beinhalten können, dies aber nicht müssen. Im Gegensatz dazu gehen Geisberger, Diener & Stahl (2018, S. 45 f.) bei ihrem Klassifikationsansatz von einem Schalenmodell aus, bei dem die vorgelagerten bzw. auf den inneren Schalen befindlichen Varianten stets Teil der nachgelagerten bzw. auf den äußeren Schalen liegenden Varianten sind. Bei näherer Betrachtung zeigt aber auch dieser Ansatz eine gewisse Ungenauigkeit zulasten einer klaren Abgrenzung zwischen nicht-transaktional und transaktional ausgerichteten Varianten von lokalen Online-Marktplätzen. So kann die Variante „Vermittlungsplattform“ nach der Definition der Autoren entweder eine Weiterleitung zu einem Online-Shop eines Händlers oder eine unverbindliche Reservierung von Produkten beinhalten. Bei dem Ansatz von Bärsch et al. (2019, S. 605) kann festgestellt werden, dass die Reservierungsfunktion hier keine Beachtung findet und demnach nicht alle der im vorliegenden Beitrag angeführten Funktionen berücksichtigt werden. Wie die vorgenannten Einschränkungen zeigen, scheint eine widerspruchsfreie und alle relevanten Funktionen umfassende funktionsbasierte Typologisierung bzw. Kategorisierung von lokalen Online-Marktplätzen derzeit noch schwierig. Zur Sicherstellung einer klaren Abgrenzung wird im späteren Kategorisierungsschema daher der bereits erwähnten funktionalen Ausrichtung sowie der damit verbundenen Unterteilung in nicht-transaktionale und transaktionale lokale Online-Marktplätze der Vorzug gegeben. Ferner könnte es mit Blick auf vorherige Feststellung bis zu einer einwandfreien funktionsbasierten Typologisierung sinnvoll sein, bei tiefgreifenderen Untersuchungen zu den funktionalen Eigenschaften von lokalen Online-Marktplätzen einzelne Funktionen gesondert als mögliche Bestandteile von nicht-transaktional und transaktional ausgerichteten lokalen Online-Marktplätzen zu betrachten. Für eine bessere Nachvollziehbarkeit wurde in der nachfolgenden Abbildung eine Systematisierung der in diesem Beitrag genannten Funktionen als mögliche Bestandteile von nicht-transaktionalen und transaktionalen lokalen Online- Marktplätzen vorgenommen. So können beispielsweise nicht-transaktionale lokale Online-Marktplätze neben Kontakt- und Produktinformationen auch die Möglichkeit zur Abfrage der Produktverfügbarkeit bieten, eine indirekte bzw. direkte Transaktion ist jedoch nur bei transaktionalen lokalen Online-Marktplätzen möglich. 192 Seite 4

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 Abb. 1: Mögliche Funktionen von lokalen Online-Marktplätzen (Quelle: Eigene Darstellung) In Bezug auf die Betreiberstruktur bzw. Infrastrukturgeber kann nach Hardaker (2022, S. 160)4 zwischen lokalen Online-Marktplätzen unterschieden werden, die im Auftrag von einer Stadt mithilfe eines stadt- und verwaltungsunabhängigen Infrastrukturgebers (z. B. Atalanda) betrieben werden, die auf einer stadt- und verwaltungsseitig betriebenen Plattform basieren (z. B. Online-Marktplatz Aar-Einrich), die privatwirtschaftlich unter Verwendung einer eigenen Infrastruktur betrieben werden (z. B. Flobee) und solchen, die auf Zusammenschlüssen von Städten und etablierten (nicht-lokalen) Online-Marktplätzen beruhen (z. B. eBay Deine Stadt). Neben lokalen Online-Marktplätzen mit alleinigem Fokus auf dem Einzelhandel, gibt es auch solche, die nicht einzelhandelsbezogene Komponenten beinhalten. Die Integration nicht einzelhandelsbezogener Komponenten reicht beispielsweise von einer Erweiterung um städtische Services (z. B. lokale Veranstaltungen) und die Platzierung von weiteren ortsansässigen Anbietern aus verschiedenen Branchen (z. B. Gastronomie) in eigenständigen lokalen Online- Marktplätzen (Schade, Hübscher & Korzer, 2018, S. 148 f.) bis hin zu einem sogenannten integrierten Konzept, bei dem der lokale Online-Marktplatz lediglich ein Bestandteil einer Website, z. B. die einer Stadt, darstellt (Haderlein, 2018, S. 136). Informationen über Ein weiterer Aspekt betrifft die technische Umsetzung von lokalen Online- Marktplätzen. Hierzu existieren sowohl Web- als auch App-basierte Lösungen (Geisberger, Diener & Stahl, 2018, S. 45; Schade, Hübscher & Korzer, 2018, S. 147). Zusätzlich zu den vorgenannten Ausführungen wird das nachfolgende Kategorisierungsschema um die geographische Herkunft der Händler und Reichweite der Kunden ergänzt. Auch wenn die beiden Kategorien bereits qua Definition als ausreichend spezifiziert gelten sollten, scheint eine gesonderte Berücksichtigung im Kategorisierungsschema in Anbetracht der in der Praxis diesbezüglich bestehenden Unterschiede für eine exakte Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen geboten. 4 Hardaker (2022, S. 157) konzentriert sich in ihrem Beitrag ausschließlich auf transaktionale lokale Online-Marktplätze. Seite 5 193

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 So konnte beispielsweise Hardaker (2022, S. 162) im Rahmen von Interviews Unterschiede zwischen verschiedenen Betreibern von lokalen Online-Marktplätzen bezüglich des Verständnisses zur lokalen Herkunft der Anbieter feststellen. Während zum Beispiel eine Gewerbeanmeldung in der Stadt Monheim eine Voraussetzung für die Aufnahme in den dortigen lokalen Online-Marktplatz (Monheimer Lokalhelden) darstellt, werden bei Boxbote (Augsburg) Händler aus der Region angezeigt. Wie bereits in Kapitel 2 dargelegt, liegt der Fokus von lokalen Online-Marktplätzen in der Regel vorwiegend auf der Ansprache von Kunden vor Ort bzw. aus der Region. Trotz dieses lokalen Schwerpunkts gibt es lokale Online-Marktplätze, die eine überregionale Lieferung von Produkten anbieten. So wird beispielsweise auf der Website des lokalen Online-Marktplatzes Online City Wuppertal explizit auf die Möglichkeit einer deutschlandweiten Lieferung hingewiesen. Herkunft der Händler lokal regional Reichweite der Kunden lokal regional überregional Sortimentsausrichtung sortimentsübergreifend sortimentsspezifisch Funktionale Ausrichtung Nicht einzelhandels- bezogene Komponenten nicht-transaktional transaktional Städtische Services keine (alleiniger Fokus auf den Einzel- handel) Weitere lokale bzw. regionale Anbieter aus ver- schiedenen Branchen (…) Integriertes Konzept Betreiberstruktur bzw. Infrastrukturgeber LOM mit stadt- und verwal- tungsseitig betriebener Infrastruktur LOM5 im Auftrag einer Stadt mithilfe eines stadt- und verwaltungs- unabhängigen Infrastruktur- gebers LOM, der privat- wirtschaftlich mit einer stadt- und verwal- tungsunab- hängigen Infrastruktur betrieben wird LOM, der auf einem Zusam- menschluss einer Stadt und eines etablierten (nicht-lokalen) Online-Markt- platzes beruht Technische Umsetzung Web-basiert App-basiert Tab. 1: Kategorisierungsschema zur Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen (Quelle: Eigene Darstellung)6 5 LOM steht als Abkürzung für lokaler Online-Marktplatz. 6 Bei der Darstellung des Kategorisierungsschemas wurde sich an Köhli & Fassnacht (2022, S. 576) orientiert. Das Kategorisierungsschema zur Beschreibung elektronischer B2C-Marktplätze der beiden vorgenannten Autoren wurde entsprechend des Themas und Inhaltes des vorliegenden Beitrags für lokale Online-Marktplätze adaptiert. 194 Seite 6

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4. Fazit Im Zentrum des vorliegenden Beitrags stand die Erarbeitung eines Kategorisierungsschemas zur Beschreibung von lokalen Online-Marktplätzen. Auf Basis einer systematischen Durchsicht ausgewählter Publikationen konnten hierzu insgesamt sieben Kategorien identifiziert bzw. abgeleitet werden: Herkunft der Händler, Reichweite der Kunden, Sortimentsausrichtung, funktionale Ausrichtung, nicht einzelhandelsbezogene Komponenten, Betreiberstruktur bzw. Infrastrukturgeber und technische Umsetzung. Außerdem konnte dabei festgestellt werden, dass den funktionalen Eigenschaften von lokalen Online-Marktplätzen in einigen der gesichteten Publikationen eine besondere Beachtung zukommt, aber eine umfassende und gleichzeitig widerspruchsfreie funktionsbasierte Typologisierung bzw. Kategorisierung derzeit noch schwierig scheint. Ferner konnten im Rahmen des definitorischen Abrisses zum Forschungsgegenstand Gemeinsamkeiten im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners im definitorischen Verständnis verschiedener Autoren aufgezeigt werden. Abschließend ist in Bezug auf das erstellte Kategorisierungsschema anzumerken, dass dieses keinen Anspruch auf Vollständigkeit für sich erhebt. 5. Literaturverzeichnis Bärsch, S., Bollweg, L., Lackes, R., Siepermann, M., Weber, P. & Wulfhorst, V. (2019). Local Shopping Platforms - Harnessing Locational Advantages for the Digital Transformation of Local Retail Outlets: A Content Analysis. In: Ludwig, T. & Pipek, V. (Hrsg.): Human Practice. Digital Ecologies. Our Future. Tagungsband: 14. Internationale Tagung Wirtschaftsinformatik (WI 2019). Siegen: universi - Universitätsverlag Siegen. S. 602-616. Bärsch, S., Bollweg, L., Weber, P., Wittemund, T. & Wulfhorst, V. (2021). Local Retail Under Fire: Local Shopping Platforms Revisited Pre and During the Corona Crisis. In: Ahlemann, F., Schütte, R. & Stieglitz, S. (Hrsg.): Innovation Through Information Systems: Volume I: A Collection of Latest Research on Domain Issues. Cham: Springer Nature Switzerland AG. S. 123-139. BearingPoint & IIHD (2015). Strukturwandel im deutschen Einzelhandel: Warum gerade Klein- und Mittelstädte von den Folgen des Strukturwandels im Einzelhandel besonders betroffen sind. Red Paper | Retail & Consumer N° 8. Verfügbar unter: https://www.bdu.de/media/32083/manke-studie- 8.pdf [letzter Zugriff: 20.11.2020]. eStrategy Consulting (2022). Studie zu lokalen Marktplätzen & Chancen für den stationären Handel [Update 2022]. Verfügbar unter: https://www.estrategy-consulting.de/de/studie/lokale- online-marktplaetze/ [letzter Zugriff: 01.10.2022]. Geisberger, B., Diener, M. & Stahl, E. (2018). Lokale Initiativen zur Digitalisierung des Handels: Status quo und Erfolgsfaktoren. ibi research an der Universität Regensburg GmbH, Regensburg (Hrsg.). Verfügbar unter: https://www.ecommerce-leitfaden.de/studien/item/lokale-initiativen-zur- digitalisierung-des-handels-2018 [letzter Zugriff: 22.09.2022]. Haderlein, A. (2018). Local Commerce: Wie Städte und Innenstadthandel die digitale Transformation meistern. Frankfurt am Main: Local Commerce Alliance. Seite 7 195

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Wiener Universitäre Schriften Ausgabe Frühjahr 2023 Hardaker, S. (2022). Lokale Online-Marktplätze: Intermediäre im online-lokalen Raum. In: Appel, A. & Hardaker, S. (Hrsg.): Innenstädte, Einzelhandel und Corona in Deutschland. Würzburg: Würzburg University Press. S. 153-176. HDE & IFH Köln (2022). Online-Monitor 2022. Verfügbar unter: https://einzelhandel.de/index. php?option=com_attachments&task=download&id=10659 [letzter Zugriff: 21.03.2023]. Heinemann, G. (2022). Der neue Online-Handel: Geschäftsmodelle, Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce. 13 Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Heinemann, G. & Geffken, M. (2017). Local Commerce - Rettungsanker oder vergebene Liebesmüh?. Verfügbar unter: https://etailment.de/news/stories/Marktplatz-local-commerce-20486 [letzter Zugriff: 13.09.2022]. Hesse, A. (2019). Digital-lokaler Einzelhandel. In: Wissenschaftliche Schriften des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften. Hochschule Koblenz - University of Applied Sciences. Nr. 29 - 2019. IFH Köln (2021). Relevanz Multi-Channel und Besuchsgründe im stationären Handel. In: Handelsverband Deutschland - HDE e.V. (Hrsg.): Standortmonitor 2021. S. 38-40. Verfügbar unter: https://einzelhandel.de/component/attachments/download/10514 [letzter Zugriff: 25.08.2022]. Köhli, K. C. & Fassnacht, M. (2022). Elektronische B2C-Marktplätze als Vertriebskanal in Deutschland - Eine Taxonomie. In: Roth, S. & Corsten, H. (Hrsg.): Handbuch Digitalisierung. München: Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 569-588. Küffmann, K. (2020). Vergleich ausgewählter lokaler Online-Marktplätze für stationäre Einzelhändler. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik. Vol. 57. No. 3, S. 493-511. Merkle, W. (2020). Erfolgreich im stationären Einzelhandel: Wege zur konsequenten Profilierung im digitalen Zeitalter. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Schade, K., Hübscher, M. & Korzer, T. (2018). Smart Retail in Smart Cities: Best Practice Analysis of Local Online Platforms. In: Callegari, C., van Sinderen, M., Novais, P., Sarigiannidis, P., Battiato, S., Sánchez de León, Á. S., Lorenz, P. & Obaidat, M. S. (Hrsg.): Proceedings of the 15th International Joint Conference on e-Business and Telecommunications (ICETE 2018). Vol. 1. SCITEPRESS - Science and Technology Publications, Lda. S. 147-157. Vornholz, G. (2021). Digitalisierung der Immobilienwirtschaft. 2 Auflage. Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH. Weber, P. & Bollweg, L. M. (2016). Lokale Shoppingplattformen 2016. Verfügbar unter: https://ccec-online.de/wp-content/uploads/2016/10/CCEC_RESEARCH_LSP__2016.pdf [letzter Zugriff: 05.09.2022]. 196

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Einleitung 1. Bereits in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich Wissenschaftler Gedanken zu der idealen Arbeitsumgebung gemacht. Unter dem Namen „Grundlagen humaner Arbeitsplatz- und Arbeitsraumgestaltung im Büro“, veröffentlichte Gerhard Förster im Jahr 1979 ein Manuskript darüber, wie ein Schreibtischarbeitsplatz auszusehen hat, damit die Mitarbeiter gesund bleiben und sich wohlfühlen. Seine Zielgruppe waren Schreibkräfte, Stenokontoristen, Sacharbeiter, Sekretärin und ähnliche Berufe. Seit damals hat sich jedoch vieles verändert. Mikrofilmlesegeräte wurden von Computern und später durch Laptops ersetzt und Festnetztelefone machten Platz für Handys. Selbst Bücher, Dokumente und die Ablage stehen den Mitarbeitern heute digital zur Verfügung. (Förster, 1979, S. 1ff.) Durch die COVID-19-Pandemie hat sich die Arbeitswelt weiter verändert. In Zukunft wird nach einer Citrix-Studie allein in Deutschland von 0,79 festen Arbeitsplätzen je Mitarbeiter mittelfristig ausgegangen. Die Reduzierung begründet sich nicht nur darauf, dass die Mitarbeiter an verschiedenen Orten im Unternehmen oder von zu Hause aus, dem Homeoffice, arbeiten, sondern es werden auch zunehmend Co- Working Spaces und öffentliche Räume als Arbeitsplätze erschlossen. Dazu zählen unter anderem Cafés, aber auch Bahnhöfe und Flughäfen. (Klaffke, 2017). Bei der Reduzierung ist darauf zu achten, dass keinesfalls die kurzfristige Kosteneinsparung im Vordergrund stehen soll. Vielmehr geht es darum, alle Möglichkeiten, welche die Innovationskraft und das Engagement der Mitarbeiter erhöhen, auszuschöpfen. Vorreiter ist hier das Silicon Valley: Im Vergleich zu Deutschland, wo die Arbeitsplatzgestaltung meistens Teil des Facility Managements ist, haben viele Unternehmen im Silicon Valley diese Aufgabe als Kommunikationsinstrument erkannt und als zentrales Element in die Workforce Strategy eingebettet. In Deutschland arbeiten rund 17 Millionen oder 40 % der Erwerbspersonen in Büros, welche häufig weder die Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen berücksichtigen noch geeignete Voraussetzungen für gute Kommunikation, Kollaboration, Wissenstransfer und Kreativität bieten oder die Technologisierung unterstützen. Dies wird auch den deutschen Banken sichtbar. Wie weiter unten gezeigt wird, arbeiten alle Personen, die in dieser Arbeit zu einem Interview bereit waren, in Waben-, Projekt- oder Großraumbüro. Die neuen Bürogestaltungen sind in der konservativen Welt der Banken nur teilweise angekommen. Obwohl sich auch in Deutschland der Begriff „Future Workplace & Office“ durchgesetzt hat, unter dem seit einigen Jahren neue Bürowelten diskutiert werden. Diese sollen nicht nur eine ideale Flächennutzung erlauben, sondern gleichzeitig die Kreativität, Produktivität und Arbeitgeberattraktivität steigern. Die letzten 100 Jahre haben sich die Bürokonzepte stark gewandelt. Treiber waren unter anderem soziale und wirtschaftliche Veränderungen, technologische Entwicklungen und Trends in Architektur und Design. Moderne Arbeitsplatzkonzepte setzten auf die Selbstbestimmung bei der Arbeitsplatzwahl. So kann der Mitarbeiter für jede Arbeitsaufgabe einen geeigneten Ort aufsuchen. (Klaffke, 2017). Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden mit welchem Raumkonzept Projektmitarbeiter im Bankenumfeld die idealen Vorrausetzungen haben um kreativ und somit produktiv zu arbeiten. 198

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2. Methode – Literaturarbeit In erster Linie wird auf die Erfahrungen von langjährigen Projektmitarbeitern aus den verschiedensten Positionen und Unternehmen des Bankwesens zurückgegriffen. Mithilfe eines semistrukturierten Interviews werden Ihnen gezielt Fragen gestellt, dabei jedoch genug Möglichkeit zur freien Berichterstattung gewährt. In den Interviews wurde zunächst herausgearbeitet, welche Bürokonzepte bei den Banken vorliegen. Darauf aufbauend wurde von den Interviewpartnern bewertet, welchen Anforderungen die jeweiligen Bürokonzepte genügen. Bei Wabenbüros oder Zellbüros handelt es sich um kleinere geschlossene Büros mit wenigen oder nur einem Arbeitsplätz, welche sich entlang eines Mittelflurs reihen. Diese Büroart ist in Deutschland stark verbreitet. Sie besitzen innerhalb einer Firma häufig, identische Raumabmessungen. Um zu kommunizieren, müssen die Mitarbeiter aktiv aufeinander zugehen. Dies kann erleichtert werden, indem Türen nicht nur zum Mittelflur, sondern auch direkt zwischen den einzelnen Büros eingebaut werden. Dadurch geht jedoch zum einen Stellfläche verloren, zum anderen besteht die Gefahr, dass diese Türen als Verbindungswege über mehre Büros genutzt werden. (Klaffke, 2017) Das Projektbüro oder Gruppenbüro wurde vor ca. 40 Jahren entwickelt und bietet genügend Arbeitsplätze für ca. 3 bis 25 Mitarbeiter. Die Größe richtet sich nach der Anzahl der Teammitglieder, woraus sich nach den „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR) eine Raumgröße von mindestens 20 bis 250 Quadratmeter ergibt. (BAuA, 2013, ASR A1.2 Kapitel 5 Abs. 4.) In einem Großraumbüro arbeiten mehrere hundert Mitarbeiter zusammen in einem Büro mit einer Größe von ca. 400 bis 5.000 Quadratmeter. Diese offene Fläche wird meist nur von Stützen unterbrochen, was eine äußert flexible Anordnung der Arbeitsplätze erlaubt. Stellwände, Schränke und Wandsysteme unterteilen die große Fläche häufig in kleinere Bereiche, welche bei Bedarf schnell und kostengünstig umgestellt werden können. Die offene Bürofläche unterstützt spontane Kommunikation, wobei R. Schneider und M. Gentz herausgefunden haben, dass diese jenseits einer Entfernung von 12 Metern auf ein Minimum sinkt. Der Übergang vom Projektbüro zum Großraumbüro ist schwimmend. Schneider und Gerz beschreiben den wesentlichen Unterschied im hohen technischen Aufwand für Lüftungsanlagen und Raumklimatisierung aufweisen und auch einen durch die große Raumtiefe resultierenden geringeren Fassadenanteil je Arbeitsplatz. (Neuhaus, 2002, S. 110 und SCHNEIDER/GENTZb, 1997, S. 92) Bei Communication-Areas handelt es sich um informelle Orte wie Lounges, Breakout Areas, Cafés oder Bistros. Lange wurde ihnen keine große Bedeutung entgegengebracht, doch Untersuchungen zeigen, dass sich gerade an diesen Orten Informationen zügig verbreitet und somit Arbeitsprozesse erheblich beschleunigt werden können. Gleichzeitig ist es möglich unverfänglich mit Kollegen ins Gespräch zu kommen, über aktuelle Arbeitsthemen zu reden, sich fachübergreifend auszutauschen und sich so gegenseitig zu inspirieren, besonders wenn Kollegen aus 199

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verschiedenen Abteilungen und Bereichen diese Communication-Areas aufsuchen. (Value Office Circle, 2006, S 175. und Klaffke, 2017) Die Telefonbox ist eine kleine bis mittelgroße, schallisolierte Box von teilweise unter einem Quadratmeter bis zu einer Größe eines Meetingraums. Moderne Telefonboxen sind mit Lüftung, Licht, Ladekabel und Stromanschlüssen ausgestattet. Je nach Größe ist auch ein Tisch und Stuhl/Stühle vorhanden. Diese Boxen können innerhalb kurzer Zeit an jedem Ort mit Stromanschluss sowohl mitten im Büro als auch in einen breiten Gang oder Nische aufgestellt werden. offene Einzelarbeitsplatze, formelle und Beispiel Wabenbüros, Die moderne Büroart Business-Club verbindet die bekanntesten Bürokonzepte wie zum Desk-Sharing, Besprechungsräume und einer Lounge zu einer ganz individuellen Arbeitsumgebung. Der Mitarbeiter kann je nach Aufgabe und persönlichen Bedürfnissen den Arbeitsplatz aussuchen, den dieser gerade benötigt. Es werden Möglichkeiten zur Einzel- und Teamarbeit angeboten und es soll gleichzeitig die informelle Kommunikation fördern. Dazu gibt es verschiedene Zonen, die jeweils einen bestimmten Zweck dienen. Für das konzentrierte Arbeiten kann sich der Mitarbeiter in eines der Einzelbüros zurückziehen. Die Besprechungsräume dienen lauteren Diskussionen oder Meetings, ohne die anderen zu stören. Offene Arbeitsplätze können genutzt werden, um die Zusammenarbeit zu indem sich mehrere Teammitglieder zusammensetzen und sich so per Zuruf gegenseitig unterstützen. Die Lounge bietet die ideale Gelegenheit, mit anderen Teammitgliedern in Kontakt zu treten, bei einer Tasse Kaffee zu entspannen oder einfach nur mit dem Laptop entspannt auf dem Sofa zu arbeiten. Gerade bei der Entwicklung neuer Lösungen ist die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht von entscheidender Bedeutung. Beim Business-Club fällt auf, dass der Anteil der Flächen, welcher die Kommunikation unter den Kollegen ermöglichen und unterstützen soll höher ist als in den meisten anderen Modellen. Laut Ralf Neuhaus berichten viele Führungskräfte und Mitarbeiter, dass so ihre Kommunikation intensiver ist und gleichzeitig auch der Informationsfluss beschleunigt wurde. (Neuhaus, 2003, S. 59) fördern, Zur Definition und Kategorisierung der Bürokonzepte (Wabenbüro Projektbüro, Großraumbüro, Communication-Area, Telefonbox, Business-Club, Shared Desk, Homeoffice) dienen entsprechende Quellen aus der Literatur. (Klaffke, 2017, Neuhaus, 2002 und 2003, und Value Office Circle, 2006) 3. Ergebnis Über die Jahre haben sich viele verschiedene Büroarten entwickelt. Jedes hat seine Berechtigung, ist jedoch nicht für jede Arbeitsaufgabe geeignet. Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, dass jedes Büro Vor- und Nachteile hat. Communication-Areas und Telefonbox müssen in der nachfolgenden Tabelle als eigenständige Büroart angesehen werden und nicht als Zusatz von anderen Büroarten. 200

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o r ü b m u a r ß o r G - n o i t i a c n u m m o C s a e r A o r ü b t k e o r P j XX XX X XX X XX x o b n o f e e T l l b u C - s s e n s u B i XX XX k s e D - d e r a h S XX XX XX X X e c i f f o e m o H X XX XX XX XX XX XX X XX X X X XX XX XX X XX XX Büroart Anforderungen zu Kurze Wege Kollegen Einfache Kommunikation Raumflexibilität Kreativitätsfördernd o r ü b n e b a W Wohlfühltemperatur XX Konzentriertes Arbeiten XX Gute Flächenausnutzung Tab. 1: Fazit Bürokonzepte (Quelle: Eigene Darstellung) XX = zutreffend X leer = nichtzutreffend = teilweise zutreffend Kurze Wege, eine vereinfachte Kommunikation und eine kreativitätsfördernde Umgebung bieten vor allem Bürokonzepte, die für viele Mitarbeiter ausgelegt sind. Die Communication-Areas eignen sich, was der Name bereits unterstreicht, um Informationen zwischen Mitarbeitern auszutauschen und dadurch neue Ideen zu entwickeln. Auf der anderen Seite liefern sie jedoch häufig Beschwerden aufgrund mangelnder Konzentration und ungemütlicher Temperatur. Im Gegensatz dazu bieten Arbeitsplätze mit nur einem oder wenigen Mitarbeitern angenehme Temperaturen und Möglichkeiten, konzentriert zu arbeiten. Aus wirtschaftlicher Sicht ist noch hinzuzufügen, dass Projekträume tendenziell weniger Fläche benötigen als Waben-, Großraumbüros oder Business-Clubs. Sowohl Shared-Desks als auch Homeoffice können selbstverständlich Bürofläche einsparen. Der Business-Club und das Projektbüro sind von der Theorie gleichwertig. Der Business-Club deckt ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten ab, während das Projektbüro spezialisierter ist. Somit ist je nach aktueller Situation entweder das Projektbüro oder der Business-Club die bessere Wahl. Als erfolgversprechendste Arbeitsumgebung hat sich sowohl theoretisch als auch praktisch der Business-Club herausgestellt. Er bietet ausreichend Arbeitsplätze für jeden Aufgabentyp. Die offen geschnittene Bürolandschaft ermöglicht eine sehr gute Kommunikation und bietet viele Gelegenheiten spontan in Kontakt zu treten. Kleinere Besprechungen können sowohl in der bequemen Lounge als auch im Café oder einer 201

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der Besprechungsinseln abgehalten werden. Für größere Meetings steht ein großer, idealerweise voll ausgestatteter Besprechungsraum zur Verfügung. Kleinere Gruppen können sich aber auch in ein Wabenbüro zurückziehen und dort sowohl in Ruhe als auch etwas lauter arbeiten, ohne von den anderen Mitarbeitern gestört zu werden, bzw. diese zu stören. Für Aufgaben, welche eine hohe Konzentration erfordern, stehen ebenfalls mehrere Einzelbüros zur Verfügung. Eine schallisolierte Telefonbox für ungestörte Gespräche rundet das Angebot ab. In der Reinform des Business-Clubs wird das Shared-Desk-Prinzip konsequent umgesetzt. Dies sollte jedoch nach bisherigen Auswertungsstand dringendst vermieden werden. Mitarbeiter, welche nahezu täglich im selben Büro arbeiten, empfinden einen eigenen Schreibtisch als Hygienefaktor. Wenn dieser private Ort nicht zur Verfügung steht, sinkt die Grundzufriedenheit und somit die Leistung. Ein fester Arbeitsplatz bedeutet jedoch wieder den Verlust der unterschiedlichen Arbeitsplatzmöglichkeiten oder einer Reduzierung der Auslastung, da weniger Mitarbeiter in einem Business-Club arbeiten. Um sowohl die meisten Vorteile zu erhalten als auch auf die Kosten zu achten wäre es möglich, den Business-Club mit dem Projektbüro zu kombinieren. Abb. 1: Weiterentwicklung des Business-Club (Quelle: Eigene Darstellung) So entsteht eine deutlich größere offene Fläche. Auf ihr können nun wie in einem Projektbüro die einzelnen Teammitglieder zusammensitzen. In diesem Bereich sollte jeder Mitarbeiter einen eigenen festen Arbeitsplatz erhalten. Alle übrigen Flächen wie Wabenbüros, Communication-Areas, Meetingräume, … stehen somit mehreren Personen zur Verfügung. Dies senkt die Kosten, bietet aber weiterhin die Möglichkeit diese im Shared-Desk-Prinzip zu nutzen. Um eine weitere Entlastung zu erzielen und gleichzeitig auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen, sollte zudem Homeoffice angeboten werden. Dies behindert jedoch wiederum den offenen Kommunikationsfluss. Die 202

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Herausforderung ist nun das optimale Gleichgewicht zu finden. Vorstellbar wäre beispielsweise, dass alle Teammitglieder zwei bis drei Werktage pro Woche im Büro für Meetings und sonstige Absprachen anwesend sind. In diesen regelmäßigen Abständen ist es möglich, ein Gefühl für die aktuelle Projektsituation zu erhalten und sich mit den Kollegen auszutauschen. Die anderen Tage könnten die Mitarbeiter anschließend selbst entscheiden, von wo und auch wann sie arbeiten möchten, um sich der aktuellen Projektsituation optimal anzupassen. Diese Arbeit hat gezeigt, dass sich nicht alle Büroarten für Wissensarbeiter im Bankwesen eignen. Laut Interviews mit betroffenen Mitarbeitern werden jedoch auch diese in Banken verwendet. So ist es möglich, dass die Mitarbeiter für die Bank neue kreative Ideen und Lösungsansätze entwickeln, damit die Bank auch in Zukunft erfolgreich ist. Literaturverzeichnis 4. Förster, G. (1979). Grundlagen humaner Arbeitsplatz- und Arbeitsraumgestaltung im Büro, AWV. 1ff. Klaffke, M. (2017). Büro der Zukunft: Was Deutschland vom Silicon Valley lernen kann. Verfügbar unter: https://www.huffingtonpost.de/martin-klaffke/buero-zukunft-deutschland-silicon- valley_b_14810078.html. Neuhaus, R. (2002). Büroarbeit Planen und Gestalten – Teil 1: Bildschirmarbeit und Büroraumplanung. Bachem. S. 110. Neuhaus, R. (2003). Büroarbeit Planen und Gestalten – Moderne Bürokonzepte und Telearbeit. Bachem. S. 59. Schneider, Rüdiger/Gentz, Michael (1997). Intelligent Office – Zukunftssichere Bü-rogebäude durch ganzheitliche Nutzungskonzepte. Müller. 92. Value Office Circle (2006). Die lebende Immobilie – Arbeitswelt der Zukunft. Publi-cis. 175. 203

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„KREATIVITÄTSFÖRDERNDE ARBEITSZEITMODELLE IN DER PROJEKTARBEIT VON BANKEN“ M. Metzger1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Projektmanagement, Arbeitszeitmodell, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Bank ABSTRACT Projektmitarbeiter in der Bankenbranche benötigen Arbeitszeitmodelle, in welchen sie sich wohl fühlen können, um kreativ zu arbeiten. Hierfür eignen sich flexible Gleitzeit- als auch Vertrauensarbeitszeitmodelle. Beide erfüllen die Anforderungen an die moderne Arbeitswelt, wobei sich in der Praxis Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit als das erfolgreichste Arbeitszeitmodell herausgestellt hat. Wäre die Vertrauensarbeitszeit aktuell nicht indirekt verboten, könnte sie sich bei klar definierten Rahmenbedingungen als das Modell der Zukunft etablieren. 1 Marina Metzger; marina.metzger90@gmail.com 205

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Einleitung 1. Jedes Unternehmen steht vor der Herausforderung, für die verschiedenen Arbeitsbereiche, Positionen oder sogar Mitarbeiter das richtige Arbeitszeitmodell zu verwenden. Allerdings gilt die Bankenbranche, laut einer WZB-Auswertung von Expertengesprächen, als eines der konservativsten Arbeitsfelder im Bereich der Arbeitszeitregelungen und Arbeitszeitgestaltung. Nicht nur traditionell als innovativ geltende Branchen wie die Kommunikations- und Werbebranche, sondern auch die Chemie und Autoindustrie sind der Bankenbranche hier voraus. (Wotschack/et al., 2011, S. 4.) Ziel dieser Untersuchung war es, die idealen Arbeitszeitbedingungen für die Projektarbeit bei Banken zu definieren. Hierfür wurde neben umfangreicher Literatur auch auf die Erfahrungen von 13 langjährigen Projektmitarbeitern aus den verschiedensten Positionen und Unternehmen zurückgegriffen. In Deutschland ist es nicht einfach, die Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit, den neu gewonnen Gewinn an Zeitsouveränität und das deutsche Arbeitsschutzgesetz zu vereinen. Nichtsdestotrotz ist Deutschland bei der Arbeitnehmerzufriedenheit, laut des Eurobarometers, mit 38 % sehr und 45 % eher zufriedenen Arbeitnehmern, in der Spitzengruppe zu finden. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der deutschen Unternehmen, die verschiedene, flexible Zeitmodelle anbieten, zwar nur leicht über dem Durchschnitt liegt, (78 % DE zu 71 % EU), diese Unternehmen aber einer überdurchschnittlichen Anzahl an Mitarbeitern die Möglichkeit einräumen die entsprechenden Arbeitszeitmodelle auch zu nutzen (36 % DE zu 27 % EU). Die Datenlage bzgl. Verbreitung und breitem Einsatz von Arbeitszeitmodellen ist inkonsistent. Diese wurden nur durch Stichproben, Selbstauskünfte und Umfragen erhoben. So liegen Datenerhebungen der EU, des BMFSFJ und verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute, obwohl in zeitlich enger Abfolge erfasst, zum Teil um bis zu 17 % auseinander. Verbesserungswürdig ist die Kommunikation der Möglichkeit von verschiedenen Arbeitszeitmodellen. Es bieten zwar 89 % der Unternehmen, laut eigener Aussage, entsprechende Modelle an, aber nur 58 % der Mitarbeiter haben von diesen Möglichkeiten Kenntnis. Eine Beratung, Arbeitszeitmodelle betreffend, sollte somit nicht nur für Führungskräfte und Personalverantwortliche durchgeführt, sondern direkt an den Mitarbeiter gerichtet werden. 2. Projektmitarbeiter im Bankwesen, stellen besondere Anforderungen an ihr Umfeld. Möchte der Arbeitgeber eine optimale Produktivität dieser Mitarbeitergruppe erreichen, muss er auf die Wünsche seiner Mitarbeiter eingehen – so ist z. B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein immer wichtiger werdender Punkt, sowohl bei der Wahl des Arbeitgebers, als auch der Arbeitszufriedenheit. Flexible Arbeitszeiten zählen längst zu den wichtigsten Motivationsfaktoren qualifizierter Mitarbeiter. Allerdings muss der in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, natürlich auch Literaturarbeit und Methode 206

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wie das Mutterschutzgesetz (MuSchuG) oder ist Deutschland bei der Arbeitnehmerzufriedenheit, Arbeitgeber natürlich auch bei hochqualifiziertem Personal die Möglichkeit zur Steuerung und Kontrolle behalten. (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2007, S. 8. und Stefan, 2015) Die Gesetze zur Arbeitszeitregelung in Deutschland bilden den Rahmen für innovative Arbeitszeitmodelle. In dieser Untersuchung wurde bewusst ausschließlich auf das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchuG) referenziert, und auf die Beachtung weiterer Gesetzte das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchuG) verzichtet. Es hat als Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zu gewährleisten. Viele Arbeitszeitmodelle haben sich jedoch außerhalb des deutschen Rechtsystems entwickelt und wurden anschließend in Deutschland integriert. Die Umsetzung dieser teilweise vor vielen Jahrzehnten verfassten Schutzmaßnahmen kann die Effektivität der einzelnen Modelle in Deutschland erheblich einschränken, oder im Falle der Vertrauensarbeitszeit sogar indirekt verbieten. (Arbeitszeitgesetz, 2016, § 1) Nichtsdestotrotz laut des Eurobarometers mit 38 % sehr und 45 % eher zufriedenen Arbeitnehmern, in der Spitzengruppe zu finden. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der deutschen Unternehmen, die verschiedene, flexible Zeitmodelle anbieten, zwar nur leicht über dem Durchschnitt liegt, (78 % DE zu 71 % EU), diese Unternehmen aber einer überdurchschnittlichen Anzahl an Mitarbeitern die Möglichkeit einräumen die entsprechenden Arbeitszeitmodelle auch zu nutzen (36 % DE zu 27 % EU). (Data.Europa, 2018) Mit Telefon, Xing, LinkedIn oder Teams wurden langjährige Projektmitarbeiter aus verschiedensten Unternehmen der Bankenbranche kontaktiert, von denen sich 13 Personen bereiterklärt haben an dieser Untersuchung teilzunehmen. Die Befragung erfolgte anhand eines semistrukturierten Interviews, in welchem sie zum einen verschiedene Bewertungen nach dem deutschen Schulnotensystem (1-6) abgaben, der größte Teil des freien Berichterstattung gewährte. Die einzelnen Interviews dauerten im Schnitt ca. eine Stunde. 3. Ausnahmslos alle in Gleitzeit und waren größtenteils mit ihr sehr zufrieden. Dies wird vor allem durch die hohe Flexibilität erreicht, welche teilweise sogar als eine Art Bonus angesehen wird. Die negative Bewertung kommt daher, dass der Teilnehmer zwar auf dem Papier Gleitzeit hat, aber immer vor Ort sein muss, egal wie viel Arbeit gerade anfällt. Dadurch wechseln sich lange Weile und sehr stressige Phasen ab, was quasi einer Normalarbeitszeit entspricht. Am Anfang wurden die Teilnehmer gebeten, eine Tabelle zu Arbeitszeitmodellen bzgl. Ihrer Meinung und ihrer Erfahrung auszufüllen. Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeit, wie oft jede Bewertung gewählt wurde, daneben die durchschnittliche Bewertung und ob die Teilnehmer bereits Erfahrung mit diesem Arbeitszeitmodell haben. Erkenntnis/Ergebnis/Ausblick/Hypothese Interviews jedoch ausreichend Möglichkeit zur Interviewpartner arbeiteten aktuell 207

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Arbeitszeitmodelle 1 2 3 4 5 0 Regelarbeitszeit 1 GL Kernarbeitszeit GL Funktionszeit 0 GL ohne Kernarbeitszeit 8 Vertrauensarbeitszeit 5 1 Bereitschaftsdienst Rufbereitschaft 2 Ständige Erreichbarkeit 3 Schichtarbeit 1 Tab. 1: Auswertung der Interviews (Quelle: Eigene Darstellung.) 0 2 5 2 6 6 4 0 4 1 2 4 5 3 1 0 1 1 1 3 3 2 1 0 1 0 1 2 4 1 1 1 2 1 1 5 6 7 0 0 0 0 1 1 6 4 Durchschnitts- bewertung 5,2 3,0 2,6 1,5 2,3 3,4 2,8 4,2 4,5 Keine Erfahrung 9 4 8 8 6 8 5 10 9 Erfahrung 4 9 5 5 7 5 8 3 4 Besonders positiv sticht die Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit mit einer Durchschnittsbewertung von 1,5 heraus. Bis auf einen Teilnehmer, haben alle mit gut oder sehr gut bewertet. Über die Hälfte hat sogar schon darin Erfahrung mit diesem Modell gemacht. Deutlich mehr Teilnehmer haben bereits Erfahrung in Gleitzeit mit Kernarbeitszeit. Beim genaueren Blick in die Daten fällt auf, dass bis auf zwei Teilnehmer die Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit mindestens gleich gut, wenn nicht sogar als deutlich besser bewerten als die Gleitzeit mit Kernarbeitszeit. Es deutet darauf hin, dass die meisten Teilnehmer den Wegfall der Kernarbeit begrüßen würden. Bei den zwei Ausreisern, welche die Arbeitszeitmodelle unterschiedlich bewerten, fällt auf, dass sie noch nie in Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit gearbeitet haben. Grund hierfür ist, dass sie sich nicht vorstellen können, dass Mitarbeiter zu beliebigen Zeiten arbeiten, da es bei ihm im Projekt sehr viel Abstimmungsbedarf mit den Kollegen nötig ist. Die Vertrauensarbeitszeit wurde im Schnitt mit 2,3 als zweitbestes Arbeitszeitmodell bewertet. Auch hier haben 9 der Interviewpartner, wovon 5 bereits Erfahrung haben, eine 1 oder 2 vergeben. Erhofft wird sich von der Vertrauensarbeitszeit unter anderem eine bessere Planbarkeit der Arbeitszeit, während der vermutlich selbst erzeugte Druck als die größte Gefahr angesehen wird. Auffallend ist auch die Bewertung der Ständigen Erreichbarkeit. Mit einer Durchschnittsbewertung von 4,2 schneidet sie zwar sehr schlecht ab, doch vier bewerten sie mit gut oder sogar sehr gut. Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse viel auf, dass ausnahmslos alle Teilnehmer mit Erfahrung positiv gewertet haben. Als Grund wurde unter anderem genannt, dass dann die Probleme schneller gelöst werden. Die Korrelation zwischen guten Bewertungen und der Erfahrung lässt darauf schließen, dass keiner der Teilnehme gravierend schlechte Erfahrungen mit der ständigen Erreichbarkeit gemacht hat. Im Umkehrschluss bedeuten die Zahlen aber auch, dass Teilnehmer ohne Erfahrung die ständige Erreichbarkeit wesentlich schlechter einschätzen, fast die Hälfte der Befragten hat eine 5 oder 6 vergeben. Eine ähnliche Tendenz, wenn auch mit weit positiverer Bewertung ist die Rufbereitschaft. Ebenso werden dort die besten Noten von den Interviewpartnern mit der Erfahrung in diesem Arbeitszeitmodell vergeben und ebenso werden die schlechtesten Noten von den mit keiner Erfahrung vergeben. Bis auf zwei Interviewte sieht jeder die Ständige Erreichbarkeit als schlechter oder maximal genauso gut an wie die Rufbereitschaft. Die Interviewpartner erwarten in ihrem Arbeitsumfeld von der 208

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ständigen Erreichbarkeit, dass diese genutzt wird, um kurze Gespräche zu führen oder leichte kleine Aufgaben zu erledigen. Rufbereitschaft wird dagegen eher als unerwartete Arbeitszeitbeginn bei nicht abzuschätzender Zeitspanne angesehen. Mit Abstand am schlechtesten wurde die Regelarbeitszeit mit 5,2 bewertet. Alle Interviewpartner bewerteten sie mit einer drei oder schlechter. Dies könnte daran liegen, dass die Projektmitarbeiter nicht in starre Zeitgefüge arbeiten möchten. Teilweise waren sie generell gegen feste Arbeitszeiten, oder gaben an nicht auf Knopfdruck kreativ sein zu können. Außerdem sei es ist auch gar nicht nötig jeden Tag zu den gleichen Zeiten anzufangen und aufzuhören, da kein Tagepensum, sondern ein Projektpensum zu absolvieren ist. Die Schichtarbeit schneidet zwar nur minimal schlechter ab als die Ständige Erreichbarkeit, dafür gibt es dort keine Polarisierung. Neun der Teilnehmer bewerteten die Schichtarbeit mit einer 5 oder 6. Erfahrung haben nur vier Teilnehmer, von denen drei mit einer 5 bewerteten. Ein Interviewpartner bewertete die Schichtarbeit jedoch mit einer 2. Hintergrund ist, dass er nur gelegentlich, wie zum Monatsende drei bis vier Tage Schichtarbeit arbeiten muss. Bei der Funktionszeit zeigt sich, dass ein breiter Konsens der mittleren Akzeptanz vorliegt. Es gibt Keinen der dieses Modell als besonders gut noch als besonders schlecht wahrnimmt. Dies wird deutlich, da die beste Note eine 2 ist und die schlechtes eine 4 und mit einem Mittelwert von 2,6 genau in der Mitte von 2 und 3 liegt. Die Wahl eines geeigneten Arbeitszeitmodells ist eine Möglichkeit, um die Kreativität der Projektmitarbeiter im Bankwesen zu fördern. Bei Projektmitarbeitern kommt die Besonderheit zum Tragen, dass diese keiner normalen Linientätigkeit nachgehen. Somit ist im Normalfall keine ständige Anwesenheit notwendig. Viel wichtiger ist es, dass sie zusammen mit ihrem Team kreative Ideen und Lösungsansätze entwickeln. Dafür müssen sich die Wissensarbeiter wohlfühlen. Dies umfasst unter anderem das Arbeiten nach dem jeweiligen individuellen Biorhythmus, als auch die Möglichkeit unter der Woche private Termine wahrzunehmen. Theoretisch bieten dies in unterschiedlichen Ausprägungen die einzelnen Gleitzeitmodelle als auch die Vertrauensarbeitszeit. In der Praxis hat sich jedoch Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit von allen Gleitzeitmodellen als erfolgreichsten herausgestellt. Sollen alle Mitarbeiter nach demselben Modell arbeiteten, ist dieses zu bevorzugen. Zumindest theoretisch wäre auch die Vertrauensarbeitszeit aufgrund ihrer hohen Flexibilität sehr gut geeignet. Einige Mitarbeiter haben jedoch bereits mit ihr schlechte Erfahrungen gemacht, andere haben von ihnen gehört. Bevor die Vertrauensarbeitszeit eingeführt wird, müssen klare Regeln aufgestellt werden, wie mit Überstunden umgegangen und wie das Arbeitspensum definiert wird. Mit klaren Rahmenbedingungen könnte die Vertrauensarbeitszeit mittelfristig die Gleitzeit bei Wissensarbeitern im Bankwesen ablösen. die Nach Betrachtung Vertrauensarbeitszeit in Kombination mit einer wöchentlichen Kernarbeitszeit als sinnvoll. So können die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit mit leichterer Koordination, Kommunikation kombiniert werden. Der Arbeitszeitmodelle verschiedener und Steuerung der Mitarbeiter erscheint 209

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Verwaltungsaufwand für so ein Arbeitszeitsystem ist wahrscheinlich höher, da dieser aber den primären Nachteil dieses Systems bildet, tolerierbar. Dringend Abstand sollte bei Projektmitarbeitern im Bankwesen von starren Arbeitszeitmodellen gehalten werden. Regelarbeitszeit und Schichtarbeit werden von nahezu allen Teilnehmern äußerst negativ bewertet. 4. Arbeitszeitgesetz [ArbZG] (2016): letzte Änderung: 11.11.2016 (BGBI. IS. 2500). § 1. Verfügbar unter: Literaturverzeichnis https://www.gesetze-im- internet.de/arbzg/BJNR117100994.html#BJNR117100994BJNG000100307 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2007): Familien-freundlichkeit als Erfolgsfaktor für die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften – Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter Arbeitgebern und Beschäftigten. S. 8. Verfügbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/93766/d7914657c6d2f063e82ebf2672f84b5b/familienfreundlichkeit -als-erfolgsfaktor-fuer-die-rekrutierung-und-bindung-von-fachkraeften-data.pdf, Abfrage vom 08.11.2018. S. 8. Data.Europa (2018): balance. https://data.europa.eu/euodp/data/dataset/S2185_470_ENG Work-life Verfügbar unter: Stefan (2015): Wie du mögliche Nachteile der Vertrauensarbeitszeit zum Vorteil für dein Unternehmen machst. Verfügbar unter: http://www.isf-muenchen.de/pdf/Computerwoche%208-9-2016.pdf Wotschack, Philip/Scheier, Franziska/Schulte-Braucks, Philipp/Solga, Heike (2011): Beruf und Bildung vereinbaren: Neue Arbeitszeitmodelle gegen den Fach-kräftemangel. S. 4. Verfügbar unter: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/60018/1/715045032.pdf 210

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„DER LÄNDLICHE RAUM – GESTERN UND HEUTE“ G. M. Meuser1 University of Library Studiesand Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Raumentwicklung, Stadtflucht, Landflucht Digitalisierung ABSTRACT In diesem Artikel werden die Veränderungen im ländlichen Raum in Deutschland in der Zeit nach dem Krieg bis heute beschrieben. Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über den Wandel der ländlichen Räume, zeigt die Veränderungen und beschreibt die Situation in der heutigen Zeit. Es können nur einige wichtige Punkte, die den Wandel beschreiben, aufgezeigt werden, wie z. B. die Veränderung der Rolle der Frau und die Digitalisierung, die auf dem Lande fortschreitet. Um die unterschiedlichen Darstellungen ländlichen Regionen („Massenflucht aufs Dorf“ oder “Landflucht“) zu analysieren, werden verschiedene Untersuchungen herangezogen. Die demographischen Veränderungen und der Strukturwandel prägen die Wirtschaft und das Leben auf dem Lande. Das Dorf hat sich gewandelt und befindet sich auch weiterhin den Beschreibungen und Feststellungen kommt man zu dem Ergebnis: Das Leben auf dem Land ist attraktiv geworden. Der ländliche Raum hat Zukunft. ständigen Wandlungsprozess. Nach den von in einem 1 Gertrud Maria Meuser; D-53925 Kall, Forstweg 12; trudemeuser@web.de 213

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1. Einführung In diesem Artikel werden die Veränderungen, die im Laufe der Zeit im ländlichen Raum stattgefunden haben, untersucht. Seit Jahren verstärken und vermehren sich die Diskussionen und Presseartikel, in denen widersprüchliche Meinungen über das Land und das Landleben beschrieben werden. Ausgelöst wurde die letzte Diskussion in und nach der Corona-Pandemie und aufgrund des knappen Wohnungsangebotes in den Städten. Ziel der Arbeit ist die Darstellung der Entwicklung des ländlichen Raumes in der Zeit von 1950 bis heute. Dazu wurden in dieser literaturgestützten Arbeit Bücher, Presseartikel und Statistiken zum Thema “Ländlicher Raum“ herangezogen. Ferner wurden wichtige Punkte bearbeitet, die das Land (auch im Gegensatz zur Stadt) darstellen. Der Zweck dieser Arbeit ist, das Problem der unterschiedlichen Darstellungen des ländlichen Raumes zu analysieren und den heutigen Stand der Diskussionen, anhand der Literatur, darzulegen. Die Ergebnisse beruhen auf der Feststellung, dass die Arbeit eine Analyse der Veränderungen, die im ländlichen Raum stattgefunden haben, aufzeigt, auf noch vorhandene Schwierigkeiten hinweist und die positiven Entwicklungen, die das Leben auf dem Land zunehmend attraktiver gemacht haben, beleuchtet. Insgesamt soll ein besseres Verständnis für die Veränderungen geweckt und eine Diskussion über die zukünftige Entwicklung angestoßen werden. 2. Der ländliche Raum - Definition Den ländlichen Raum, wie er längere Zeit als Folge der Urbanisierung definiert wurde, gibt es nicht mehr. Heute spricht man von einer Vielzahl ländlicher Räume. Diese können sowohl strukturschwach sein und wirtschaftliche und soziale Defizite aufweisen als auch als höher verdichtete Wachstumsräume erscheinen. für International wird die Definition wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herangezogen, die Gemeinden mit weniger als 150 Einwohnern pro Quadratkilometer als ländlich definiert. Dabei werden die Gemeinden von verschiedenen Organisationen sehr unterschiedlich definiert. Das Thünen-Institut (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und “ländliche Räume“ als Landschafts- und Fischerei), definiert den Begriff Erholungsraum forstwirtschaftlicher Flächennutzung, lokalem Zusammenhalt und regionaler Verbundenheit, klein- und mittelständischen Wirtschaftsstrukturen, niedriger Bevölkerungsdichte, größeren Wohngrundstücken und weiter Entfernung zu großen Zentren (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2020, S. 5). 3. Tragende Säulen des ländlichen Raumes 3.1 Wohn- und Lebensraum Vor 100 Jahren war der ländliche Raum noch ein relativ homogener Raum, denn er ließ sich hinsichtlich seiner Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur vom städtischen Raum abgrenzen. Geringe Bevölkerungsdichte, Dörfer und kleine Siedlungen prägten das Bild ebenso wie die Land- und Forstwirtschaft. Lange Zeit ländliche Räume der Organisation land- für bei weit überwiegender und 214

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sei, würden und gepflegt Traditionen herrschte einerseits die Vorstellung von einer wenig differenzierten Gesellschaft vor, in der die Infrastruktur, das Dienstleistungsangebot und die Gehälter niedriger wären. Insgesamt wurde der ländliche Raum als rückständig abgewertet. Andererseits wurde er als Idyll dargestellt, in dem es enge soziale Bindungen gebe, Nachbarschaftshilfe selbstverständlich geringe Umweltverschmutzung vorkomme. Heute lebt die Hälfte der Bevölkerung in ländlichen Räumen. Nach der Thünen-Typologie leben in Deutschland 47 Mio. (ca. 57 %) der Bevölkerung auf 91 % der Fläche. Früher war die Selbstversorgung im Dorf mit Lebensmitteln und Bekleidung selbstverständlich und im Krämerladen waren auch Dinge des täglichen Bedarfes zu erwerben. Harte, schwer körperliche Arbeit der Landbevölkerung, auch der Frauen, die in der Landwirtschaft tätig waren, war die Regel. Die meisten Menschen (Landwirte, Handwerker, Händler) arbeiteten im eigenen oder im Nachbardorf. Arbeit und Armut ließen die Menschen früh altern und machten eine ärztliche Betreuung notwendig, die aber aus Zeitmangel und Gewohnheit nur selten erfolgte. Für viele war der Arztbesuch zu teuer und es gab nur in größeren Orten einen Arzt. Man half sich häufig mit Naturprodukten, Gesundbetern oder hoffte, dass es von selbst wieder besser würde. In den ländlichen Räumen war die Schulbildung meist auf eine zweiklassige Schule beschränkt. Die Schüler konnten selten das weitentfernte Gymnasium besuchen, da die öffentlichen Verkehrsmittel dazu nicht bereitstanden oder die finanziellen Mittel der Eltern nicht ausreichten, das Schulgeld zu bezahlen. Der Pädagoge Picht veröffentlichte das Buch „Die deutsche Bildungskatastrophe“. Dieser Begriff wurde zum politischen Schlagwort. Die Aussage lautete: „Wenn das Bildungswesen versagt, ist die ganze Gesellschaft in ihrem Bestand bedroht“ (Picht, 1964, S. 17). Diese Feststellung rüttelte die Gesellschaft auf und es folgten viele Reformen. Oft standen Einrichtungen für eine höhere Bildung auf dem Land nur für Jungen und nicht für Mädchen zur Verfügung. Die sozialen Beziehungen der Dorfbevölkerung waren für den Einzelnen selbstverständlich und von großem Wert. Die Überschaubarkeit des Dorfes führte zu Zufriedenheit und Wohlbefinden. Aber die soziale Kontrolle engte, insbesondere die jungen Menschen, ein. Das Dorf hat sich gewandelt und befindet sich auch weiterhin in einem ständigen Wandlungsprozess. Der Wandel entwickelte sich allmählich: Land- und Forstwirtschaft sowie das Handwerk verloren Arbeitskräfte, weil diese in die Stadt abwanderten. Die Veränderungen und Modernisierungen führten zu Anpassungen der ländlichen Wirtschaft an den überregionalen und den internationalen Markt. Ländliche Produkte wurden nicht nur im Dorf vermarktet, sondern auch überregional angeboten. Durch Maschinen und landwirtschaftliche Geräte ist die körperlich schwere Arbeit in der Landwirtschaft begrenzt. Weiterhin sorgten ein gewisser Wohlstand und ärztliche Versorgung dafür, dass sich der Gesundheitszustand der Landbevölkerung verbesserte und das Lebensalter erhöhte. Durch die Digitalisierung sind die Arbeitsplätze nicht mehr auf die Stadt beschränkt, sondern auch im Dorf möglich. Der öffentliche Verkehr wurde ausgebaut und umgestaltet, z. B. durch regelmäßig verkehrende Schulbusse, die auch von den Anwohnern genutzt werden können, und Sammeltaxis, die nach Anruf fahrbereit sind. Es wurden neue Genossenschaften gegründet, um den Leerstand auf dem Land aufzufangen und die Dörfer neu zu beleben. Von einem Bildungsnotstand in den ländlichen Regionen kann nicht mehr gesprochen werden. Die einschränkenden festgefügten Normen, Rollen und Kontrollen werden weniger beachtet. 215

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Fast zwei Jahrzehnte zogen die Menschen aus den ländlichen Regionen in die Großstadt, um neue Arbeitsplätze anzunehmen und eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren. Seit einigen Jahren kommt es zu einer Trendwende, denn Arbeitsplätze sind, durch die Digitalisierung, vermehrt auch in ländlichen Regionen vorhanden. Ferner haben viele Menschen, insbesondere aus der Stadt, die Attraktivität des Landlebens entdeckt. Sie schätzen die Schönheit der Wälder und Wiesen und die funktionierenden sozialen Beziehungen der Bewohner, die noch Traditionen und Rituale pflegen. Und in der Zeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels und insbesondere während und nach der Corona-Pandemie wurde das Landleben attraktiver. Corona hat die Landlust nicht verursacht, aber die Entwicklung beschleunigt. Das Institut Kantar führte eine repräsentative Befragung mit mehr als 2500 Menschen durch mit der Frage, wo sie gerne wohnen würden, wenn sie frei wählen dürften. Dabei zeigte die Mehrheit der Befragten eine Präferenz für das Leben auf dem Dorf (Erhardt, 2020). Diese neue Landlust ist auch in Wanderungs-Statistiken aufgeführt. Heute entscheiden sich mehr Menschen für das Land als vor 10 Jahren. Die aktuellen Daten zum Wanderungsgeschehen belegen dies (Beck et al., 2022, S. 8). Menschen, die innerhalb Deutschlands umziehen, verlassen mehrheitlich die Städte und ziehen aufs Land. Familienwanderer sorgen für die Belebung entlegener Regionen in ganz Deutschland, denn das knappe und teure Wohnungsangebot in den Städten lässt immer mehr Menschen aufs Land ziehen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Menschen steigt, die sich für regional erzeugte Bio-Produkte interessieren und bewusst ein entschleunigtes Leben mit weniger Konsum, sondern mehr Schutz der Tier- und Pflanzenwelt suchen. So entstehen, insbesondere auf dem Land, Pflegebauernhöfe, Bio-Kommunen, Tiny-House-Siedlungen. In den Gemeinden ist der Einzug größer als der Auszug. Trotzdem schrumpfen viele Gemeinden, weil die Jüngeren nach wie vor zum Studium oder zur Ausbildung in die Stadt ziehen und die Anzahl der Älteren zunimmt. Der Zuzug der Menschen verändert nicht nur das Leben der Landbewohner, sondern auch der Zuziehenden. Die Zugezogenen erleben die Vorteile des günstigen Wohnraumes, des höheren Miteinanders, der ruhigen Lage und der Nähe zur Natur. Sie sehen bei der ländlichen Bevölkerung eine intensive Nachbarschaftspflege, die die Menschen miteinander verbindet. Allerdings sind die Freizeitmöglichkeiten, kulturelle Angebote und Bildungsangebote geringer als im städtischen Raum. Aber die Freizeitkultur wird von bürgerlichem Engagement und intensiver Vereinskultur getragen. Die Lebenslagen und Lebensstile der Bevölkerung in ländlichen Räumen gleichen sich durch Mobilität und digitale Kommunikation allmählich an. Durch den demographischen und auch den gesellschaftlichen Wandel stehen die ländlichen Räume vor großen Herausforderungen. Es besteht jedoch eine hohe Bereitschaft zu bürgerlichem Engagement: In einer Gesellschaft, die zunehmend älter wird und in der Nachwuchskräfte öfter fehlen, nimmt die Bedeutung des Ehrenamtes zu. Das zivilgesellschaftliche Engagement trägt zur Lebensqualität und zum Zusammenhalt bei. Das Ehrenamt hat starke Wurzeln in der Gemeinde. Die ehrenamtlichen Helfer sind bei Feuerwehr, Sport- und Kulturveranstaltungen unverzichtbar. Ferner werden Heimat- und Kulturvereine 216

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folgte ein gepflegt. Vereinsleben, Brauchtum und Gemeinschaftsgefühl haben eine starke Tradition. Das ehrenamtliche Engagement in Gemeinde- und Stadträten, als Ortsvorsteher oder Bürgermeister ist von der Gemeinde anerkannt und fördert den lokalen Zusammenhalt und regionale Verbundenheit. Allerdings stellt sich immer wieder heraus, wie schwierig es für eine Frau ist, sich auf dem Land für ein politisches Amt zu bewerben. Erfahrungsgemäß gelingt es der Frau meist, nahe bei den Bürgern zu sein. Vor allem im sozialen Bereich erkennen die Frauen die Nöte der Bürger. Gerade auf dem Land wird das Potential der Frauen von den Parteien zu wenig genutzt. Und nach wie vor herrscht eine starke Männer- Orientierung in den Gremien der Gemeinden vor. Die Stellung der Frau wurde nicht nur durch das Gleichstellungsgesetz von 1977 verändert. Die Ehefrau musste bis dahin, wenn sie arbeiten wollte, das Einverständnis des Ehemannes haben. Bis 1958 hatte der Ehemann auch das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder. Noch bis 1962 verwaltete der Mann den Lohn der Frau und ohne Zustimmung des Mannes durfte die Frau kein eigenes Bankkonto führen. Dies änderte sich nur schrittweise und erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen. Es langwieriger Reformprozess. In den 1950er- und 1960er-Jahren erfolge eine traditionelle Rollenverteilung, wobei die Festlegung der Frau auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter und die des Mannes als Ernährer der Familie festgeschrieben wurde. Danach konnte die Erwerbstätigkeit der Frauen in den vergangenen Jahren allmählich ansteigen: Der Anteil an Frauen in Erwerbsarbeit stieg von 44,2% im Jahr 2001 auf 46,8% im Jahr 2021 an; zugleich stellen Frauen etwa die Hälfte der über 45 Mio. Berufstätigen in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2023). Im ländlichen Raum nehmen Frauen heute viele verschiedene Rollen ein, z. B. in der Familie, der Bildung und Erziehung sowie der Altenpflege. Oft sind sie noch als Unternehmerinnen tätig (von der Bäuerin zur Agrarunternehmerin). Und die Verbindung von Landwirtschaft und Tourismus durch touristische Angebote liegt vielfach in der Hand der Frauen und der Erlös trägt erheblich zum Familieneinkommen bei. Das früher geringere Einkommen der älteren Landfrauen, das heute zu einer geringeren Rente beiträgt, erklärt sich durch den Bildungsstand und die Erwerbsbiografie. Sie haben in ihrer Jugend und im späteren Erwerbsleben in der Landwirtschaft gearbeitet. Das landwirtschaftliche Altersgeld wird aber nur als Zuschuss zu anderen Einkünften geleistet. Eine der Aufgaben der Frau ist die Pflege von Angehörigen. In der Mehrgenerationen- Familie auf dem Lande ist es naheliegend, dass auch die häusliche Pflege der Alten überwiegend von Frauen geleistet wird. Es ist ein lebensgeschichtlich erworbenes Muster, dass es „unschicklich“ sei anderen als sich selbst oder den eigenen Leuten zur Last zu fallen. So werden die Eltern von ihren Kindern gepflegt. Hilfe oder Pflege im Alter wird für die Männer von ihren Ehefrauen geleistet. Bei den Frauen treten meist die Kinder, als Helfer ein. Die Inanspruchnahme organisierter Sozial- und Pflegedienste verbietet sich in den Fällen, in denen mit Hof- und/oder Hausübergabe via Altenteilvertrag auch eine Verpflichtung zur Dienstleistung durch die jüngere Generation eingegangen wird. 217

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Die Gleichstellung von Mann und Frau ist zwar ein Grundrecht aber im ländlichen Raum herrschen die Rollenerwartungen und gesellschaftlichen Zuschreibungen weiterhin vor. Diese Festlegung wirkt sich auf die gesellschaftliche Teilhabe sowie auf Erwerbs- und Karrierechancen der Frau aus. 3.2 Wirtschaftsraum Die demographischen Veränderungen und der Strukturwandel prägen die Wirtschaft und das Leben auf dem Land. Jeder zweite Euro wird in Deutschland auf dem Land erwirtschaftet. Immer weniger Menschen arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft. 70% der Arbeitsplätze sind im Dienstleistungssektor angesiedelt, wobei ein funktionierendes Internet eine Voraussetzung für die Existenz der mittelständischen Unternehmen darstellt. Durch die Digitalisierung kann der Wirtschaftsraum attraktiver gestaltet werden. Die Telefonzelle oder der öffentliche Telefonanschluss in einem Privathaus gehören der Vergangenheit an. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sind nun auch größtenteils auf dem Land vorhanden. Die Bundesregierung hat den flächendeckenden Ausbau von Gigabit-Netzen auf Glasfaserbasis in Deutschland bis zum Jahr 2025 zum Ziel (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, 2022). Doch die Kluft zwischen städtischen und ländlichen Regionen ist deutlich erkennbar. In Deutschland gibt es 5.000 sogenannte „Weiße Flecken“, in denen die Mobilfunknetzbetreiber keine ausreichende Versorgung bereitstellen. 2014 war das Ziel bereits, dass für 75 % aller Haushalte mindestens eine Bandbreite von 50Mbit/s verfügbar sein sollte. Aber in den ländlichen Räumen wurde dieses Ziel noch nicht erreicht. Auch hatte sich die Bundesregierung das Ziel, bis Ende 2019 97 % der ländlichen Räume mit schnellem Internet versorgt zu haben (gemeint aber waren 97 % der Bevölkerung und nicht der Fläche). ist heute eine der wichtigsten Eine langfristige von Standortvoraussetzungen. Wirtschaftswachstum und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Da eine funktionierende digitale Infrastruktur die Voraussetzung für ein lebendiges Dorfleben ist, wird diese auch vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt. Ebenso wird der marktbetriebene Ausbau in dünn besiedelten Räumen mit hohen Investitionskosten und geringer Nachfrage ohne öffentliche Mittel nicht auskommen. Aber Breitband ist für die ländlichen Räume eine unverzichtbare Voraussetzung, um im Wettbewerb der Standorte und Unternehmen mithalten zu können. Der digitale Ausbau trägt zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und demografischen Situation bei. Ebenso erhalten die Haushalte vor Ort dadurch den Zugang zu innovativen Dienstleistungen. Die gutfunktionierenden digitalen Dienste sind nicht nur für die Wirtschaft wichtig, sondern sie bieten auch Chancen für den sozialen Bereich, also etwa im Bereich der Pflege und Betreuung älterer Menschen. Auch Kinder können von diesen Diensten profitieren, denn manche Hausaufgaben sind bereits am Computer zu erledigen. Die Jobs in kreativen und wissenschaftlichen Branchen können, bei entsprechender schnellen Datenleitung, ebenso aus den ländlichen Bereichen wahrgenommen werden. Die Pandemie hat die Beschäftigung im Homeoffice beschleunigt. Durch die Digitalisierung entstanden bundesweit 2,9 Mio. Arbeitsplätze. Onlineshopping, E- Government, E-Health oder E-Learning werden weiterwachsen. Digitale Angebote und leistungsfähige Breitbandversorgung Absicherung Sie bietet 218

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schnelles mobiles Internet sowie eine flächendeckende Mobilfunkversorgung sind wichtige Faktoren für die Entwicklung des ländlichen Raumes. 3.3 Freizeitraum Der ländliche Raum nimmt touristisch an Attraktivität zu. Der Tourismus ist für strukturschwache Regionen häufig ein Schlüssel zu Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven. Allgemeine Urlaubswünsche nach Erholung, Entspannung oder Erlebnis bestimmen die touristische Nachfrage für die ländlichen Räume. Gemäß einer Umfrage denken 85 % der Deutschen beim Thema „Ländliche Regionen“ an Erholung und Freizeit (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2022, S. 8). Es bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Erholung an: Die Verknüpfung von Tourismus und Landwirtschaft ist z. B. das Konzept „Ferien auf dem Bauernhof“, wobei Hoferlebnis und Tiere im Mittelpunkt stehen. Es werden hofeigene Produkte (Eier, Fleisch, Milch, Gemüse) angeboten. Ein weiterer Zweig der Feriengestaltung ist der Aktiv-Urlaub, bei dem Erlebnis und Spaß im Vordergrund stehen, z. B. Wandern, Reiten, Radfahren und Aktivitäten beim Wintersport. Der Strand- und Badeurlaub bietet Entspannung am Strand, Spiel und Sport. Mehr als 100 Freizeitparks sind meist in ländlichen Regionen. Diese Parks sorgen für einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. So kann der Tourismus neben der Einkommensquelle einen positiven Effekt auf andere Wirtschaftszweige entfalten, z. B. auf Gastronomie, Handwerk, Einzelhandel, medizinische Versorgung und öffentlichen Nahverkehr. Immer öfter wird der Tourismus alters- und behindertengerecht gestaltet. So bieten z. B. Pensionen und Bauernhöfe rollstuhlgerechte Wohnungen und Zimmer an, Ausflüge werden in entsprechenden Bussen angeboten und die Ausflugsziele sind so ausgewählt, dass auch behinderte Menschen sie besuchen können. Der Agrotourismus hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutsamen Zweig entwickelt. Neben Einkommen und neuen Jobs trägt er auch zur Lebensqualität bei. 4. Ausblick Das Leben in Stadt und Land hat sich in den letzten Jahrzehnten allmählich angeglichen. Es gibt keine klare Grenze mehr zwischen Stadt und Land, sondern einen fließenden Übergang, das sogenannte „Stadt-Land-Kontinuum“. Vergleicht man Umfragen, kommt man zu dem Schluss, dass das Dorf eine Zukunft hat, denn 59 % der jungen Menschen unter 40 Jahren möchten im Dorf oder auf dem Land leben. Bei den älteren Menschen will nur jeder fünfte Deutsche freiwillig gerne aufs Land ziehen. Durch die Digitalisierung haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert und Stadt und Land haben sich allmählich angenähert. Auch unter dem sozialen und kulturellen Blickwinkel hat sich das Leben auf dem Dorf weiter fortentwickelt. Der ländliche Raum hat Zukunft. 219

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5. Literaturverzeichnis Beck, L., Sixtus, F., Thomas, N. & Hinz, Catherina (2022). Landlust neue vermessen. Wie sich Das Wanderungsgeschehen in Deutschland gewandelt hat. Berlin: Berlin-Institut für Bevölkerung und Wüstenrot-Stiftung. Bundesministerium für Digitales und Verkehr. (2022). Gigabitstrategie der Bundesregierung unter: verabschiedet. https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2022/ 050-wissing-gigabitstrategie- der-bundesregierung-verabschiedet.html Verfügbar Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. (2022). Ländliche Regionen im Fokus. Fakten und Hintergründe. Berlin: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. (2020). Das Land lebt! Dritter Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der ländlichen Räume. Berlin: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Erhardt, C. (2020). Wohnwünsche der Deutschen. Massenflucht aufs Dorf?. Verfügbar unter: https://kommunal.de/massenflucht-aufs-dorf Picht, G. (1964). Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation. Freiburg: Walter Statistisches Bundesamt. (2021). Qualität der Arbeit. Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet- unter: Verfügbar Arbeit/Dimension-1/teilhabe-frauen-erwerbsleben.html 220

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„MÖGLICHE GEFAHREN IN DER KOMMUNIKATION UND DEREN ENTGEGENWIRKEN IN DER INTERKULTURELLEN GESCHÄFTSANBAHNUNG ÖSTERREICHISCHER UNTERNEHMEN IN INDIEN“ U. Mürwald-Bachner1 Keywords: Kommunikation, Kultur, Interkulturalität, Geschäftsbeziehungen, Management, Indien, Internationalität, Konflikte, Zusammenarbeit, transkulturell. ABSTRACT Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den kulturellen Unterschieden zwischen den beiden Ländern Österreich und Indien und damit einhergehend mit möglichem Konfliktpotential in der interkulturellen Kommunikation. Nach genauer Untersuchung der möglichen Gefahrenpunkte bei der Geschäftsanbahnung Unternehmen Handlungsempfehlungen für die internationale Zusammenarbeit mit Indien gegeben werden, deren Berücksichtigung zu einer harmonischen und gewinnbringenden Kooperation zwischen den beiden Ländern führen soll. österreichischen sollen 1 Ute Mürwald-Bachner; A-7033 Pöttsching, Waldgasse 24; ute.muerwald-bachner@aon.at 223

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Kulturen können zu zwischen Einführung 1. Unterschiede Missverständnissen, Kommunikationsproblemen sowie zum Abbruch von Verhandlungen führen. Um zu verhindern, dass erfolgsträchtige Geschäfte aufgrund von Nicht-Verstehen kultureller Besonderheiten im anderen Land scheitern, sollen in der vorliegenden Arbeit die Unterschiede in den Kulturdimensionen der beiden Länder Österreich und Indien näher betrachtet werden. Die Untersuchung soll Diskrepanzen und die damit einhergehenden eventuellen Gefahren für Geschäftsverläufe aufzeigen und Empfehlungen an die Hand geben, wie am besten mit den aufgefundenen Unterschieden umzugehen ist, um einem möglichen Geschäftsabbruch rechtzeitig entgegenzuwirken. Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, transkulturelle Kooperation zwischen Österreich und Indien zu optimieren und aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen. Gemäß Lüsebrink bedeutet der Begriff Interkulturalität das Resultat und die Konsequenzen interkultureller Kommunikationsvorgänge. (Lüsebrink, 2016, S. 18) Die nachstehende Auflistung zeigt die Werte der beiden Länder in den sechs Kulturdimensionen nach Geert Hofstede. Machtdistanz-Index: Österreich 11 Punkte, Indien 77 Punkte Individualismus versus Kollektivismus: Österreich 55 Punkte, Indien 48 Punkte Maskulinität versus Femininität: Österreich 79 Punkte, Indien 56 Punkte Unsicherheitsvermeidungs-Index: Österreich 70 Punkte, Indien 40 Punkte Langzeit- versus Kurzzeitorientierung: Österreich 60 Punkte, Indien 51 Punkte Genuss versus Zurückhaltung: Österreich 63 Punkte, Indien 26 Punkte (Hofstede, 2017, S. 69ff) 2. Diese Arbeit stützt sich auf fundierte Sekundärforschung und verzichtet auf empirische Datengewinnung. Es wurde einschlägige Fachliteratur analysiert, miteinander verglichen und aus den gewonnenen Fakten bereits existierender Werke wurden Schlussfolgerungen für die gegenständliche Thematik einer Zusammenarbeit zwischen Österreich und Indien gezogen. Zum Zwecke der Erstellung einer Auflistung an erfolgversprechenden Empfehlungen wurden die Bücher „Lokales Denken, globales Handeln“ von Geert Hofstede, „International Management Behaviour. Global and Sustainable Leadership“ von Lane, Maznevski und DiStefano, „Interkulturelle Kommunikation“ von Lüsebrink, „Intercultural Interaction. A Multidisciplinary Approach to Intercultural Communication“ von Helen Spencer-Oatey, „Riding The Waves of Culture“ von Fons Trompenaars und Charles Hampden-Turner sowie einige andere herangezogen. Methode 224

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Erkenntnis und Ausblick 3. In Anbetracht des großen Unterschiedes beim Machtdistanz-Index der beiden Länder ist es grundsätzlich von hoher Bedeutung, dass sich die österreichischen Geschäftspartner über Unterschiede im Hierarchiedenken sowie der ungleichen Verteilung von Rechten in einem mittelöstlichen Land bewusst sind. Es ist wichtig, Entsendete im Vorfeld darüber zu informieren, dass die Schere der Einkünfte in Indien groß ist und dass generell Schreibtischarbeit als angesehener gilt als eine Tätigkeit in der Produktion. Da Indien ein Land mit einem viel höheren Wert auf der Machtdistanz-Skala ist, muss man davon ausgehen, dass Vorgesetzten große Achtung entgegengebracht wird und dass die Interaktion zwischen dem Vorgesetzen und dem Mitarbeiter emotional behaftet ist. Gerade ältere Vorgesetzte genießen höhere Achtung, im Vergleich zu einem Land mit niedrigem Machtdistanz-Index, in welchem junge Führungskräfte sowie junge Lehrer besonders geschätzt werden. Sollen Zielvereinbarungen getroffen werden, ist hier Vorsicht geboten, da gerade das Werkzeug „Management by Objectives“ Verhandlungen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter erfordert, was in einer Kultur mit hohem Machtdistanz-Index von beiden Seiten eher abgelehnt wird. Bereits Mitarbeitergespräche zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten stehen in Konkurrenz mit dem Harmoniedenken und der Mitarbeiter könnte ein solches Gespräch als inakzeptable Bloßstellung seiner Person auffassen. Obwohl Österreich den niedrigsten Machtdistanz-Index von allen bewerteten Ländern aufweist, sollten Entsendete die Ungleichheit zwischen oberer und unterer Schicht akzeptieren. Sie sollten sich der großen Gehaltsunterschiede ebenso bewusst sein, wie der Bevorzugung von zentraler Führung und Einhaltung von Disziplin. So sind Anweisungen an Mitarbeiter nicht nur für Vorgesetzte wichtig, auch der Mitarbeiter erwartet dies von seinem Chef, für ihn wäre es unnatürlich, würde man von ihm proaktives Handeln erwarten. Des Weiteren möge man akzeptieren, dass eine Kultur mit hohem Machtdistanz-Index großen Wert auf Statussymbole und Sonderrechte legt. In Anbetracht der oben angeführten Erkenntnisse ist davon abzuraten, Diskussionen über Politik zu entfachen. (Mürwald-Bachner, 2022, S. 48) „One US company we worked with was extremely low on hierarchy. The headquarters managers of this company had a very difficult time with its subsidiary in India, which had a relatively high preference for hierarchy […]. The American managers were frustrated that their Indian subordinates would not embrace empowerment and make decisions. The Indian subordinates were frustrated that their American bosses were so inefficient and were taking so much time to discuss simple desicions with everyone, when just telling everyone what do to and then letting them go about their business would be much faster.“ (Lane et al, 2019, S. 41) Zwar liegen die Werte auf der Individualismus-Kollektivismus-Skala zwischen den beiden betrachteten Ländern nicht zu weit auseinander, dennoch sollte man Entsendete dahingehend unterrichten, direkte Konfrontation und strikte Ablehnungen bei ihren Geschäftspartnern in Indien zu vermeiden, um nicht für unhöflich angesehen zu werden. Indien gilt als kollektivistisch geprägtes Land, weshalb man anstelle von Videokonferenzen mit geselligen Geschäftsessen an öffentlichen Orten besser beraten ist. Vertrauensbildung und die gute Pflege eines persönlichen 225

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Verhältnisses sind unumgänglich, ebenso muss man wissen, dass in einem kollektivistischen Land Gruppeninterne bevorzugt werden und dies als normal und wünschenswert angesehen wird, wenngleich eine solche Vorgangsweise in einem individualistischen Land, wie Österreich, eher mit Argwohn betrachtet wird. Kritik sollte man in Indien nicht gegenüber dem Einzelnen anbringen, ein Appell an die Gruppenehre wird sich für zielführender erweisen. Auch Leistungsprämien sollte man eher für die Gruppe als für einzelne Mitarbeiter aushandeln. Finanzielle Mittel werden in einem kollektivistischen Land innerhalb der Gruppe geteilt, akademische Titel haben die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Ziel, nicht den individuellen Erfolg. Es ist wichtig, vorerst ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und davon abzusehen, schnelle Geschäfte machen zu wollen. Im Hinblick auf die Dimension Maskulinität versus Femininität sei die Wichtigkeit von Verantwortung, Ehrgeiz, Entschlossenheit und Wettbewerb bei beiden Geschlechtern aufgezeigt. Da in diesem Bereich beide Länder ähnliche Werte aufweisen, sollte es hier zu keinen großen Missverständnissen kommen. Sollte sich eine Verhandlung jedoch zum Machtkampf entwickeln, wäre ein Einlenken sinnvoll. Der Unterschied auf der Unsicherheitsvermeidungs-Skala ist zwischen Österreich und Indien hingegen deutlich ausgeprägt. Man kann davon ausgehen, dass der österreichische Geschäftspartner Wert auf Pünktlichkeit, exakte Zielsetzungen, genaue Planung und Struktur legt, während man diese Dinge in Indien nicht so streng nimmt. Der indische Geschäftspartner ist nicht als träge oder gar faul anzusehen, man muss sich auf längere Wartezeiten, vage Ausdrucksweise und offene Verhandlungspunkte gefasst machen. Innovation, Kreativität, Pragmatismus und Offenheit zählen in Indien mehr als Geschäftigkeit und zu einem Schluss zu kommen. Beim österreichischen Entsendeten sollte Verständnis für die andersartige Kultur geschaffen werden und vermittelt werden, dass Andersartigkeit nicht gefährlich ist. Der westliche Entsendete sollte darauf vorbereitet werden, dass er sich durch Unpünktlichkeit oder unklare Situationen nicht irritieren lassen solle. Im Bereich der Langzeit- Kurzzeitorientierung ist anzuführen, dass man in Indien auf Traditionen achtet und stolz auf Land und Familie ist. In der indischen Kultur legt man Wert darauf, im Hier und Jetzt in der Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Größer als auf der vorangegangenen Skala ist der Unterschied in der Dimension Genuss versus Zurückhaltung. Der österreichische Entsendete sollte mit zu offener freier Meinungsäußerung zurückhaltend sein und gegenüber dem Bedürfnis nach Ordnung im Land der indischen Kultur tolerant sein. Der Fokus sollte weniger auf Freizeitaktivitäten denn auf Sparsamkeit und Disziplin gelenkt sein. Des Weiteren sollte man sich bewusst sein, dass überschwängliche Freundlichkeit und betont optimistische Ausstrahlung in dem zurückhaltenden Indien eher mit Skepsis betrachtet wird. Allzu große Herzlichkeit würde hier für unseriös angesehen werden. Diese Arbeit zeigt die wichtigsten Faktoren interkultureller Zusammenarbeit der beiden Länder auf, um die Ausgangsbasis für eine gelungene Kooperation zu schaffen. „Culture is a fuzzy set of basic assumptions and values, orientations to life, beliefs, politics, procedures and behavioural conventions that are shared by a group of people, and that influence (but do not determine) each member’s behaviour and 226

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his/her interpretations of the ‚meaning‘ of other people’s behaviour.“ (Spencer-Oatey, 2009, S. 15) „This book will describe why there is no ‚one best way of managing‘, and how some of the difficult dilemmas of international management can be mediated. Throughout, it will attempt to give readers more insight into their own culture and how it differs from others.“ (Trompenaars/Hampden-Turner, 2020, S. 12) 4. Hofstede, G., Hofstede, G. J. & Minkov, M. (2017). Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. München: DTV Verlag GmbH. 69ff Lane, H. W., Maznevski, M. L. & DiStefano, J. J. (2019). International Management Behaviour. Literaturverzeichnis Global and Sustainable Leadership. Cambridge: University Press. 41 Lüsebrink, H.-J. (2016). Interkulturelle Kommunikation: Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer. J.B. Metzler Verlag. 18. Mürwald-Bachner, U. (2022). Interkulturalität im Wechselspiel mit Persönlichkeitsstrukturen beim Aufbau eines in der österreichischen Elektromobilitätsbranche. Pöttsching: Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science in Wirtschaftspsychologie an der Middlesex University London. 48 indischen Tochterunternehmens für den Beschaffungsmarkt Spencer-Oatey, H. (2009). Intercultural Interaction. A Multidisciplinary Approach to Intercultural Communication. New York: Palgrave Macmillan. 15 Trompenaars, F. & Hampden-Turner, C. (2020). Riding The Waves of Culture. Understanding Diversity in Global Business. London/Boston: Nicholas Brealey Publishing. 12 227

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„Anwendung der Hypnose aus heutiger Sicht“ H. Namvar1 Praxis NeuroIntellekt Keywords: Medizinische Hypnose, Klinische Hypnose, F. A. Mesmer, Sigmund Freud, Anwendungsgebiet, Unterbewusstsein, Meta-Analyse, klinische Studien, Psychotherapie. ABSTRACT Schon als junger Wiener Nervenarzt, begann sich Sigmund Freud mit den Funktionsweisen des menschlichen Verstands und Verhalten zu beschäftigen. Inspiriert von dem deutschen Arzt Franz Anton Mesmer war überzeugt von der Wirksamkeit der Hypnose. Seine erstaunliche Erfolge von Hypnose bezüglich der Aufhebung der Lähmungen von Hysterie- Patienten, brachten ihn zur der Annahme, dass der menschliche Verstand aus verschiedenen Bewusstseinsebenen besteht. Trotz der anfänglichen Erfolge geriet die Hypnose in der Psychoanalyse eher in den Hintergrund. Heutzutage hat die Hypnose bei modernen Psychotherapeutischen Ansätze einer entscheidenen Anwendung gefunden und sich über Jahrzehnte hinweg stark entwickelt. Erstaunlicherweise berichten mir meine PatienInnen seit Jahren über die Nachhaltige Veränderung ihrer Verhaltens- und Denkweise. Sogar die hypnotischen Methoden und deren Auswirkung werden von der neurowissenschaftlichen Forschung unterstützt. Dieser Artikel bietet einen überblick über die einige Forschungsarbeiten in Bezug auf Wirksamkeit der Hypnose und Vielfältigkeit in ihrer Anwendung. 1Homeira Namvar; Kanalstr. 2, 30629 Hannover; Info@neurointellekt.com 229

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Einführung „Schlaf“ verstanden. 1. Hypnose stammt aus altgriechischer Sprache (ὕπνος hýpnos) und übersetzt wird in Deutscher Sprache als In der physiologischen und psychologischen Theorie wird ein Zustand künstlich erzeugten partieller Schlaf in Verbindung mit einem veränderten Bewusstseinszustand verstanden.2 In der somatischen Medizin wurde der Einsatz von Hypnose auf der Basis von Fallberichten sowie Expertenkonsens von der Britisch beziehungsweise der American Medical Association 1955 respektiv 1958 empfohlen.3 4 Der Geschichte der Hypnose geht in die achtzehnte Jahrhundert zurück. Der Geschichte der Hypnose geht in die achtzehnte Jahrhundert zurück. Der Deutsche Arzt Franz Anton Mesmer geboren am 23. Mai 1734 in Iznang hatte Experimente mit Magneten an seinen PatientInnen geführt und nannte diesen Effekt Magnetismus animalis. Die Wirkungskräfte den Magneten betrachtete er als therapeutisch effektiv. Seine Popularität und Arbeit zur Folge wurde den Vorgang des Hypnotisierens Zeitlang auch "Mesmerisieren".5 Ab diesem Zeitpunkt bis Heute findet Hypnose vielerlei Anwendungen, die wissenschaftlich geprüft und dokumentiert worden sind. Medizinische Hypnose (Medizinische Indikationen) 1. Chronischer Schmerz 2. Fibromyalgiesyndrom 3. Schmerz und Belastung durch Punktionen (Kinder und Jugendliche) und Klinische experimentelle Hypnose 11. ADS und ADHS6 12. Allergien8 13. Analgesie10 Hypnose in der Psychotherapie 22. Analytische Hypnose7 23. Albträume9 24. Ängste, Phobien11 2 Michael Laier: Hypnose. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 648 f. 3 British Medical Association. Medical use of hypnotism: report of a subcommittee appointed by the Psychological Medicine Group Committee of the British Medical Association. BMJ Suppl 1955; 23: 190– 3. 4 Council on Mental Health: Medical use of hypnosis. JAMA 1958; 168: 186–9. Baethge C: Evidenzbasierte Medizin. In der Versorgung angekommen, aber noch nicht heimisch. Dtsch Arztebl 2014; 111: 1630–40. 5 Friedrich Engels:Dialektik der Natur, Die Naturforschung in der Geisterwelt. MEW 20, S. 337–347. 6 Shrestha M, Lautenschleger J, Soares N. Non-pharmacologic management of attention- deficit/hyperactivity disorder in children and adolescents: a review. Transl Pediatr. 2020 Feb;9(Suppl 1):S114-S124. doi: 10.21037/tp.2019.10.01. PMID: 32206589; PMCID: PMC7082245. 7 Thomas W. Wall (2018) Hypnosis: A Psychodynamic Perspective, American Journal of Clinical Hypnosis, 60:3, 218-238, DOI: 10.1080/00029157.2018.1400809 8 Mason AA. Hypnosis and Allergy. Br Med J. 1963 Jun 22;1(5346):1675–6. PMCID: PMC2124347. 9 Gerard A. Kennedy. Australian Journal of Clinical and Experimental Hypnosis Vol. 30, No. 2, 2002, 99–155 10 Freeman RM, Macaulay AJ, Eve L, Chamberlain GV, Bhat AV. Randomised trial of self hypnosis for analgesia (Clin Res Ed). 1986 Mar 8;292(6521):657-8. doi: 10.1136/bmj.292.6521.657. PMID: 3081212; PMCID: PMC1339642. 11 HF Coelho, PH Canter, and E Ernst. The effectiveness of hypnosis for the treatment of anxiety: a systematic review, Review published: 2007. labour. Br Med J in 230

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14. Asthma12 25. Arbeitssucht, Spielsucht13 4. Schmerzen bei körperlich behindernden Erkrankungen (Erwachsene) 5. (Erwachsene) Reizdarmsyndrom 6. Erkrankungen Psychosomatische 7. Enuresis Nocturna 15. Biofeedback14 Kopfschmerzen, 16. Migräne16 17. Krebstherapie18 26. Automatisches Schreiben (Schreibblockade)15 27. Blockadenlösung, Prokrastination, Motivationen17 28. Boreout und Burnout- syndrom19 29. Bulimie, Essstörung und Gewichtsabnahme21 8. Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie bei Krebs (Kinder und Erwachsene) 18. Psoriasis20 Neurodermitis, Temporomandibuläre 9. Störung (Nr. 1 bis 9) Referenzen24 19. Psychoimmunologie22 30. Depressionen23 20. Schnarchen25 31. Paartherapie26 in the treatment of emg biofeedback stress‐induced 12 Robert M. Hackman, Judith S. Stern & M. Eric Gershwin (2000) Hypnosis and Asthma: A Critical Review,Journal of Asthma, 37:1, 1-15, DOI: 10.3109/02770900009055424 13 Norman W. Katz. Hypnosis and the addictions: A critical review,Addictive Behaviors,Volume 5, Issue 1,1980,Pages 41-47,ISSN 0306-4603,https://doi.org/10.1016/0306-4603(80)90020-9. 14 Diana Elton BA, BApplSc, DipPhys, PhD, MAPsS, MAPA, MIASP, LPIBA, Combined use of hypnosis and conditions; https://doi.org/10.1002/smi.2460090107 15 Singer, J. L., & Barrios, M. V. (2009). Writer's block and blocked writers: Using natural imagery to enhance creativity. In S. B. Kaufman & J. C. Kaufman (Eds.), The psychology of creative writing (p. 225–246). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511627101.016 16 Philip Spinhoven, A.Corry G. Linssen, Richard Van Dyck, Frans G. Zitman, Autogenic training and self-hypnosis in the control of tension headache,General Hospital Psychiatry, Volume 14, Issue 6, 1992, Pages 408-415, ISSN 0163-8343, https://doi.org/10.1016/0163-8343(92)90008X. 17 K.Robert Bridges, Miguel Roig. Academic procrastination and irrational thinking: a re-examination with context controlled,Personality and Individual Differences,Volume 22, Issue 6,1997,Pages 941- 944,ISSN 0191-8869,https://doi.org/10.1016/S0191-8869(96)00273-5. 18 Carlson, L.E., Toivonen, K., Flynn, M. et al. The Role of Hypnosis in Cancer Care. Curr Oncol Rep 20, 93 (2018). https://doi.org/10.1007/s11912-018-0739-1 19 BAZIN, Pierre-Victor. Hypnose clinique et dentisterie éricksonienne (inpi) vs bore-out et burn-out. 2019. Doktorarbeit. 20 J. Hoskovec (1967) .A review of some major works in soviet hypnotherapy, International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis,15:1,1-10,DOI:10.1080/00207146708407500 21 Hornyak, Lynne M., and Ellen K. Baker, eds. "Experiential therapies for eating disorders." (1989). 22 Wiedermann, C. J., & Wiedermann, M. (1988). Psychoimmunology: Systems medicine at the molecular level. Family Systems Medicine, 6(1), 94–106. https://doi.org/10.1037/h0089715 23 Shih, Miaozun, Yuan-Han Yang, and Malcolm Koo. "A meta-analysis of hypnosis in the treatment of depressive symptoms: a brief communication." Intl. Journal of Clinical and Experimental Hypnosis 57.4 (2009): 431-442. 24 Gontard, Alexander; Kuwertz-Bröking, Eberhard. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 279-85; DOI: 10.3238/arztebl.2019.0279 25 KRAFT, DAVID; Contemporary Hypnosis & Integrative Therapy . 2015, Vol. 30 Issue 4, p179-188. 10p. 26 Zeig, Jeffrey K., and Stephen R. Lankton, eds. "Developing Ericksonian therapy: A state of the art." (2013). 231

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10. Tinnitus27 21. Zahnbehandlung28 32.Selbsthypnose29 33. Sexualtherapie30 34. Traumatherapie31 35. Zwangsstörung32 Methode Tabelle1: Eine tabellarische Aufstellung in der hypnotischen Anwendungsgebiet 2. Um die vorliegende Ergebnisse zu eruieren, erfolgte eine Datenerhebung aus den Forschungsdatenbanken Google Scholar und NCBI. Die Forschungsergebnisse sind Anhand der Mata Analyse, Klinische Studie, Randomisierte kontrollierte Studie und Systematische Studie entstanden. Auf dieser Weise wurden signifikante Forschungen und repräsentative Ergebnisse erzielt. 1. Über Hypnose fachübergreifen d Anzahl Insgesa mt 235.000 (Google Scholar) Art Publikationen der Bücher Dokumente & Anzahl der Kategorie 850 Klinische Studien 1.060 Meta-Analyse Randomisierte Klinische Studien 118 882 Bücherregal NCBI PubMed PubMed PubMed Datenbank Zeitraum Rezension Systematische Überprüfung Bücher Dokumente Klinische / 2. Hypnose Medizinische Hypnose 190.000 /140.000 (Google Scholar) 1.591 202 PubMed PubMed & 850 348 Bücherregal NCBI Bücherregal NCBI in 1977- 2021 in 1980 - 2021 in 1915- 2021 1965 - 2021 1991 - 2021 1965 - 2021 1963 - 2021 1990 - 2021 27 Joseph Attias, Zecharya Shemesh, Chaya Shoham, Amnon Shahar & Haim Sohmer (1990) Efficacy of Self-Hypnosis for Tinnitus Relief, Scandinavian Audiology, 19:4, 245-249, DOI: 10.3109/01050399009070779 28 Heide Glaesmer, Hendrik Geupel, Rainer Haak. A controlled trial on the effect of hypnosis on dental anxiety in tooth removal patients, Patient Education and Counseling, Volume 98, Issue 9, 2015, Pages 1112-1115, ISSN 0738-3991, https://doi.org/10.1016/j.pec.2015.05.007. 29 Eason, Adam D., and Benjamin A. Parris. "Clinical applications of self-hypnosis: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials." Psychology of Consciousness: Theory, Research, and Practice 6.3 (2019): 262. 30 Araoz, D. L., J. M. Burte, and E. Goldin. "Sexual Hypnotherapy for the Couples and Family." (2001). 31 Spiegel, David. "Hypnosis and traumatic dissociation: Therapeutic opportunities."Journal of trauma & dissociation 4.3 (2003): 73-90. 32 MOORE, Kathleen A.; BURROWS, Graham D. Hypnosis in the treatment of obsessive-compulsive disorder. Australian Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, 1991, 19. Jg., Nr. 2, S. 63-75. 232

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Klinische Studien 1.060 / PubMed 1965 - 2021 315 Meta-Analyse 118 / 53 PubMed 764 / 204 PubMed 1991 - 2021 1972 - 2021 1.591 472 / PubMed 1964 - 2021 202 / 86 PubMed 1990 - 2021 Randomisierte Klinische Studien Rezension Systematische Überprüfung Ergebnis / Erkenntnis Tabelle2: Veröffentlichungen bezüglich Hypnose in Zusammenhang mit spezifischen Anwendungsbereich 3. In zahlreichen qualitativen und quantitativen Studien wurden die Wirksamkeit der Hypnose bewiesen. Die Erfolgserlebnisse der hypnotischen Behandlungsmethode variiert bezüglich der jeweiligen Symptomatik vom Fall zu Fall unterschiedlich und zum Teil auch individuell. Anhand einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse wurden die Anzahl der durchgeführten Forschungen bzw. Methodik von verschiedenen Fachbereichen in einer überschaubaren Tabelle reduziert und dementsprechend ausgewertet. 233

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„QUALITÄTSMANAGEMENT IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN“ H. Nerger-Klosowski1 University of Library Studies and Information Technologies Sofia, Bulgaria Keywords: Bildung, Qualität, Qualitätsmanagement, Kindertageseinrichtung, Verständnis, Orientierung, Richtung, Zukunft ABSTRACT Kinder sind unsere Zukunft. Gute Qualität in der Betreuung und in der frühen Bildung von Kindern gehört somit zu den gesellschaftlichen Aufgaben in Deutschland. Qualitativ gute Kinderbetreuung ist jedoch viel mehr als nur die Möglichkeit, das eigene Kind für eine bestimmte Zeit versorgt zu wissen. Sie unterstützt die individuellen Entwicklungsphasen eines Kindes. In Kindertageseinrichtungen können Kinder spielen, forschen, ihre Umwelt kennenlernen, Freunde finden und sich kreativ ausleben. Frühe Bildung begleitet die ersten Schritte eines jeden Kindes und legt damit einen wichtigen Grundstein für den späteren Bildungserfolg. 1 Heidi Nerger-Klosowski; 21465 Wentorf, Berliner Landstraße 44a; heidi.klosowski@gmx.net 235

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die eigene Arbeit kritisch reflektieren, 1. Einleitung Mit der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) hat seit dem Jahr 2000 eine nationale Bildungsdebatte eingesetzt, die auch für Kindertageseinrichtungen (Kitas) eine Trendwende markierte. PISA – als Leistungsvergleich an Sekundarschulen, führte zu Diskussionen über die Versäumnisse in der Bildungspolitik allgemein und deren Auswirkungen auf die soziale und ökonomische Entwicklung. Vor PISA war der Fokus der öffentlichen Diskussion über die Kindertagesbetreuung mehr auf die familienpolitisch motivierte Aufgabe der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerichtet. Nach PISA lautete das Schlüsselwort „Bildung“. Seitdem steht die Qualität der Kindertageseinrichtungen im Fokus der Bildungsdebatte und die Notwendigkeit der Offenlegung und Verbesserung von Qualität in der frühkindlichen Erziehung ist unausweichlich geworden. Kindertageseinrichtungen haben gesellschaftlich Umbrüche und Aufwertung erfahren, wobei gleichzeitig ihr Aufgabenspektrum breiter und die Anforderungen an das pädagogische Fachpersonal gesteigert wurde. Familien unterstützen, mit Eltern kooperieren, Bildungsarbeit entwickeln, Kinder und ihre Entwicklung beobachten und dokumentieren, unterschiedliche Bewertungsmethoden verstehen und anwenden etc. unterstreichen diese Aussage. Schwerpunktmäßig wird heute Kindertagesbetreuung unter dem Aspekt betrachtet, welcher Beitrag zur frühkindlichen Bildung und Kompetenzentwicklung geleistet werden soll und kann, wobei u.a. auch die Finanzierung im Bereich der vorschulischen Arbeit eine wichtige Rolle spielt. Die aus der Qualitätsdebatte resultierende Unsicherheit bei pädagogischen Fachkräften, die Anforderungen des Trägers der Kindertageseinrichtung und die Erwartung der Eltern machen eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema erforderlich. in Kindertageseinrichtungen und der Frage, wie Qualität bestimmt, entwickelt und umgesetzt werden kann. Die Ausgangssituation soll die Aktualität des Themas verdeutlichen, wonach sich der vierte Abschnitt mit den theoretischen Grundlagen und Begrifflichkeiten von Qualitätsmanagement und (pädagogischer) Qualität beschäftigt. 2. Methode Mit Hilfe einer systematischen Literaturreche als qualitative Methodik, wurden aus der großen Menge an wissenschaftlichen Veröffentlichungen die Inhalte herausfiltert und analysiert, die für diese Arbeit relevant sind. 3. Ausgangssituation Kinder- Nach § 22 Abs. 3, Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) bzw. (KJHG: der Diese Arbeit befasst sich daher mit dem Qualitätsmanagement Jugendhilfegesetz) Förderauftrag und umfasst der 236

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Jugendhilfe hinsichtlich der Sicherstellung von Qualität Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiter entwickeln“ (ebd.). „(…) Kindertageseinrichtungen: Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die sozia le, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes“ (Stand: 1. Juni 2009, S. 1184). Diesem Auftrag sind die Kindertageseinrichtungen verpflichtet. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass diesem Auftrag nicht nur nachgegangen, sondern auch, dass hierzu dokumentiert wird. Mit § 22 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erhält der örtliche Träger der in Kindertageseinrichtungen seines Jugendamtsbezirkes neue Steuerungsaufgaben (Braun, 2009, S. 77). Dort heißt es: „Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Darüber hinaus wurden durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Betreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG) vom Bundestag eine Neufassung der Regelungen des SGB VIII über die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen vorgenommen. Im § 22 a Abs. 1 TAG wird erstmalig die Pflicht zur Qualitätsentwicklung und Evaluation formuliert. Konkret werden der Einsatz einer pädagogischen Konzeption sowie Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege genannt. Somit wird die Bedeutung von fachlichen Standards der pädagogischen Arbeit ebenso betont wie die Notwendigkeit, diese einer kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwicklung zu unterziehen (Tietze, Viernickel, Dittrich (Hrsg.), 2013, S. 12). 4. Begriffsbestimmungen 4.1. Kindertageseinrichtungen In § 22 Abs.1 Satz 1 SGB VIII werden Kindertageseinrichtungen wie folgt definiert: „Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden“ (S. 1184). Des Weiteren werden in § 22 Abs. 2 SGB VIII die Aufgaben von Kindertageseinrichtungen beschrieben. Sie sollen: 1. 2. die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen, 3. Die Kernaufgaben von Kindertageseinrichtungen werden somit auf Bundesebene klar sollen Kindertageseinrichtungen das Recht der Kinder auf Förderung ihrer Entwicklung und Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten gewährleisten (§ 1 Abs. 1 SGB VIII, S. 1178). Sie fördern zudem die individuelle und den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können“ (ebd.) „die Entwicklung des Kindes gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, zu einer eigenverantwortlichen und Erziehung“. definiert: „Betreuung, Bildung und So 237

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soziale Entwicklung der Kinder und tragen dazu bei, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen (§1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII, S. 1178). Die gesetzlichen Bestimmungen legen fundamentale Vorstellungen zur Stellung von Kindern in der Gesellschaft und zum Umgang zwischen Kindern und Erwachsenen fest. Sie benennen übergeordnete Erziehungsziele, wobei dieser öffentliche Auftrag den Maßstab für die Qualität der Kindertageseinrichtungen bildet. Die gesetzliche Basis stellt die Ausgangslage dar, um auf Träger- und Einrichtungsebene individuelle fachliche Leitbilder und Konzeptionen zu formulieren (Schreyer, Hanssen, Kalicki, Nagel, Oberhuemer, 2003, S. 360). Für Deutschland sind die Trägervielfalt sowie die Unterschiedlichkeit der pädagogischen Ansätze charakteristisch. Hieraus ergeben sich Schwierigkeiten in Bezug auf bundesweit einheitliche Qualitätskriterien für Kindertageseinrichtungen. Es stellt sich u.a. die Frage, wie (pädagogische) Qualität beschrieben und weiterentwickelt werden kann. 4.2. Qualität und Qualitätsmanagement Qualität ist ein Begriff aus dem alltäglichen Sprachgebrauch, welcher dennoch inhaltlich schwer zu fassen ist. Er hat seinen Ursprung im lateinischen Wort „qualitas“ und bedeutet „Beschaffenheit, Güte, Wert“ (Duden, 2006, S. 821). Gemäß Bolewski, Glos, Dox (2012, S. 10), werden unter Qualität alle Eigenschaften eines Gegenstandes, eines Produkts, einer Dienstleistung, eines Systems oder eines Prozesses bzw. deren Güte zusammengefasst. Sie ist abhängig von unseren Erwartungen und Anforderungen. Je nach Erfüllungsgrad unserer Erwartungen wird von einer hohen oder niedrigen Qualität gesprochen, welche zu Kundenzufriedenheit oder -unzufriedenheit führt. Qualität wird also durch die Anforderungen derer festgelegt, die bewerten. Was heißt das nun für Kindertageseinrichtungen? Sie sind als Einrichtungen den sozialen Dienstleistungen zuzuordnen. Mehrere Interessengruppen von Kunden mit unterschiedlichen Anforderungen stoßen hier aufeinander. Es ist notwendig diese Gruppen zu identifizieren und ihre Wünsche und Bedürfnisse zu ermitteln. Hier konkurrieren die Anforderungen der Kinder, der Eltern, der Gesellschaft, der Politik (Gesetzgebung) und des Trägers miteinander. Diese Anforderungen sind sehr wichtig, denn der Erfüllungsgrad bestimmt die Bewertung der Qualität (ebd., 2012, S. 11). Als wichtigste Interessengruppe der Kindertageseinrichtung sind jedoch die sie besuchenden Kinder selbst und an oberster Stelle ihr Wohlergehen und die gesetzlichen Vorgaben zu nennen. Aber auch die Eltern der Kinder haben möglicherweise aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit Forderungen an die Einrichtung in Bezug auf die Öffnungszeiten sowie gute Erreichbarkeit (ebd.). Der Träger der Tageseinrichtung wiederum möchte eventuell sein eigenes, spezifisches Profil ausbilden, das ihn gegenüber den Mitbewerbern hervorhebt, wenn er auf dem Markt der Betreuungsangebote bestehen will (Wehrmann, 2009, S. 141). Wie gestalten sich die Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte oder welche Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung gibt es für sie? Wie sieht es mit deren Mitsprache- 238

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und Mitbestimmung aus (Fthenakis, 2003, S. 213). Darauf beziehen sich u.a. die zusammenfassenden Ergebnisse der 12-Länder-Studie der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) 2001. Sie betonen die Notwendigkeit von beteiligungsorientierten Ansätzen der Qualitätsbestimmung, - entwicklung und -überprüfung, welche die Sichtweisen der jeweiligen Mitwirkenden (Fachkräfte, Träger, Eltern, Kinder…) berücksichtigen, um einen partizipatorischen Ansatz einschließen und mögliche negative Auswirkungen überwinden zu können (Oberhuemer, 2009, S.10). Gedanken über Qualität an sich existieren schon länger. Das Management stellte mit geeigneten Anweisungen, Kontrollen und Messungen sicher, dass die Produkteigenschaften auch den Anforderungen und Erwartungen des Kunden genügten. Neu ist die Gesamtstrategie die als „Qualitätsmanagement“ bezeichnet wird (Brauer, 2009, S. 8). Die Auseinandersetzung mit diesem Thema zeigt, dass Qualität nicht von selbst entsteht. Sie muss entwickelt, gesichert und evaluiert werden. So steht die Qualität in Kindertageseinrichtungen eng im Zusammenhang mit dem Begriff des Qualitätsmanagement (QM). Ein Qualitätsmanagement soll grundsätzlich dazu beigetragen werden, durch bestimmte Verfahren die Güte der eigenen Arbeit besser nachzuweisen. Einerseits soll die Qualität der Trägerleistung sichergestellt und die Prozesse der Qualitätsentwicklung andererseits eingeleitet werden. Nach Kirsten Hanssen ist Qualitätsmanagement als ein umfassendes Planungs-, Informations- und Kontrollsystem zu verstehen, wobei die Aufgaben dabei in erster Linie die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung beinhalten (Hanssen, 2009, S. 52). Qualitätssicherung umfasst dabei: „(…) alle Aktivitäten, die darauf abzielen, die Er- wartungen der Beteiligten zu erkunden und im Verhältnis zu den vorhandenen Ressourcen aufeinander abzustimmen (…) sowie ferner alle Maßnahmen und Ak- tivitäten, die dem Erreichen und Überprüfen der Qualitätsziele dienen“ (Hanssen, Qualitätssicherung fördert die Stabilität der Arbeitsprozesse und baut Risiken ab. Durch die Betrachtung der einzelnen Arbeitsabläufe wird z.B. die Zielerreichung oder auch die Klarheit der einzelnen Abläufe sichtbar. Dies kann u.U. durch Zielvereinbarungen auch Entscheidungsprozesse und -verantwortung der Mitarbeiter*innen beinhalten (ebd.). Des Weiteren steht im Sinne von kontinuierlicher Verbesserung von Qualität die Qualitätsentwicklung. Ansatzpunkte für die Verbesserung von Qualität bieten hier die Beschreibung und Evaluierung der Ergebnis-, Prozess-, und Strukturqualität. Indikatoren für die Ergebnisqualität können z.B. die NutzerInnenzufriedenheit und die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen vor dem Hintergrund der Einhaltung des Kostenrahmens sein. Prozessqualität beinhaltet u.a. die Beschreibung und Evaluierung der konkreten Arbeitsabläufe und die Strukturqualität bezieht sich auf die Rahmenbedingungen der Einrichtung oder des Trägers (ebd.). Groot-Wilken misst dabei der Teamarbeit eine besondere Bedeutung zu. 2009, S. 52, zit. nach Meinhold, 1995, S. 292). beitragen zur Angebotsoptimierung oder 239

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und Anregungen gegeben, wie (Groot-Wilken, 2012, S. 7). Rechenschaft über die bisher geleistete Arbeit, Denn eine professionelle und positive Haltung zur Qualitätsentwicklung kann demnach nur erreicht werden, wenn: > „für Teams der Gewinn für ihre Einrichtung erkennbar ist, > jede einzelne Fachkraft für sich persönlich den Gewinn erkennt, > alle Beteiligten ausreichend informiert sind, > alle Beteiligten Entwicklungsprojekte kennen oder > externe Unterstützung und Beratung bei Bedarf verfügbar ist“ Weiterhin sollten sich Teams im Vorwege mit den wichtigsten Aspekten wie Haltungen, Kompetenzen und Orientierungen auseinandersetzen können, um eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung gewährleisten zu können. Diese beinhalten folgende Funktionen: > Optimierung der pädagogischen Prozesse, > Analyse der Arbeitsergebnisse, > > Professionalisierung von Fachkräften. (Groot-Wilken, 2012, S. 9. (NQI) maßgeblich dazu Diesbezüglich hat die Nationale Qualitätsinitiative in der Praxis beigetragen, die Arbeit der Träger und anderer Akteure zusammenzufassen erfolgreiche Qualitätsentwicklungsprozesse zu gestalten sind. Im 12. Kinder -und Jugendbericht des Bundes (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – BMFSFJ 2005) wurde dieser Prozess ausführlich dokumentiert (Breuksch, Engelberg, 2009, S. 64). Dabei wurde festgestellt, dass durch mangelnde Qualität in der frühkindlichen Bildung ein Jahr Entwicklungsrückstand beim Kind eintreten kann. Doch die Input-Bedingungen beeinflussen „nur“ zu 25 bis 50% die Prozessqualität. Es liegt also viel Entwicklungspotential für mehr Qualität in der Ausgestaltung des Angebotes selbst (ebd.). Auch wurden im Rahmen der Debatte um den Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen von allen Bundesländern Bildungsprogramme bzw. - empfehlungen entwickelt, welche einen inhaltlich-fachlichen Orientierungsrahmen geben. Mit der Integration der Bildungsempfehlungen in pädagogische Konzepte und ihre Umsetzung in die Erziehungs- und Bildungsarbeit der jeweiligen Einrichtungen, ist eine gewisse Verbindlichkeit zu verstehen (Tietze et al., 2013, S. 13). Der Oberbegriff hierfür ist „Pädagogische Qualität“ 4.3. Pädagogische Qualität pädagogische Qualität ist dann gegeben, wenn diese: > „dem körperlichen, emotionalen und intellektuellen Wohlbefinden sowie der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungsförderung des Kindes dient und damit auch > Demnach umfasst pädagogische Qualität das gesamte Spektrum von relevanten Situationen für die Entwicklung und das Wohlbefinden im Alltag von Kindern. die Familien (Esch, Klaudy, Micheel, Stöbe-Blossey, 2006, S. 40, zit. nach Tietze 2001: 6) in ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgabe unterstützt.“ 240

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1998 hat Wolfgang Tietze dazu die Kategorie der „pädagogischen Orientierung(en)“ in die deutschsprachige elementarpädagogische Qualitätsdiskussion eingeführt. Nach Knauf (2003, S. 245) unterscheidet er dabei drei pädagogische Qualitätsbereiche, die zur Qualität einer Einrichtung beitragen: > Pädagogische Prozesse (Prozessqualität), > Pädagogische Strukturen (Strukturqualität), > Pädagogische Orientierungen (Orientierungsqualität). Die einzelnen Bereiche können wie folgt ausdifferenziert werden: Orientierungsqualität schließt Werte und Überzeugungen der für die pädagogischen Prozesse verantwortlichen Erwachsenen ein (dazu zählt zum Beispiel die Haltung zur Zusammenarbeit mit Eltern). Strukturqualität beschreibt Rahmenbedingungen (zum Beispiel die Gruppengröße und die Fachkraft-Kind-Schlüssel). Unter Prozessqualität wird die Gesamtheit der Interaktionen von Kindern mit den pädagogischen Fachkräften, mit anderen Kindern und mit den Räumlichkeiten sowie den darin befindlichen Materialien, z.B. dem Spielzeug zusammengefasst. Es besteht jedoch die berechtigte Sorge, dass die pädagogische Qualität oft nicht ausreicht, um Kinder in Kindertageseinrichtungen optimal fördern zu können. So sind u.U. die Gruppen zu groß, der Erzieher-Kind-Schlüssel ist ungünstig, ebenso wie der verfügbare Raum und die Materialausstattung. Die Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte gilt als unzureichend und die konkreten pädagogischen Prozesse und Abläufe in den Einrichtungen sind zu wenig anregend, um die Kinder in allen zentralen Entwicklungsbereichen angemessen zu fördern (Tietze, Lee 2009, S.44). 5. Erkenntnis/ Ergebnis: Hier stellt sich die Frage, wie die Qualität unter den verschiedensten Voraussetzungen kontinuierlich umgesetzt und verbessert werden kann? Die Anforderungen an die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen befinden sich in einem stetigen Veränderungsprozess, der durch einen gesellschaftlichen Umbruch ausgelöst wird. Angesichts dieser steigenden Herausforderungen kommt der Qualität der Leistungen und damit der Notwendigkeit eines Qualitätsmanagements eine besondere Bedeutung zu. Es gehört zum professionellen Selbstbild von Trägern und ihren Einrichtungen sich mit Qualitätsmanagement auseinanderzusetzen. Qualitätsmanagement soll dazu beitragen, dass die Qualität in Kindertageseinrichtungen weiter verbessert wird und dass die Jugendhilfeträger und Eltern diese Qualität besser einschätzen können. Es ist notwendig alles zu tun, dass pädagogische Fachkräfte verstehen, was Veränderung bei der Arbeit zum Wohle der Kinder bedeutet. Sie dabei zu unterstützen und zu motivieren sich mit Qualitätsentwicklung und -management auseinandersetzen, um den Anforderungen an die Betreuung von Kindern gerecht zu werden und Freude bei dieser Arbeit zu empfinden, ist eine lohnenswerte Investition in die Zukunft. 241

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6. Literaturverzeichnis Bolewski, H., Glos, S., Dox, C.O. (2012), Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen. Berlin: RabenStück Verlag. Brauer, J.P. (2009), DIN EN ISO 9000:2000 ff. umsetzen. (5. Auflage). München: Carl Hanser Verlag. Braun, U. (2009), Qualität von Kindertageseinrichtungen-beliebig oder verbindlich? Überlegungen aus (2009), Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. S. 77-94. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. In Altgeld, K., Stöbe-Blossey S. kommunaler Perspektive. (Hrsg.), Breuksch, B.-M., Engelberg, K. institutionellen Kindertagesbetreuung. In Altgeld, K., Stöbe-Blossey, S. (Hrsg.), (2009), Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. S. 63-76. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. (2009), Qualitätsentwicklung in der Duden. Die deutsche Rechtschreibung. (2006), (24. Auflage), Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. Fthenakis, W.E. (2003), Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder. In Fthenakis, W. E. (Hrsg.), , Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen werden können. S. 208- 242. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. Groot-Wilken, B. (2012), Qualität in der Kita erfassen, sichern, weiterentwickeln. Leitfaden für pädagogisches Handeln. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH. Knauf, T. Hanssen, K. (2009), TQ-Dimension 3: Qualitätsmanagement. In Fthenakis, W. E., Hanssen, K. Oberhuemer, P., Schreyer, I., (Hrsg.) Träger zeigen Profil. Qualitätshandbuch für Träger von Kindertageseinrichtungen. S. 52-55. Berlin, Düsseldorf: Cornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co. KG. in Kindertageseinrichtungen. In Fthenakis, W. E. (Hrsg.), Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen werden können. S. 243- 2263. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. (2003), Der Einfluss pädagogischer Konzepte auf die Qualitätsentwicklung Oberhuemer, P., (2003) Trägerqualität im Kontext der internationalen und nationalen Qualitätsdis- kussion. In Fthenakis, W.E., Hanssen, K., Oberhuemer, P., Schreyer, I., (Hrsg.) Träger zeigen Profil. Qualitätshandbuch für Träger vo Kindertageseinrichtungen. S. 10-12. Berlin, Düsseldorf: Cornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co. KG. Schreyer, I., Hanssen, K., Kalicki, B., Nagel, B., Oberhymer, P. (2003), In Fthenakis, W. E. (Hrsg.), Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen werden können. S. 352- 371. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. Stascheit, U. (2009), Gesetze für Sozialberufe. Textsammlung, (17. Auflage). Stand: 1. Juni 2009. Baden Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Tietze, W., Lee, H-J. (2009), Ein System der Evaluation, Verbesserung und Zertifizierung pädagogischer Qualität von Kindertageseinrichtungen in Deutschland. In Altgeld, K., Stöbe-Blossey (Hrsg.), (2009), Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. S. 43- 62. Wiesbaden: Verlag für Sozial- wissenschaften. Tietze, W., Viernickel, S., (Hrsg.) Dittrich, I., Grenner, K., Groot-Wilken, B., Sommerfeld, V. et al. (2013), Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder. Ein nationaler Kriterienkatalog. (4. Auflage), Berlin: Cornelsen Schulverlage GmbH. Wehrmann, I. (2009), Flächendeckende Umsetzung eines Qualitätskonzeptes aus Trägersicht. In Altgeld, K., Stöbe-Blossey (Hrsg.), (2009), Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. S.141-157. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. 242